Oman auf der Überholspur
18. November 2010Ein Flachdach-Neubau am Stadtrand von Maskat: Zehn Männer mittleren Alters, allesamt tragen sie lange Bärte, Turbane und Dischdaschas, die traditionellen knöchellangen weißen Gewänder. Aufmerksam verfolgen sie die Grafik, die ein Overhead-Projektor an die Wand wirft. "Wir lernen heute etwas über das Bremsen", erzählt Said, Teilnehmer am Verkehrssicherheits-Training der Royal Oman Police, der Polizei des Sultanats. Der 40-Jährige ist nicht ganz freiwillig hier. Als Fuhrunternehmer mit einem kleinen Lieferwagen braucht er neuerdings eine Zusatzqualifikation. Aber schaden könne ein Sicherheitstraining nicht. Vor einigen Jahren habe er bereits einen deftigen Unfall gehabt. Ein Auto raste mit 160 Kilometern pro Stunde in seinen Lastwagen. Mit Gottes Hilfe habe er nur leichte Verletzungen davon getragen, sagt Said.
Auf Gottvertrauen allein soll sich die Sicherheit auf Omans Straßen nicht mehr stützen. Sultan Qaboos hat Verkehrssicherheit ganz oben auf die Agenda gesetzt. Als der Sultan vor 40 Jahren seinen Vater vom Thron stieß, gab es in dem abgeschotteten Land eine Handvoll Privatautos. Selbst Fahrräder waren als westliches Teufelszeug verboten. Inzwischen hat sich das Sultanat auf der Überholspur modernisiert - und motorisiert. Geländewagen und Sportautos haben längst das Kamel ersetzt. Jetzt will Sultan Qaboos nun auch das Bewusstsein seiner Untertanen für Verkehrssicherheit schärfen.
Zivilgesellschaft von oben
Das umzusetzen ist der Job von Dr. Mohammed bin Awadh Al-Rawas, Chef der königlichen Verkehrspolizei. Seine Majestät habe das Thema Verkehrsicherheit bereits 2003 vor den Vereinten Nationen angesprochen - als eines der großen Probleme unserer Zeit, sagt der Polizei-Oberst. Jetzt sei Oman eine der führenden Nationen im Kampf um Verkehrsicherheit, mit Gottes Hilfe und dem Willen seiner Majestät des Sultans. Am 18. Oktober 2009 richtete sich Qaboos an sein Volk mit einer Rede zur Verkehrsicherheit. "Denn seine Majestät sorgt sich um jede einzelne Person im Land", unterstreicht Oberst Awadh Al-Rawas.
Gütig blickt der Sultan von der Wand hinter dem großen Schreibtisch des Polizeichefs herab. Es gibt keinen öffentlichen Raum in Oman, in dem nicht ein Bild des Herrschers hängt. Wie politische Willensbildung in der absolutistisch verfassten Monarchie Oman vonstatten geht, das zeigt das Beispiel Verkehrsicherheit. Seit der Rede des Sultans vom letzten Oktober ist das Thema eines der wichtigsten im Land. Ein großes internationales Symposium wurde einberufen, ein Verein für Straßensicherheit gegründet. Zivilgesellschaftliches Engagement wird in Oman in der Regel von oben verordnet. "Hier in Oman glauben wir an die Kooperationsbereitschaft des Volkes", sagt Awadh Al-Rawas. Wenn seine Majestät etwas sage, dann sagten die Leute dazu "ja". Und so sei die Rate der Verkehrstoten bereits seit der Rede des Sultans dramatisch gesunken.
Deutsche Blitzer gegen Raser
Mit 21 Verkehrstoten auf 100.000 Einwohner liegt Oman im Mittelfeld des weltweiten Durchschnitts. Überhöhte Geschwindigkeit bleibe die Ursache Nummer Eins, sagt Oberst Awadh Al-Rawas. In dem großflächigen, dünn besiedelten Wüstenstaat müssten viele Fahrer weite Distanzen zurücklegen. Mancher drücke daher aufs Gas und überschätze sich.
Doch den Rasern soll jetzt der Spaß ordentlich vermiest werden - mit deutscher Technik. Eine Firma aus Düsseldorf erhielt vom Sultanat einen Großauftrag für Radargeräte: 300 Verkehrsblitzer aus dem Rheinland zieren bereits Omans Schnellstraßen und Kreuzungen. Oberst Awahd Al-Rawas zeigt sich zuversichtlich: Schon innerhalb des nächsten Fünfjahresplans der Regierung, das heißt bis 2015, soll die Zahl der Verkehrstoten um mehr als die Hälfte gesenkt werden. Schließlich erwarte dies der Sultan von seinem Volk.
Derweil wird den Teilnehmern des Verkehrsicherheitstrainings vorgeführt, wie lebenswichtig der Anschnallgurt ist. Ein Autositz saust einen Metall-Schlitten herab und prallt auf eine Metallschiene. Der Kopf des Probanden wird nach hinten gerissen. Das entspräche einem Auffahrunfall bei nur acht Kilometern pro Stunde, erklärt der Dozent. Beeindruckend. Da ist Teilnehmer Said froh, dass der Verkehr auf Omans Straßen sicherer geworden sei. Seit einem Jahr nämlich, seit der Rede des Sultans, wie er findet.
Autor: Sven Töniges
Redaktion: Diana Hodali