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PolitikEuropa

Orban-Showdown im EU-Parlament

9. Oktober 2024

Eigentlich war der ungarische Premierminister Viktor Orban in Straßburg, um über seine EU-Ratspräsidentschaft zu sprechen. Doch dann kam es zu einem hitzigen Schlagabtausch im EU-Parlament.

Frankreich | Plenarsitzung EU-Parlament Viktor Orbán
Der ungarische Premierminister Viktor Orban sprach am Mittwoch über die Prioritäten der Ratspräsidentschaft seines Landes, die bereits seit Juli dieses Jahres läuft. Bild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

Bereits am Morgen vor der Rede zeigten einige EU-Parlamentarier, was sie von dem ungarischen Premierminister Viktor Orban halten. Die Parteispitzen und mehrere Abgeordnete der Sozialdemokraten, der liberalen Renew-Fraktion, der Linksfraktion und der Grünen hielten an diesem geschäftigen Mittwoch in Straßburg Schilder mit dem Slogan "Demokraten statt Autokraten" in die Höhe.

Im Plenarsaal selbst ging es dann erst einmal gesetzter zu. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban präsentierte das Programm seiner Ratspräsidentschaft. Seit Juli dieses Jahres organisiert und leitet Ungarn die Sitzungen des EU-Rates. 

Orban zählte die zahlreichen Begegnungen auf, die bereits unter der ungarischen Ratspräsidentschaft stattgefunden haben. Außerdem kündigte der Rechtspopulist einen neuen "Deal für Wettbewerbsfähigkeit" an. So trete Ungarn etwa für einen Abbau der Regulierung, Energiesicherheit, einen gestärkten Binnenmarkt und eine Kapitalmarktunion ein. 

Blockierer Ungarn übernimmt EU-Ratsvorsitz

13:04

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Auch wolle er sich für einen regelmäßigen "Schengen"-Gipfel einsetzen, bei dem sich die Mitglieder zu dessen Funktionsweise austauschen sollen. Die europäische Umweltpolitik solle hinterfragt werden, wenn diese dazu führe, dass Jobs verloren gehen, sagt Orban. 

Viktor Orban: Europäisches Asylsystem gescheitert

Beim Thema Migration wird es spürbar unruhiger im Saal. Denn der ungarische Ministerpräsident will sogenannte "Hotspots" außerhalb der EU errichten lassen. Nur noch Flüchtlinge mit einer gültigen Erlaubnis dürften dann noch EU-Gebiet betreten.

"Das europäische Asylsystem funktioniert einfach nicht. Illegale Migration führt zu Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und einer Zunahme von Homophobie," stellte der Rechtspopulist laut Übersetzung des EU-Parlaments fest. Die Europäische Union hatte sich erst im vergangenen Jahr auf eine Reform der europäischen Asylpolitik geeinigt, die noch in Kraft treten muss. 

Ungarn war erst in diesem Juni  wegen der Nichteinhaltung europäischer Asylregeln durch den Gerichtshof der EU verurteilt worden. Der EuGH hatte Ungarn ein Zwangsgeld von 200 Millionen Euro und eine weitere Million Euro für jeden weiteren säumigen Tag auferlegt. Auch wird sich das Land wegen des Vorwurfes der Diskriminierung der LGBTQI+-Community vor dem Gerichtshof verantworten müssen. Zudem hält die EU-Kommission Gelder gegen Ungarn aufgrund von Bedenken in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit im Land zurück - und es läuft ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren gegen das Land. 

Von der Leyen lässt kein gutes Haar an Orban

Kurz nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft war Orban auf eigene Faust zu einer  "Friedensmission" zu Wladimir Putin gereist; dafür wurde er von der EU scharf kritisiert.

Manfred Weber, der Vorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), sagte in der anschließenden Debatte, diese Reise sei "eine große Propaganda-Show" gewesen. Er zeigte sich schockiert, dass Orban die Ukraine in seiner heutigen Rede nicht einmal erwähnt habe.

