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Politik

Orban kommt mit blauem Fleck davon

Catherine Martens
20. März 2019

Lange Zeit hat sich die europäische Volkspartei schwer getan im Umgang mit der rechtsnationalen ungarischen Fidesz-Partei. Doch die Entscheidung, die Mitgliedschaft in der EVP auszusetzen, überzeugt viele Kritiker nicht.

Ungarns Premierminister Viktor Orban (Foto: Reuters/E. Plevier)
Bild: Reuters/E. Plevier

190 zu drei Stimmen. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP) für ein Aussetzen der Mitgliedschaft der ungarischen Fidesz-Partei. Damit reagierte die konservative Parteienfamilie auf den anti-europäischen Kurs von Orbans Fidesz-Partei.

Lange schon schwelte der Streit auf EU-Ebene. Was tun mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban? Knapp zwei Monate vor den Europa-Wahlen kommt es nun zum vorläufigen Schlusspunkt in einer längst überfälligen Debatte. Auch jenseits der konservativen Partei war der Druck weiter gestiegen, in Sachen Fidesz nicht weiter "Zeit zu schinden", wie die Spitzenkandidatin der europäischen Gründen, Ska Keller kritisierte.

Nun verliert die rechtspopulistische Partei mit sofortiger Wirkung ihre Stimmrechte. Auch Kandidaten darf sich bis auf weiteres nicht aufstellen. Rauswurf oder Suspendierung – darüber stritten die Delegierten bis in den Abend. Und drohten beinahe zu scheitern. Zeitweise schienen die Gräben unüberbrückbar. Zwischen den Skandinaviern und Benelux-Staaten einerseits - sie forderten den sofortigen  Rausschmiss - und den moderaten Mitgliedern, darunter auch Deutschland mit Spitzenkandidat Manfred Weber, die sich lediglich für eine Suspendierung der Partei aussprachen.

Einlenken erst nach Drohung

Einen Eklat innerhalb der konservativen Volkspartei, der auf europäischer Ebene auch CDU und CSU angehören, konnte nur im letzten Moment vermieden werden. Dazu musste Joseph Daul, Präsident der EVP, schweres politisches Geschütz auffahren. "Ich habe Euch jetzt zwei Wochen zugehört. Wenn wir keinen Kompromiss finden, trete ich zurück."

Ähnlich emotional reagierten etwa die luxemburgischen oder belgischen Christdemokraten. Aus Kreisen der EVP-Delegation heißt es, beide Länder hätten damit gedrohte, die EVP zu verlassen, sollten die ungarischen Rechtspopulisten weiterhin dazugehören.

Der Wunsch, Victor Orban einen politisch wirksamen Denkzettel zu verpassen war da. Vertraute der Konservativen bekräftigten, es sei an der Zeit, "nicht mehr die Augen zu verschließen, was in Ungarn geschehe". Doch am Ende reicht es trotzdem nur für eine zeitweilige Ermahnung. Kein Rauschmiss, keine klare Abgrenzung. "Eine Suspendierung ist zu kurz gesprungen, das ist ein wachsweicher Kompromiss", kritisiert der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Jens Geier, den Beschluss.

Enttäuscht auch die Europäischen Grünen. Der Europaabgeordnete und Vorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, zur Aussetzung der Mitgliedschaft: "Die EVP hat ihre Prüfung nicht bestanden. Statt eine klare Grenze zu ziehen, spielt sie auf Zeit in der illusorischen Hoffnung, damit das Thema im Wahlkampf überdecken zu können. Für Manfred Weber bedeutet diese halbgare, halbseidene Nicht-Lösung einen erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust. Wie will jemand die EU führen, der bei der Durchsetzung ihrer Werte Kompromisse macht?", so Bütikofer. 

Streit um Plakatkampagne von Fidesz

In einer Plakatkampagne hatte die Fidesz-Partei EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker und dem US-Milliardär Georg Soros die bewusste Förderung illegaler Einwanderung in die EU vorgeworfen. 13 Mitgliedsparteien beantragten daraufhin Anfang März eine Abstimmung über den Verbleib der rechtsnationalen Partei in der konservativen Parteienfamilie EVP.

Stein des Anstoßes: Die Plakatkampagne von FideszBild: picture-alliance/ANE

Orbans Fidesz-Partei wurde von einer breiten Mehrheit in die Ecke des EU-Klassenzimmers verbannt. Doch die Suspendierung ist nicht unumkehrbar. Zum Kompromiss, dem sich nach mehr als drei Stunden harter Verhandlung schließlich alle Mitgliedsparteien anschlossen, gehört auch ein sogenannter Rat der Weisen. Diese Evaluierungskommission unter der Führung des Belgiers und früheren EU-Ratspräsidenten Van Rompuy soll begutachten, ob Fidesz die "gemeinsamen Werte achtet", so Daul. Auf der Grundlage eines Berichts soll dann zu einem späteren Zeitpunkt endgültig über die Mitgliedschaft entschieden werden.

Dies ist im Sinne Orbans. Wenn sich eines am Abend der Abstimmung zeigte, dann dass Orban seine Mitgliedschaft in der EVP nicht leichtfertig verlieren will. Aus EVP-Delegationskreisen heisst es, der ungarische Premier sei weit weniger aggressiv aufgetreten als noch im Herbst vergangenen Jahres. Mitnichten will Orban sich künftig mit kleinen, radikalen Splittergruppierungen, wie etwa Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) im Europäischen Parlament abgeben. Diese ist der Fidesz-Partei inhaltlich nicht sehr fern. Doch hat sie mit nicht einmal 60 Sitzen kaum Bedeutung.

Orban will sich Einfluss sichern - und dies kann er nur innerhalb der EVP, der mit Abstand größten Fraktion mit fast 200 Sitzen. Entsprechend zahm auch Orbans Haltung. Für viele Delegationsmitglieder lenkte er überraschend schnell ein. "Die EVP hat eine gute Entscheidung getroffen, weil sie die Einheit bewahrt hat", sagte Orban. Ferne wolle seine Partei die Kandidatur des EVP-Fraktionschefs Manfred Weber für den Posten des EU-Kommissionschefs auch weiterhin unterstützen. Weber hat sich nun in der eigenen Partei Luft verschafft. Den Respekt jenseits seiner Parteienfamilie hat er nicht gewonnen.

Eine härtere Gangart hätten sich dementsprechend auch die Liberalen erhofft. Guy Verhofstadt, Vorsitzender der Liberalen ALDE-Fraktion hat kein Lob übrig: "Die Entscheidung, die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei zeitweilig auszusetzen, ist ein Trick. Dies zeigt einmal mehr, wie sehr die EVP die Anzahl ihrer Sitze über das gemeinsame europäische Interesse stellt. Das ist eine Schande für Europa."

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