Ermittlungen gegen Opposition
7. November 2012Bis zum 6. März 2013 haben die Ermittler nun Zeit für den "Bolotnaja-Fall". Derzeit entscheiden Gerichte darüber, ob deshalb auch die Untersuchungshaft gegen 13 Verdächtige verlängert wird. Sie sind seit Mai dieses Jahres im Gefängnis. Ihnen wird vorgeworfen, aus Protest gegen die Amtseinführung von Wladimir Putin "Massenunruhen mit Einsatz von Waffen" geplant zu haben. Russische Gesetze sehen dafür bis zu zehn Jahre Gefängnis vor.
Am 6. Mai 2012 hatten in vielen russischen Städten Menschen für Demokratie und Freiheit demonstriert. In Moskau fanden die Proteste auf dem Bolotnaja-Platz statt. Unter dem Slogan "Wandel erfordert Solidarität" demonstrierten zehntausende Menschen. Polizeieinheiten gingen gegen die Regierungsgegner vor. Augenzeugen sprachen von blutigen Szenen. Hunderte Menschen wurden vorübergehend festgenommen.
Ermittler spielen auf Zeit
Mit der Verlängerung der Ermittlungsfrist wolle man nur Zeit gewinnen, meint Ljudmila Alexejewa. Die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe sagte der DW, die Behörden würden immer noch fieberhaft nach Beweisen dafür suchen, dass für den 6. Mai 2012 "Massenunruhen" geplant gewesen seien. Alexejewa ist überzeugt, dass der “Bolotnaja-Fall“ nur konstruiert ist. Es gebe keine Beweise gegen die Verdächtigen. "Bestenfalls haben die Ermittler Videoaufnahmen einzelner Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei, aber nicht von 'Massenunruhen'", so die Menschenrechtlerin.
Ihr stimmt Lew Ponomarjow, Leiter der russischen Bewegung "Für Menschenrechte", zu. Der zuständige Chefermittler in dem Fall, Alexander Bastrykin, stehe unter politischem Druck. "Er soll unbedingt beweisen, dass es auf dem Bolotnaja-Platz Massenunruhen gab, auch wenn das nicht stimmt. Die Aufgabe wurde ihm von ganz oben aufgetragen", so der Menschenrechtsaktivist.
Oppositionsführer ausschalten?
Ponomarjow glaubt zudem, dass die Behörden die Anführer der russischen Protestbewegung ausschalten sollen. Er rechnet damit, dass die Behörden noch weitere Oppositionsvertreter in den "Bolotnaja-Fall" hineinziehen wollen. Dazu könnten auch prominente Oppositionsführer gehören wie der Chef der Linken Front, Sergej Udalzow.
Diese Sorge beschäftigt auch Vadim Prochorow. Der Anwalt vertritt Boris Nemzow, Mitvorsitzender der “Partei für Volksfreiheit“, und Ilja Jaschin, Führer der Bewegung "Solidarität". Auch sie sind prominente Oppositionelle. Beide werden von den Behörden bereits als Zeugen im "Bolotnaja-Fall" geführt. Prochorow befürchtet, die Ermittler könnten seine beiden Mandanten schon bald auch zu Angeklagten machen.
Putins Fest verdorben?
Besondere Brisanz habe der Fall Maxim Lusjanin, meint Prochorow. Als Einziger der Inhaftierten soll Lusjanin seine Schuld eingestanden haben. Der Prozess gegen ihn beginnt am 9. November. "Wenn er dann vor Gericht das Wort 'Unruhen' tatsächlich in den Mund nimmt, dann ist das ein Präjudiz", befürchtet Prochorow. Das wäre eine Leitentscheidung für alle Prozesse im "Bolotnaja-Fall". Denn sie könnten dann wegen des Vorwurfs der Planung von Massenunruhen geführt werden. "Wenn jemand das gesteht, dann braucht man auch keine Beweise mehr zu suchen", meint der Anwalt.
Die Hoffnungen für die verfolgten Oppositionellen sind aus Prochorows Sicht gering. Denn da sei noch die Person Putin. "Ich bin inzwischen geneigt zu glauben, dass Putin tatsächlich folgenden Satz gesagt hat: 'Diese Leute haben mir mein Fest bei der Amtseinführung verdorben, dafür verderbe ich ihnen jetzt ihr Leben'", so der Anwalt der Oppositionspolitiker.