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PolitikSüdafrika

Omikron in Südafrika: Mehr Fälle, große Sorge

3. Dezember 2021

Die neue Corona-Variante sorgt für viele neue Infektionen. Größere Sorgen bereiten jedoch vor allem Wirtschaftseinbußen, weil viele Staaten Reisen ans Kap einschränken.

Südafrika ein Covid Graffiti in Johannesburg
Auf diesem Graffiti in Johannesburg zeigt das Coronavirus seine hässliche FratzeBild: Jerome Delay/AP Photo/picture alliance

Kirst Dalton wollte eigentlich ins Fitnessstudio. Stattdessen erlebte sie vor wenigen Tagen kurz nach dem Aufwachen eine böse Überraschung - einen positiven Corona-Test. "Ich merkte deutlich, dass ich nicht gesund war. Mein Partner hatte 39 Grad Fieber. Es waren harte Tage, aber ich hoffe, wir haben es so langsam überstanden. Wir haben glücklicherweise nicht unseren Geruchs- oder Geschmackssinn verloren, was bei Omikron häufig passiert, sofern wir diese Variante erwischt haben", sagt die 32-Jährige am Telefon.

Dalton lebt in der südafrikanischen Metropole Johannesburg. Die neue, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besorgniserregend eingestufte Variante wurde in der Region zum ersten Mal entdeckt. Das muss aber nicht bedeuten, dass sie dort zuerst aufgetreten ist. 88 Prozent aller Corona-Infektionen in Südafrika gehen derzeit auf die Omikron-Variante zurück.

Neuer Pandemietreiber

Gerade als viele afrikanische Länder die Pandemie im Griff zu haben schienen, hat sich Omikron im südlichen Afrika eingenistet - und befeuert die Sorge vor einer vierten Welle: "Parallel zur Entdeckung der Omikron-Variante gibt es 54 Prozent mehr COVID-19-Fälle in Afrika", sagt Abdou Salam Gueye, regionaler Notfalldirektor der WHO. Die meisten Neuinfektionen werden im südlichen Afrika festgestellt: Südafrika vermeldete zuletzt rund 11.500 neue Infektionsfälle binnen eines Tages, auch in Botsuana, Mosambik und Simbabwe wurde Omikron inzwischen nachgewiesen.

Richard Lessells, Infektiologe an der Universität KwaZulu-Natal in Durban, rechnet damit, dass die Zahlen in Südafrika erstmal weiter steigen werden. "Wir sehen eine rasche Verbreitung in einer Bevölkerung, von der wir glauben, dass sie zu großen Teilen gegen die vorherigen Varianten immun war", sagt er im DW-Interview. "Das gibt uns ein besseres Verständnis davon, dass diese Variante leicht übertragbar ist. Es sieht auch so aus, als könne sie die Immunität durch Impfungen oder frühere Infektionen teilweise umgehen." Trotzdem rechnet er wegen der hohen Grundimmunität mit hauptsächlich milden Verläufen.

Neue wirtschaftliche Sorgen

Südafrika steht seit Oktober auf der niedrigsten Lockdown-Stufe. Freiluftveranstaltungen mit maximal 2000 Teilnehmenden sind erlaubt. Nach Mitternacht gilt eine vierstündige Ausgangssperre. Von Abstands- und Maskenpflicht sowie Sonderregeln für Beerdigungen abgesehen, ist ansonsten vieles wieder möglich.

Schlange stehen zum Corona-Test: Das "Ballito Rage"-Musikfestival endete nach einigen Fällen vorzeitigBild: Adrian Kriesch/DW

Gesundheitsminister Joe Phaahla hat vorerst keine Verschärfungen angekündigt. Allerdings steigt für Veranstalter das Risiko: So musste das Musikfestival "Ballito Rage" nahe der Hafenstadt Durban nach nur einem Tag abgebrochen werden, nachdem 36 Besucherinnen und Besucher positiv auf Corona getestet wurden. "Ich hasse es", klagt der Festival-Manager Greg Walsh im DW-Gespräch: "Das beeinträchtigt meine Branche, unseren Lebensunterhalt, unsere Leidenschaft. In unserer Branche geht es ums Glücklichsein, nicht ums ständig untersagt werden."

Wut und Angst wegen Reisebeschränkungen

Ganz ähnlich geht es vielen in der für Südafrika so wichtigen Tourismusbranche - die bislang weniger unter Omikron selbst leidet als unter den teils drastischen Reisebeschränkungen, die viele Drittstaaten gegen Südafrika und seine Nachbarländer verhängt haben.

