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PolitikAfrika

Ein Putsch als "patriotischer Akt"

Bob Barry
8. September 2021

Guineas Langzeitpräsident Alpha Condé wurde per Militärputsch abgesetzt, die Opposition atmet auf. DW spricht mit Cellou Dalein Diallo, einem der wichtigsten Oppositionspolitiker Guineas.

Cellou Dalein Diallo
Cellou Dalein Diallo, Präsident der Oppositionspartei UFDGBild: Sadak Souici/Le Pictorium Agency/ZUMA/picture alliance

DW: Herr Diallo, zehn Monate nach der Schließung Ihrer Büros und des Sitzes Ihrer Partei UFDG konnten Sie an diesem Montag - nach dem Sturz von Präsident Alpha Condé - erstmals wieder dorthin gehen. In welchem Zustand haben Sie Ihre Büros vorgefunden?

Cellou Dalein Diallo: Ich bin natürlich erst einmal schockiert darüber, dass alles verwüstet worden ist! Das riecht ein wenig nach dem Hass und der Brutalität des Regimes von Alpha Condé. Alpha Condé musste weder die Justiz noch die Verwaltung durchlaufen, um dieses Verbrechen zu begehen. Es gab keine Rechtsgrundlage für ihn, uns den Zugang zu diesen Büros für fast zehn Monate zu verbieten. Aber jetzt bin ich erst mal froh, dass ich meine Büros wiederhabe. Jetzt werde ich sehen, was zerstört und weggerissen wurde. Ich werde einen Gerichtsvollzieher kommen lassen, um einen Bericht zu erstellen. 

Sie nehmen den Militärputsch zur Kenntnis. Warum akzeptieren Sie diese Machtübernahme durch das Militär?

Natürlich widerspricht ein solcher Putsch meinen Überzeugungen, aber wir befinden uns in einer Situation, in der Alpha Condé die Macht an sich gerissen, gegen die Verfassung und seinen Eid verstoßen, alle Regeln und Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten hatte. Die internationale Gemeinschaft, obwohl wir sie um Hilfe gebeten hatten, konnte oder wollte ihren Standpunkt nicht ändern. Friedliche Demonstrationen wurden blutig niedergeschlagen, unschuldige Guineer wurden getötet, obwohl sie nur von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht haben, auf öffentlichen Straßen und Plätzen zu demonstrieren.

Das Militär übernahm die Macht am Sonntag, als Soldaten Präsident Alpha Condé in der Hauptstadt Conakry festsetztenBild: Souleymane Camara/REUTERS

In der Stadt N'zérékoré [wo besonders viele Anhänger von Diallo wohnen, Anm. der Red.] wurden fast 40 Menschen getötet und nachts begraben. All diese Menschen, all diese Bürger hatten keine Chance auf Gerechtigkeit, Mitgefühl und Wiedergutmachung. Wir haben versucht, gerichtlich dagegen vorzugehen, aber ohne Erfolg. Die Justiz ist nicht unabhängig, sie spricht kein Recht. Es war Alpha Condé, der immer Recht hatte - die Opposition hingegen hat immer Unrecht. Hunderttausende Menschen wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und verurteilt, obwohl sie unschuldig waren. Da jeder Widerstand erfolglos war und nun die Armee in einem patriotischen Ausbruch beschließt, uns von dieser Diktatur zu befreien, die keine Achtung vor dem menschlichen Leben, den Rechten und Freiheiten der Bürger und der Demokratie hat, dann können wir das nur als patriotischen Akt anerkennen.

Fürchten Sie nicht, dass das Militär versucht, an der Macht zu bleiben?

Doch, natürlich habe ich diese Befürchtung. Denn die Militärs begründen eine gewaltsame Machtübernahme zwar oft mit dem Wunsch, Korruption zu bekämpfen, und verpflichten sich, die Macht nach freien und transparenten Wahlen an Zivilisten zu übergeben. Aber manchmal haben sie viel länger gebraucht als nötig. Manchmal haben sie sich der Militäruniform entledigt, um an der Macht zu bleiben. Aber bis zum Beweis des Gegenteils glaube ich an einen patriotischen Akt und an die Mannschaft von Oberstleutnant Mamady Doumbouya. Ich gehe davon aus, dass das Militär alles tun wird, um sehr schnell freie und transparente Wahlen zu organisieren, damit das Volk von Guinea die Möglichkeit hat, seine politischen Führer selbst zu wählen.

Mamady Doumbouya (Mitte) und seine Truppen übernahmen am Sonntag die MachtBild: CELLOU BINANI/AFP/ Getty Images

Was werden Sie unternehmen, um das Szenario von 2009 zu vermeiden, als, ebenfalls nach einem Militärputsch, Hauptmann Dadis Camara an der Macht war und diese nicht zurückgeben wollte?

Das Risiko besteht natürlich. Aber im Moment vertraue ich Oberstleutnant Mamady Doumbouya und seinem Team. Ich hoffe, sie werden das [Szenario von 2009] nicht wiederholen, denn sie wissen ja, was es Guinea gekostet hat: Wir erinnern uns noch an den 28. September 2009 [damals starben in einem Stadion mehr als 150 friedliche Demonstranten, weil Sicherheitskräfte das Feuer eröffneten, Anm. der Red.]. Und dieser Fall ist noch nicht beigelegt. Wir warten immer noch darauf, dass die Justiz ihre Arbeit tut.

Kannten Sie Oberstleutnant Mamady Doumbouya schon? Haben Sie ihn bereits getroffen?

Nein, ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn auch noch nicht getroffen.

Cellou Dalein Diallo ist einer der wichtigsten Oppositionspolitiker Guineas, der 2020 auch gegen Alpha Condé angetreten ist.

Das Interview führte Bob Barry. Dieser Text wurde aus dem Französischen übersetzt von Dirke Köpp.

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