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Opposition zerreißt Integrationsgesetz

Richard A. Fuchs, Berlin 3. Juni 2016

Es gilt, eine Million Flüchtlinge in Deutschland zu integrieren. Die Regierung plant ein Gesetz, das "fordert und fördert". Die geplanten Regeln wirken als "Rassismus-Motor", kritisieren Opposition und Wohlfahrtverbände.

Minijobber in Ellwangen: Dieser Flüchtling arbeitet in einem Ein-Euro-Job Copyright: picture-alliance/dpa/W.Kastl
Minijobber in Ellwangen: Die Regierung will 100.000 neue Ein-Euro-Jobs schaffenBild: picture-alliance/dpa/W.Kastl

Es ist das erste Integrationsgesetz, das in Deutschland je auf den Weg gebracht wurde. Doch was die Bundesregierung jetzt ins Parlament in erster Lesung eingebracht hat, das sorgt für Zündstoff. Bei der Opposition fallen die geplanten Maßnahmen für Spracherwerb und Jobsuche von Flüchtlingen glatt durch. Das Gesetz sei in dieser Form "integrationsfeindlich" und "durchzogen vom Geist der Ausgrenzung", lautet die Fundamentalkritik von Linkspartei und Grünen.

Innenminister: "Zäsur für unser Land"

Die Regierung will mit dem Gesetz bewirken, dass Flüchtlinge schneller Deutsch lernen und leichter eine Arbeit finden - dafür will sie den Weg in Minijobs, Praktika und Ausbildungen erleichtern. Es soll mehr Angebote geben - aber auch mehr Pflichten, diese Angebote zu nutzen. Beispiel Integrationskurse: Sie sollen ausgeweitet werden, in der Folge aber verpflichtend sein.

Sehen das Gesetz auf gutem Kurs: Arbeitsministerin Nahles und Innenminister de MaizièreBild: Getty Images/AFP/J. Macdougall

Wer sich Integrationsmöglichkeiten verweigere, so Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der müsse mit Sanktionen rechnen - in letzter Konsequenz kann die finanzielle Unterstützung gekürzt werden. "Das Prinzip des Förderns und Forderns ist richtig, denn es gilt in allen Bereichen unserer Gesellschaft", verteidigte der Minister die Zielsetzung des Gesetzes. Was die Regierung plane, das sei sachgerecht und bedeute "eine entscheidende Zäsur für unser Land".

Eine Zäsur zum Schlechteren, finden die Abgeordneten der Linkspartei. Wer genau hinschaue, so Sevim Dagdelen, der erkenne hier ein "Integrationsverhinderungsgesetz". Die Politikerin der Linken sieht vor allem in dem Vorschlag, 100.000 neue Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge zu schaffen, eine radikal falsche Weichenstellung. So werde ein "neuer Billiglohnsektor" aufgebaut, der nicht der Integration in den ersten Arbeitsmarkt diene. Vielmehr werde eine Konkurrenz zwischen einheimischen Niedriglohnbeziehern und Flüchtlingen geschaffen, was rechtspopulistischen Parteien in die Hände spiele. "Das ist ein Rassismus-Motor", sagte Dagdelen und erntete dafür harsche Kritik aus den Regierungsfraktionen von Union und SPD.

Vorbereitung aufs Studium: Flüchtlinge in einem Deutschkurs an der Freien Universität BerlinBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) antwortete kühl: "Der beste Weg der Integration ist der Weg in Arbeit." Die Einstiegsjobs seien ein erster Schritt. Noch wichtiger sei aber, dass die Regierung den Flüchtlingen erleichtere, eine Ausbildung zu absolvieren. Neu sei, dass den Flüchtlingen ihr Bleibestatus garantiert werde, solange sie in die Lehre gehen sowie zwei Jahre lang während der Arbeitssuche. Das gebe Asylbewerbern und Lehrbetrieben Planungssicherheit. 70 Prozent der zuletzt nach Deutschland Geflüchteten sind jünger als 30 Jahre. Sie alle kämen daher für eine Ausbildung in Frage, so die Ministerin. Aktuell gibt es in Deutschland 41.000 offene Lehrstellen.

Die grüne Abgeordnete Brigitte Pothmer dagegen ist überzeugt, dass die Arbeitsministerin hier nur "Stückwerk" vorlegt. Sie verdeutlicht das am Beispiel der Ausbildungserleichterungen. Bisher sehe die Regierung vor, dass Flüchtlinge unmittelbar abgeschoben werden könnten, wenn sie eine Ausbildung abbrechen. "Für die Flüchtlinge bedeutet das, dass das Damoklesschwert der Abschiebung über ihren Köpfen hängt", so Pothmer.

Arbeitsministerin: "Wir kasernieren niemanden"

Heftig umstritten ist auch eine Wohnsitzauflage, die neu eingeführt werden soll. Der Hintergrund: Damit nicht alle Flüchtlinge in Ballungsgebiete zu Verwandten und Freunden derselben Community ziehen, will das Gesetz Bundesländern die Möglichkeit geben, Flüchtlingen für drei Jahre einen Wohnsitz vorzuschreiben. "Wir wollen keine Ghettos für Menschen, die keine Arbeit haben", begründete Minister de Maizière.

Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände hatten diesen Punkt bereits im Vorfeld scharf kritisiert. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl erneuerte ihre Kritik in einer Stellungnahme. Der Wohnsitzzwang widerspreche der Genfer Flüchtlingskonvention und stelle eine unzulässige Freiheitsbeschränkung dar, so die Organisation. Zudem könne Integration so nicht erfolgreich gestaltet werden: "Soziale Brennpunkte entstehen nicht nur in Großstädten, sondern vor allem dort, wo Menschen ausgegrenzt werden und ohne Perspektiven bleiben."

Fördern und Fordern - Integration per Gesetz

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Die Arbeitsministerin hält die Auflage für geboten, um die Neuankömmlinge besser zu verteilen. In vielen ländlichen Gebieten würden händeringend Fachkräfte gesucht. Und, so sagte sie weiter, wer den Gesetzentwurf genau lese, der erkenne den großen Spielraum für individuelle Lösungen. "Wer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat, der kann wechseln, wer einen Ausbildungsplatz hat, der kann wechseln. Wir kasernieren hier doch niemanden."

Niedriglohnjob in der Wäscherei: Ein erster Schritt zur Integration, glaubt die BundesregierungBild: picture-alliance/dpa/W.Kastl

Das Gesetz wird jetzt in den Parlamentsausschüssen beraten - was angesichts der sehr kontroversen Debatte Spannung verheißt. Während die Regierung von einem "fairen Angebot" spricht, fordert die Opposition deutliche Veränderungen. Laut aktuellem Deutschlandtrend des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap steht eine Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Regierungsentwurf: 82 Prozent der Befragten sagen, dass das Integrationsgesetz in die richtige Richtung gehe.

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