Nichts fliegt mehr: Menschenleere am Johannesburger Drehkreuz OR TamboBild: Jerome Delay/AP Photo/picture alliance

In der Mziki Safari Lodge nordwestlich von Johannesburg ist Tourguide Zola Ngciwe an diesem Tag der Einzige, der vom Safari-Jeep aus drei Giraffen im Busch beobachtet: "Normalerweise ist mein Auto voller Touristen aus der ganzen Welt", sagt er der DW. "Aber die jüngsten Reisebeschränkungen wegen COVID-19 haben zu Stornierungen am laufenden Band geführt. Jetzt bin ich ganz allein in der herrlichen afrikanischen Landschaft."

Nach drei Corona-Wellen hatte sich der südafrikanische Tourismus auf allmähliche Erholung eingestellt - und viele geimpfte Reisende aus dem winterkalten Norden der Welt erwartet, da in Südafrika gerade Sommer ist.

Der nun zu erwartende Schaden geht in die Milliarden, schätzt der Ökonom Alex van den Heever von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg im DW-Interview: "Das ist unglaublich ärgerlich, und sät auch Zweifel bei der Frage, ob Südafrika jemals wieder Informationen über eine neue Variante enthüllen sollte. Ich kann nicht für meine Regierung sprechen, aber sie werden es sich gut überlegen."

Gegen "Gesundheitsapartheid": Ramaphosa mit seinem nigerianischen Amtskollegen Mohammadu BuhariBild: AFP

Präsident Cyril Ramaphosa nutzte eine Westafrika-Reise, um für Solidarität zu werben. Auf Staatsbesuch in der Elfenbeinküste bemühte er ein Sprachbild, das man als südafrikanischer Diplomat sicherlich nicht leichtfertig ausspricht: "Wir stellen uns entschlossen gegen jede Form einer 'Gesundheits-Apartheid' im Kampf gegen diese Pandemie." Omikron wurde in mehr als zwei Dutzend Ländern auf fast allen Erdteilen nachgewiesen - in Afrika sind abseits der südlichen Region auch Nigeria und Ghana betroffen.

Es gibt jedoch noch keine Anzeichen, dass die Reisebeschränkungen bald fallen könnten. Eine Sprecherin der EU-Kommission teilte der DW auf Anfrage mit: "Derzeit haben alle EU-Mitgliedsstaaten Reisebeschränkungen eingesetzt. Die Kommission beobachtet die Lage weiter und setzt auf Eingaben der Wissenschaft, um weitere Schritte zu entscheiden."

Augen auf das Gesundheitssystem

Auch das Gesundheitssystem selbst ist von den Beschränkungen betroffen. Der Durbaner Infektiologe Richard Lessells sagt: "Was uns noch stärker ärgert, ist, dass Afrika oder dem südlichen Afrika keinerlei Unterstützung angeboten wurde, um mit der andauernden Pandemie fertig zu werden. Was wird denn getan gegen die Ungleichheit bei der Impfstoff-Verteilung oder um sicherzustellen, dass wir ausreichend Materialien in den Laboren haben?"

Zuletzt stieg der Anteil der positiven Corona-Tests, was auch auf ein wachsendes Dunkelfeld unerkannter Infektionen hindeutet. "Wesentlich ist, wie sich die Krankenhauseinweisungen entwickeln und unter wie viel Druck das Gesundheitssystem gerät", sagt Lessells.

Die Nachfrage wächst: Diese Menschen sind angesichts der neuen Variante ins Impfzentrum gekommenBild: Jerome Delay/AP Photo/picture alliance

Ein Faktor dafür ist auch die Impfkampagne: Zumindest in Südafrika sind Impfstoffe keine Mangelware mehr, sondern eher die Impfwilligen. Die Regierung prüft derzeit die Möglichkeit einer Impfpflicht. Auch eine Lotterie soll die Ungeimpften jetzt an die Impfstellen locken: Alle, die bis Jahresende geimpft wurden, haben die Chance auf einen Gewinn von bis zu zwei Millionen Rand (rund 110.000 Euro). Ob es nun an der neuen Variante liegt oder an der Lotterie: Seit der Entdeckung von Omikron vor einer Woche geht die Zahl der täglich verabreichten Impfdosen stetig nach oben.

Mitarbeit: Nickolaus Bauer, Henner Frankenfeld, Adrian Kriesch

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