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Politik

Orban vor Abstimmung in Straßburg unter Druck

11. September 2018

Kommt es zu einem EU-Verfahren gegen Ungarn? Vor der Abstimmung im Europaparlament stellt sich Ministerpräsident Orban den Fragen der Abgeordneten - und inszeniert sich vorab als Opfer einer Vorverurteilung.

Europawahl 2019 - Orban will Migration zum Hauptthema machen
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban beim EU-Gipfel in Brüssel am 28. JuniBild: Getty Images/AFP/L. Marin

Hintergrund der Parlamentsdebatte ist ein kritischer Bericht der Grünen-EU-Abgeordneten Judith Sargentini, die eine "systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn" anprangert. Nach der Aussprache mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban an diesem Dienstagnachmittag stimmt das Europaparlament am Mittwoch darüber ab, ob gegen Ungarn - wie bereits gegen Polen - ein Rechtsverfahren gegen Artikel 7 der EU-Verträge eröffnet wird. Im äußersten Fall könnte Ungarn im Zuge eines solchen Verfahrens Stimmrechte im EU-Ministerrat verlieren.

Wie die Entscheidung ausfällt, hängt entscheidend von den Stimmen der Europäischen Volkspartei (EVP) ab, zu der auch die Abgeordneten von Orbans rechtsnationaler Fidesz-Partei gehören. Nach Angaben aus der Fraktion wollen sich die EVP-Abgeordneten am Dienstagabend über eine gemeinsame Position abstimmen.

Zäune gegen Migranten

03:57

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Die Grünen im Europaparlament fordern von der EVP Unterstützung für ein EU-Sanktionsverfahren gegen Ungarn. "Es kommt auf jede einzelne Person an", sagte Fraktionschefin Ska Keller der Deutschen Presse-Agentur. Auch in der EVP gebe es viel Kritik an Demokratiedefiziten in Ungarn, fügte sie hinzu - und verknüpfte das Ungarn-Votum mit der Abstimmung über einen neuen EU-Kommissionspräsidenten im nächsten Jahr. "Wir werden uns ganz genau anschauen, wer sich zur Wahl stellt und wie sich die Person bei Abstimmungen zu Orban verhalten hat. Ich sehe nicht, wie wir jemanden unterstützen können, der zu Orban hält, obwohl der Demokratie und Freiheit in Frage stellt. Die Abstimmung am Mittwoch ist richtungsweisend."

Weber fordert Kurswechsel von Orban

Der christsoziale Europapolitiker Manfred Weber, der nach der Europawahl im kommenden Jahr EU-Kommissionspräsident werden will, sagte im ZDF-"Morgenmagazin" mit Blick auf die Parlamentsdebatte: "Wenn es keine Bewegung in der Sache gibt, wird es schwierig für die ungarische Regierung." Schon am Montag hatte Weber vor einem Sanktionsverfahren gewarnt, sollte Orban keinen Kurswechsel einleiten. Er erwarte, "dass er auf die EU-Partner zugeht und Kompromissbereitschaft erkennen lässt", so Weber gegenüber der "Bild"-Zeitung. "Wenn das nicht geschieht, müssen wir in der EVP sagen: 'Unsere Werte sind für uns nicht verhandelbar.'"

Unterdessen schlägt Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ dem ungarischen Regierungschef die Bildung einer gemeinsamen Fraktion im Europaparlament vor. Er lade Orban und dessen Fidesz-Partei ein, künftig in einem gemeinsamen EU-Block zusammenzuarbeiten, erklärte Strache am Montag bei Facebook. Der FPÖ-Chef und andere Mitglieder seiner Partei haben sich in der Vergangenheit wiederholt Orbans scharfer Anti-Einwanderungs-Rhetorik angeschlossen. Im EU-Parlament gehört die FPÖ derzeit der rechtspopulistischen Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) an.

Erwartet Zugeständnisse von Orban: der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (Archivbild)Bild: picture-alliance/S. Simon

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz von der rechtskonservativen Volkspartei (ÖVP), der mit der FPÖ in einer Koalition regiert, ging dagegen auf Distanz zu Orban. Die Abgeordneten der ÖVP im Europaparlament würden für die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn stimmen und eine Aussetzung der Mitgliedschaft der Fidesz in der EVP unterstützen, sagte Kurz am Montag im ORF-Fernsehen. Die ÖVP gehört ebenfalls der EVP-Fraktion an.

Orban: Urteil "bereits geschrieben"

Orban selbst teilte wenige Stunden vor seinem Auftritt in Straßburg per Videobotschaft mit, er nehme an der Debatte nur teil, um "Ungarn und die ungarischen Menschen gegen ungerechte Anschuldigungen und Lügen zu verteidigen". Im Europaparlament seien "die migrationsfreundlichen Abgeordneten in der Mehrheit, so Orban in dem knapp halbminütigen Video, das er auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte. "Sie schicken sich jetzt an, Rache an Ungarn zu üben, weil die Ungarn entschieden haben, dass ihr Land kein Einwanderungsland wird", führte der Ministerpräsident aus. "Die Wahrheit ist, dass das Urteil gegen uns bereits geschrieben ist."

hk/rb (dpa, afp)

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