Der legendäre Tenor aus Dresden ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Mit seiner Kunst hat er Musikliebhaber auf der ganzen Welt begeistert.
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Der in Meißen geborene Peter Schreier kam mit acht Jahren zum Dresdner Kreuzchor. In den Jahren 1956 bis 1959 studierte er Gesang und Dirigieren an der Staatlichen Hochschule für Musik in Dresden. 1959 stand er erstmals auf der Opernbühne - als Erster Gefangener in Beethovens "Fidelio". Die Stationen seiner internationalen Karriere führten ihn zunächst an die Staatsoper Dresden und später an die Staatsoper in Berlin. Rasch wurde er zum bekanntesten Sänger der damaligen DDR.
Reisen ausdrücklich erlaubt
Die DDR gewährte Schreier nahezu völlige Reisefreiheit. So wurde er seit Mitte der 1960er Jahre Gast auf zahlreichen internationalen Bühnen. Ob Wiener Staatsoper, die Mailänder Scala, Salzburg oder auch New York - Schreiers Auftritte waren stets mit Begeisterung aufgenommen worden. Mehr als 60 Partien hat Schreier verkörpert. Er war der wichtigste DDR-Exportschlager auf seinem Gebiet und genoss Privilegien - und das ohne SED-Parteibuch.
Er machte sich auch einen Namen als Liedinterpret. Zahlreiche Schallplattenaufnahmen zeugen bis heute von seiner hohen Kunst des Lied-Gesanges. 1972 war er an der Staatsoper Berlin von ehemaligen Kommilitonen gefragt worden, ob er nicht mal den Taktstock führen wolle. Er stand dann unter anderem bei den Wiener Philharmonikern und beim New York Philharmonic Orchestra am Pult. Doch er war in der Heimat verwurzelt. "Mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht in Dresden leben könnte", sagte er stets. Ans Auswandern aus der DDR habe er nie gedacht, wie er sich in einem DW-Interview von 2000 erinnert: "Ich hatte keinen Grund wegzugehen. Ich wurde in meiner künstlerischen Tätigkeit nicht gehindert, ich wurde nie in eine Zwangsjacke gesteckt."
Kritisch, unerwünscht, ausgebürgert: Künstler in der DDR
Nach seinem Konzert im November 1976 in Köln wird Liedermacher Wolf Biermann aus der DDR ausgebürgert. Eine Protestwelle folgt. Viele weitere Künstler müssen oder wollen die DDR verlassen.
Bild: picture-alliance/dpa
Protest, Haft und Abschiebung nach West-Berlin
Die Liedermacher Christian Kunert, Gerulf Pannach und Wolf Biermann mit dem Schriftsteller Jürgen Fuchs im August 1977 in West-Berlin. Wolf Biermann ist seit November 1976 im Westen. Nach einem Konzert in Köln hat ihn die DDR-Führung ausgebürgert. Dagegen protestieren u.a. auch die drei anderen Männer. Sie werden verhaftet, ebenfalls ausgebürgert und nach West-Berlin ausgewiesen.
Bild: picture-alliance/dpa
Prozess und fristlose Entlassung: Eva-Maria Hagen
Die auch als "Brigitte Bardot des Ostens" bekannte Schauspielerin Eva-Maria Hagen war von 1965 bis 1972 Wolf Biermanns Lebensgefährtin. Auch nach der Trennung unterstützt sie ihn und protestiert gegen seine Ausbürgerung. Sie wird fristlos aus ihrem Engagement entlassen und 1977 ebenfalls ausgebürgert. Zusammen mit ihrer Tochter Nina siedelt sie in die Bundesrepublik über.
Bild: picture-alliance/dpa/Schilling
Punk-Rock im Westen statt Schauspiel im Osten: Nina Hagen
Eigentlich wollte Nina Hagen in der DDR Schauspielerin werden, doch der Antrag auf Zulassung zur Schauspielschule wurde ohne Begründung abgelehnt. Sie gilt den DDR-Machthabern als politisch unzuverlässig. 1978, ein Jahr nach ihrer Übersiedelung in den Westen, erscheint die LP "Nina Hagen Band" - ein feministischer Klassiker des deutschen Punk-Rock.
