Orbans Kanzleiminister auf US-Liste der Bösewichte
10. Januar 2025Die ungarische Öffentlichkeit nennt ihn abwechselnd "Luxus-Toni", den "Mann für Filz und Vetternwirtschaft", "Propagandaminister" oder "Ungarns Richelieu": Die Rede ist von Antal Rogan, 52 Jahre, Kanzleiminister des ungarischen Premiers Viktor Orban und zugleich oberster Geheimdienstaufseher in Ungarn. Faktisch ist er der zweitmächtigste Mann im Land. Er tritt so gut wie nie in der Öffentlichkeit auf, hat in derselben aber einen katastrophal schlechten Ruf, weil er regelmäßig Schlagzeilen mit Korruptionsaffären macht. Nun belegte ihn die US-Regierung mit Sanktionen.
Es ist ein äußerst drastischer Schritt der US-Regierung. Bekannt wurde er am Dienstag dieser Woche (7.01.2025). Demnach sanktionierte das US-Finanzministerium Antal Rogan im Rahmen des sogenannten Global Magnitsky Acts von 2016 - ein Gesetz, das weltweit schwere Menschenrechtsverstöße und schwerwiegende politische Korruption ahnden soll. Die Namen derer, die bisher auf diese Weise sanktioniert wurden, lesen sich wie eine globale Liste der schlimmsten Bösewichte. Bedeutsame Politiker aus EU-Ländern finden sich unter ihnen kaum - Antal Rogan ist nun der hochrangigste, der auf der Liste steht.
Neben ihm finden sich dort auch Politiker aus Bulgarien, beispielsweise Deljan Peewski, Oligarch und Ko-Vorsitzender der türkischen Minderheitenpartei DPS. Auch einige der bedeutendsten Politiker aus Westbalkan-Ländern, darunter der mazedonische Ex-Regierungschef Nikola Gruevski, der albanische Ex-Präsident Sali Berisha und der Präsident der bosnischen Serbenrepublik, Milorad Dodik, sind mit US-Sanktionen belegt.
Empörung in Ungarn
Rogan erhält durch die Sanktionen Einreiseverbot in die USA, seine möglichen Vermögenswerte in den USA werden eingefroren. Außerdem dürfen US-Unternehmen mit Firmen, in denen er Teilhaber ist, keine Geschäftsbeziehungen mehr unterhalten, weder direkt, noch indirekt, etwa durch Finanztransaktionen über Dritte.
Kurz vor der Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten Donald Trump ist damit in den seit längerem ohnehin schlechten Beziehungen zwischen Ungarn und den USA ein neuer historischer Tiefpunkt erreicht. Ungarische Politiker bezeichnen den Schritt mit großer Empörung als "Racheakt". Janos Lazar, ehemals selbst Chef von Orbans Kanzlei und heute Bau- und Verkehrsminister, sagte am 8.01.2025 auf einer Pressekonferenz, man solle "diese politische Provokation einer gescheiterten Regierung nicht ernst nehmen" und verwies darauf, dass US-Präsident Jo Biden seinen eigenen Sohn begnadigt habe. Die abdankende US-Regierung, so Lazar, "wischt ihre dreckigen Füße an Ungarn ab".
Initiative des Botschafters?
Allgemein schieben ungarische Regierungsvertreter die Initiative für die Sanktionierung Rogans dem scheidenden US-Botschafter in Budapest, David Pressman, zu. Er kritisierte die Orban-Regierung in den vergangenen Jahren immer wieder für Korruption und Menschenrechtsverletzungen. Deswegen und weil er offen homosexuell lebt, wurde er von Regierungsseite vielfach angefeindet. So auch jetzt durch Lazar. "Nichts, was er vertritt und wofür er steht, hat in Ungarn Platz", sagte Orbans Minister und drohte: "Ich empfehle ihm, Ungarn nach Ende seines Mandats weiträumig zu meiden." Orban selbst weilt zur Zeit im Familienurlaub in Indien und schwieg bisher zu der Angelegenheit.