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kritisiert Viktor Orban im EU-Parlament am Mittwoch unter anderem wegen seiner Russland-Nähe. Bild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

Ungarn gilt vielen als der "engste Verbündete Russlands" innerhalb der Europäischen Union. Das Land hatte in der Vergangenheit Ukrainehilfen blockiert. Wohl mit Blick auf die ungarische Position stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fest: "Und doch gibt es immer noch einige, die diesen Krieg nicht dem Aggressor anlasten, sondern den Angegriffenen. Sie sehen die Ursache nicht in Putins Machtgier, sondern in der Sehnsucht der Ukraine nach Freiheit."

Weiterhin kritisierte von der Leyen, dass Ungarn weiterhin an fossilen Brennstoffen aus Russland festhalte und sich weiter vom europäischen Binnenmarkt wegbewege, da in dem Land europäische Unternehmen diskriminiert würden. Kritische Worte findet von der Leyen auch für das Vorgehen Ungarns, Menschenschmuggler vorzeitig aus dem Gefängnis zu entlassen. Zudem kritisierte sie die Vergabe von Visa an russische Staatsangehörige ohne weitere Sicherheitsüberprüfungen. 

Korruptionsvorwürfe und Mangel der Rechtsstaatlichkeit

Aus den Reihen der Abgeordneten wurden Vorwürfe wegen Korruption und Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit laut. So fragte der konservative ungarische Oppositionspolitiker Peter Magyar, wie sein Land es geschafft habe, sich in 20 Jahren von einem "strahlenden Stern" zu einem der "korruptesten Länder in der Europäischen Union" zu entwickeln. Die ungarische Sozialdemokratin Klara Dobrev warf Orban vor, das Land schlecht zu regieren und an russische Oligarchen zu verkaufen.

Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund nennt Orban einen "Diktator" und einen der "korruptesten Politiker in der Europäischen Union". Er und seine Verbündeten würden der EU Geld stehlen, insgesamt seien bereits mindestens 14 Milliarden Euro versickert, sagt Freund im Plenum. Die Summe habe er auf Basis einer Studie der Nichtregierungsorganisation Transparency International errechnet, erklärt Freund gegenüber der DW.

Im Rahmen der Debatte organisieren die Parlamentarier Proteste. Hier im Bild sind Abgeordnete gemeinsam mit der Vorsitzenden der liberalen Renew-Fraktion Valerie Hayer zu sehen. Bild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

Auch Valerie Hayer, die Vorsitzende der liberalen Renew-Gruppe im EP, sagt, Orban habe sein System auf einer "Betrugsmasche" aufgebaut, welche die ungarischen und europäischen Steuerzahler ein Vermögen kosten würde. Martin Schirdewan, der Vorsitzende der Linksfraktion im Parlament, sieht das ungarische Volk als Leidtragende von Orbans Politik, denn in seiner illiberalen Demokratie seien demokratische Rechte wie die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit systematisch ausgehöhlt worden.

Zustimmung von den Rechtsaußen-Fraktionen

Applaus erhielt Orban hingegen von den beiden Rechtsaußen-Fraktionen: den "Patrioten für Europa," die von ihm selbst mitgegründet wurden und der seine nationalkonservative Fidesz-Partei angehört, sowie der Fraktion "Europa der Souveränen Nationen", in der die in Teilen als rechtsextrem eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) sitzt. Der Ko-Vorsitzende der rechtskonservativen EKR-Fraktion, Nicola Procaccini, sagte, er teile zwar einige Aussagen Orbans, wie etwa zum Wert der Familie oder dem europäischen Green Deal. Er kritisierte jedoch dessen geopolitische Ausrichtung insbesondere bezogen auf China und Russland.

In seinen Schlussworten wehrte sich Viktor Orban vehement gegen die massive Kritik der Parlamentarier. Seiner Ansicht nach sei die Diskussion "eskaliert" und von "absurden parteipolitischen Argumenten" geleitet gewesen. Ursula von der Leyen warf er vor, die EU-Kommission als "politische Waffe" für den Kampf gegen seine EP-Fraktion "Patrioten für Europa" zu missbrauchen.

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