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Politik

Opposition in Ungarn erhält Chance

26. Februar 2018

Die Bürgermeisterwahl in der südungarischen Stadt Hodmezövásárhely hat überraschend ein gemeinsamer Kandidat der Opposition gewonnen. Die Wahl hat Testcharakter vor der Parlamentswahl.

Ungarn Viktor Orbán
Viktor Orban scheint nicht mehr unbesigbar zu seinBild: imago/Xinhua/S. Voros

"Historische Niederlage für Fidesz", "Orbán kann besiegt werden", "Es gibt eine andere Wahl" - Ungarns regierungskritische Medien überschlagen sich geradezu mit enthusiastischen Schlagzeilen. Der Grund: In der südungarischen 44.000 Einwohner zählenden Stadt Hódmezövásárhely, hat bei einer vorgezogenen Bürgermeisterwahl am Sonntag ein gemeinsamer Kandidat der Oppositionsparteien die vorgezogene Bürgermeisterwahl gewonnen.

Der parteilose Elektrotechnik-Ingenieur und Volkswirt Péter Márki-Zay, 45, besiegte den Kandidaten von Fidesz, der Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Nicht knapp, sondern haushoch - mit 58 zu 42 Prozent. "Dies ist ein Votum gegen Einschüchterung, gegen Willkür und gegen Korruption", kommentierte Márki-Zay seinen Sieg am Sonntagabend.

Sieg von historischer Bedeutung

Es ist tatsächlich eines der spektakulärsten Wahlergebnisse der letzten Jahre: Hódmezövásárhely wurde seit zwei Jahrzehnten von Fidesz beherrscht und galt als eine der unerschütterlichen Fidesz-Hochburgen in Ungarn. Sie ist auch die Heimatstadt von Orbáns mächtigem Kanlzeichef János Lázár, der Nummer zwei im Machtapparat des ungarischen Ministerpräsidenten, der hier als Bürgermeister seine politische Karriere begann. Schon insofern ist der Wahlsieg des Oppositionskandidaten von hoher symbolischer Bedeutung.

Doch es geht auch um eine Testwahl vor der Parlamentswahl vom 8. April: In Hódmezövásárhely hatten zum ersten Mal alle Oppositionsparteien - von den linken Sozialisten über grün-alternative Liberale bis zur Rechtsaußenpartei Jobbik - einen gemeinsamen Kandidaten unterstützt. Nur so bestand eine reale Chance, Fidesz von der Macht abzulösen. Nun ist das Experiment gelungen - und eröffnet der Opposition sechs Wochen vor der Parlamentswahl noch einmal eine lang erhoffte Perspektive.

Jobbik-Partei will sich von ihren rechtsextremen Image befreienBild: Reuters/Laszlo Balogh

"Der Wahlausgang ist ein peinliches Debakel für Fidesz und eine sehr empfindliche Niederlage", sagt der Politologe Attila Tibor Nagy vom Budapester Méltányosság-Institut. "Zugleich hat die Opposition eine unerwartete Chance zur Änderung der politischen Verhältnisse erhalten. Wenn sie nun geschickt vorgeht, gibt es sogar eine Chance, Fidesz die Mehrheit abzunehmen."

Wunsch nach Veränderung

Einiges am Wahlergebnis von Hódmezövásárhely ist ausschließlich lokaler Natur: János Lázár hatte den Wahlkampf in der Stadt unterstützt und war dabei unter anderem mit arroganten und rassistischen Bemerkungen gegen arme Menschen und gegen Roma aufgefallen. Außerdem ist Hódmezövásárhely Hauptschauplatz einer aktuellen Millionen-Betrugsaffäre von Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz um EU-Fördergelder. Dazu hatte das Anti-EU-Betrugsamt OLAF kürzlich einen Ermittlungsbericht vorgelegt.

Andererseits steht das Wahlergebnis von Hódmezövásárhely auch für einen generellen Trend in Umfragen: Laut denen wünscht sich eine relative Mehrheit in Ungarn einen Regierungswechsel und einen geänderten Politikstil in Form von weniger Korruption und mehr Transparenz. Allerdings, so der Politologe Attila Tibor Nagy, zeige das Wahlergebnis von Hódmezövásárhely auch, dass Fidesz weiterhin über eine stabile Wählerbasis verfüge. Dagegen habe die Opposition nur bei großer Geschlossenheit eine Chance, so Nagy.

Rechtsextreme mit neuem Antlitz

Ob die Opposition das Ruder nun herumreißt, ist die große Frage der Stunde. In den letzten Monaten hatten sich die Oppositionsparteien im gegenseitigen Streit immer mehr selbst zerlegt, Viktor Orbán und führende Fidesz-Politiker hatten deshalb nur noch mit Verachtung, Spott und Häme über ihre Kontrahenten gesprochen. Zugleich richteten viele einflussreiche regierungskritische Intellektuelle seit längerem einen eindringlichen Appell an die Opposition, darunter die Philosophin und Holocaust-Überlebende Ágnes Heller: Wenn die Opposition Fidesz besiegen wolle, müsse sie in allen Wahlkreisen gemeinsame Kandidaten aufstellen - und zwar gemeinsam mit der ehemals rechtsextremen Partei Jobbik, die seit 2014 eine Richtungsänderung vollzogen hat und sich ein Profil als gemäßigt national-konservative Volkspartei geben will.

Philosophin und Holocaust-Überlebende Agnes Heller plädiert für die Zusammenarbeit auch mit der Jobbik-ParteiBild: picture alliance / dpa

In Ungarn ist der Vorschlag von Heller und anderen gleichgesinnten Intellektuellen höchst umstritten, weil die Jobbik-Partei einst die Aufstellung von Juden-Listen in Ungarn forderte und mit Aufmärschen gegen Roma und antiziganistischen Parolen Popularität erlangte. Davon hat sich zwar die Parteiführung inzwischen distanziert, sie setzt auf Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung. An der Basis jedoch herrscht Unzufriedenheit mit dem neuen Kurs, dort sind die Verbindungen ins rechtsextreme Milieu oft weiter stark.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Nicht nur deshalb dürfte ein gemeinsames Antreten der Opposition in den einzelnen Wahlkreisen schwierig werden. Wenn einzelne Oppositionspolitiker in einem Wahlkreis zugunsten eines gemeinsamen Kandidaten verzichten, bekommen sie auch keine staatliche Wahlkampfunterstützung, einige müssten unter Umständen ihre parlamentarischen Karrieren aufgeben. Ob alle zu diesem Verzicht bereit sind, ist fraglich.

Der frisch gewählt Bürgermeister von Hódmezövásárhely, Péter Márki-Zay, rief die Oppositionsparteien und seine Landsleute inzwischen dazu auf, dem Beispiel seiner Heimatstadt zu folgen. "Wir haben gezeigt, dass man Fidesz besiegen kann", so Márki-Zay, "das kann am 8. April auch ganz Ungarn schaffen."

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