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Orange ist in Kiew nicht mehr angesagt

Britta Kleymann26. März 2006

Die Aufbruchstimmung ist erlahmt, die Hoffnungsträger des friedlichen Machtwechsels von vor einem Jahr sind zerstritten: In der Ukraine ist ein Wahlsieg von Ex-Regierungschef Janukowitsch wahrscheinlich.

Kommt die alte Riege wieder an die Macht?Bild: AP

Für viele Menschen in der Ukraine haben sich die Parlamentswahlen am Sonntag (26.3.2006) schon vorher gelohnt - nicht politisch, sondern finanziell. Für zehn Euro am Tag schwenkten in diesen Tagen zuvor Studenten, Hausfrauen und Rentner überall auf den Straßen von Kiew die bunten Fahnen der Parteien. Für sie ist der Wahlkampf nur ein gut bezahlter Job. Auskunft über die Programme der Parteien können sie meist nicht geben. Aber Parteiprogramme spielten auch keine wichtige Rolle im Kampf um die Sitze im Parlament.

Entscheidend sind die Persönlichkeiten

Viktor Juschtschenko mit seiner Familie am WahltagBild: AP

"Meistens hat man es mit den üblichen populistischen Slogans zu tun", erklärt Alexander Dergatschow, Politikwissenschaftler an der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften. Der ukrainische Wähler richte sich nach den Persönlichkeiten der Spitzenkandidaten der Parteien und Bündnisse. "Es gibt sehr viele 'Namensbündnisse'. Das ist eher ein Wettbewerb der führenden Persönlichkeiten, als ein Wettbewerb der Programme".

45 Parteien bewerben sich um 450 Sitze in der Werchowna Rada, dem Parlament der Ukraine. Gut ein Jahr nach der "Orangefarbenen Revolution" sind die einstigen Galionsfiguren der demokratischen Wende zerstritten. Bei den Wahlen droht eine Niederlage für die Reformer um Präsident Viktor Juschtschenko. Denn in den Umfragen führt klar die "Partei der Regionen" um Viktor Janukowitsch. Er sucht die Revanche für seine Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 2004, die er trotz massiver Manipulationsversuche nicht gewinnen konnte.

Große Koalition möglich

Herausforderer Viktor JanukowitschBild: DPA

Wer am Ende die Regierung anführt, wird davon abhängen, welche Parteien die Dreiprozenthürde überspringen werden und damit als Bündnispartner für die großen Parteien in Betracht kommen. Denn weder Präsident Juschtschenko mit seiner Partei "Nascha Ukraina" ("Unsere Ukraine") noch die Regionenpartei von Janukowitsch werden Umfragen zufolge über die nötigen Mehrheiten verfügen.

Beobachter schließen nicht aus, dass es sogar zu einer großen Koalition zwischen den politischen Widersachern kommen könnte. Dabei verkörpert Juschtschenko die Orientierung Richtung Europa, Janukowitsch hingegen könnte das Land wieder enger an Russland heranführen. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass es keinen grundsätzlichen Politikwechsel nach den Wahlen in der Ukraine geben wird.

Annäherung an die EU steht auf dem Spiel

Der Politologe Dergatschow wagt eine Prognose: "Wahrscheinlich ist, dass die 'Partei der Regionen' eine Koalition mit einer der 'orangefarbenen Kräfte' versuchen wird. Während des Wahlkampfs wirken die Parteien verfeindet, aber die 'Partei der Regionen' ist sehr pragmatisch und wird Gemeinsamkeiten finden. Doch eine große Koalition wird die europäische Integration der Ukraine nicht beschleunigen können."

Sollte der Wahlsieger tatsächlich Janukowitsch heißen, könnte die Hinwendung der Ukraine zu Europa also gebremst werden - und damit auch die Bereitschaft zu weiteren Reformen, zu denen europäische Politiker die Ukraine immer wieder auffordern. So hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier jüngst bei einem Besuch in Kiew die dortige Führung daran erinnert, dass die Geschwindigkeit der Annäherung ganz entscheidend von den weiteren Reformanstrengungen und Reformleistungen der Ukraine abhänge.

Demokratietest

Vor allem wird es nun darauf ankommen, dass die Wahlen demokratischen Standards genügen. Im Unterschied zu den Präsidentschaftswahlen 2004 sei der Wahlkampf bisher weitgehend fair und frei verlaufen, meinen Beobachter. Noch entscheidender für die politische Zukunft der Ukraine wird jedoch sein, ob es den Politikern nach den Wahlen gelingt, eine tragfähige Regierungskoalition auf die Beine zu stellen. Ansonsten droht sich die politische Spaltung des Landes weiter zu vertiefen.

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