Bild: DW/S. Spröer
Mit "Liebling Kreuzberg" im Westen erfolgreich: Jurek Becker
Jurek Becker, Schriftsteller und Drehbuchautor, protestiert ebenfalls gegen Biermanns Ausbürgerung. Der Autor des Romans "Jakob der Lügner" wird aus der SED ausgeschlossen und siedelt 1977 in die Bundesrepublik über. Im Westen wird er mit seinen Drehbüchern zur erfolgreichen TV-Serie "Liebling Kreuzberg" landesweit bekannt. Hauptdarsteller in der Serie: Manfred Krug, ebenfalls aus der DDR.
Bild: Imago/United Archives
Ausreise wegen Berufsverbot: Manfred Krug
Manfred Krug zog 1949, als 12-jähriger, mit seinem Vater aus Duisburg in die DDR. Erst lernt er Stahlschmelzer, dann Schauspieler. Im Film "Spur der Steine" spielt er einen aufrührerischen Brigade-Leiter - der Film wird prompt aus den Kinos genommen. 1976 erhält Krug nach dem Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung Teilberufsverbot. Er stellt einen Ausreiseantrag, der 1977 genehmigt wird.
Bild: picture alliance / United Archives
Protest gegen russische Panzer in Prag: Bettina Wegner
Die Berliner Liedermacherin Bettina Wegner war schon vor ihrem Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung mit der Staatsmacht in Konflikt geraten: Sie saß wegen "staatsfeindlicher Hetze" in Untersuchungshaft, nachdem sie gegen den Einmarsch russischer Panzer in Prag 1968 protestiert hatte. Wegen ihrer Unterstützung für Biermann bekommt sie in der DDR Berufsverbot und übersiedelt 1983 in den Westen.
Keine "wunderbaren Jahre" in der DDR: Reiner Kunze
1976 wird Reiner Kunzes Prosa-Band "Die wunderbaren Jahre" in der Bundesrepublik veröffentlicht. Der DDR-Schriftsteller und Übersetzer übt darin scharfe Kritik am SED-Staat. Kunze wird aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, ihm droht Gefängnis. Seinem Ausreiseantrag wird stattgegeben, 1977 zieht er mit seiner Familie in die Bundesrepublik.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Scheidemann
Ausreise nach Ausschluss aus Partei und Verband: Sarah Kirsch
Die Schriftstellerin und Lyrikerin Sarah Kirsch gehört zu den ersten Unterzeichnern des Appels gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Auch sie wird aus der SED, der "Sozialistischen Einheits-Partei" und dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Weil das praktisch Berufsverbot bedeutet, verlässt auch sie mit ihrem Sohn 1977 die DDR.
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb
Star im Osten wie im Westen: Armin Müller-Stahl
In der TV-Reihe "Das unsichtbare Visier" spielt Armin Müller-Stahl einen DDR-James Bond. Doch nach seinem Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung kommen kaum noch Rollenangebote. 1980 wird sein Ausreiseantrag genehmigt, er zieht nach West-Berlin. Und wird zu einem der wenigen Stars, die im Osten und Westen Deutschlands und sogar in Hollywood Erfolg haben.
Bild: picture-alliance/dpa
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Abschied von der Bühne
Schreier galt als einer der führenden lyrischen Tenöre des 20. Jahrhunderts. Mit 65 hatte er Abschied von Opern- und Konzertbühne genommen. Er schied dann mit einer gefeierten, von Ovationen begleiteten Abschiedsvorstellung als Tamino in Mozarts "Zauberflöte" am 8. Juni 2000 aus dem Ensemble der Berliner Staatsoper unter den Linden aus und widmete sich fortan seinen Aufgaben als Dirigent und trat weiter als Lied- und Oratoriensänger auf. Gefragt in einem Interview der "Berliner Zeitung" vom 30. Juli 2005 nach dem Grund für seinen Rücktritt von der Gesangstätigkeit antwortete er: "Ich werde siebzig Jahre alt. Darf ich da nicht aufhören?" Und schon damals lagen bereits 46 Jahre Bühnenerfahrung hinter ihm, eine Vielzahl an Preisen und Ehrungen säumten seinen musikalischen Weg - unter anderem wurde er in der DDR und in Österreich zum Kammersänger ernannt.
Nach dem Abschied von der Opernbühne widmete sich Peter Schreier ganz dem Lied und dem Dirigieren, bis es ihm zu beschwerlich wurde angesichts seiner angeschlagenen Gesundheit. Schreier plagten Rückenprobleme, er lebte mit Bypässen und war Diabetiker. Nun starb der Künstler am ersten Weihnachtsfeiertag nach langer Krankheit in Dresden, wie seine Sekretärin mitteilte.