Konkret teilte die US-Regierung nicht mit, aufgrund welcher Vergehen Rogan sanktioniert wurde. In Ungarn ist Orbans Kanzleiminister bisher nicht wegen Korruption oder anderer Vergehen verurteilt worden. Zwar wurde gegen ihn mehrfach ermittelt, zu einer Anklage kam es jedoch nie. Dennoch gilt Rogan als eines der Symbole für politische Korruption in Orbans Ungarn. Ebenso wie auch im Fall des Premiers Viktor Orban selbst geht es dabei meistens um Korruption in Rogans familiärem Umfeld oder im Freundeskreis.
Etikett "Luxus-Toni"
Als Bürgermeister des 5. Budapester Bezirks soll er von 2006 bis 2014 für die Vermietung und den Verkauf zahlreicher Immobilien weit unter dem Preisniveau des Marktes mitverantwortlich gewesen sein. Als Regierungspolitiker und Minister fällt er häufig durch Interessenskonflikte auf. Er machte mehrfach falsche Angaben in seiner Vermögenserklärung. Seine derzeitige Ehefrau Barbara soll kurz vor der Heirat mit ihm, im Jahr 2021, einen staatlichen Kredit für den Kauf von rund 1200 Hektar Land in Nordostungarn erhalten haben.
Die meisten Schlagzeilen machte Rogan 2016, als er sich mit seiner damaligen Ehefrau Cecilia im Hubschrauber zu einer Luxushochzeit fliegen ließ. In Ungarn, wo viele Menschen in ärmlichen Verhältnissen leben, wurde er damit zu einem Symbol für den ausschweifenden Lebenswandel der herrschenden Kaste. Bis heute ist ungeklärt, wer für den Flug zahlte. Fest steht: Die betreffende Flugfirma lebt unter anderem von staatlichen Aufträgen. In der Affäre verstrickte sich Rogan in Lügen, hängen blieb an ihm das Etikett "Luxus-Toni". Einen anderen Spitznamen, den des "ungarischen Richelieus", trägt er in Anlehnung an den französischen "Herrscher im Schatten" des 17. Jahrhunderts, weil er in Orbans Machtapparat als eine Art oberster Strippenzieher gilt.
Systematische Korruption
Doch es geht bei den US-Sanktionen wohl nicht nur um Rogan persönlich, sondern auch um das gesamte System der politischen Korruption und des Klientelismus in Ungarn. Als Kanzleiminister des Premiers verfügt Rogan über zahlreiche Mitspracherechte und Befugnisse bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Ausschreibungen. Die USA und auch die EU kritisieren dieses System seit Jahren, denn häufig profitieren Personen aus Viktor Orbans engem Umfeld und solche, die als verlässlich und loyal gelten.
Insofern sind die Sanktionen gegen Rogan zweifellos auch ein Warnschuss gegen den Premier selbst. Er hat das System der schrankenlosen Bereicherung seiner Familie und seiner Klientel - bei formal nur minimalem eigenen Besitz und Vermögen - perfektioniert. Orban persönlich ist nur Miteigentümer eines Wohnhauses in Budapest und besitzt ein Bauernhaus in seinem Heimatdorf, Ersparnisse hat er keine. Zugleich sind der Vater, der Schwiegersohn und ein Jugendfreund des Premiers seit dessen Amtsantritt zu den reichsten Menschen im Land aufgestiegen.
Sowjetunion weniger schlimm?
Orbans Vater beispielsweise lässt derzeit im Weiler Hatvanpuszta westlich von Budapest ein 13 Hektar großes ehemaliges herzögliches habsburgisches Anwesen zu einem Privatsitz der Orban-Familie umbauen. Orbans Jugendfreund Lörinc Meszaros war einst Dorfklempner und ist inzwischen Milliardär und reichster Ungar - er gilt als "Strohmann" der Orbans. Der Schwiegersohn des Premiers, Istvan Tiborcz, wiederum ist einer der einflussreichsten ungarischen Entwickler von Luxus-Immobilien. Wenn Viktor Orban auf all das angesprochen wird, wiederholt er gebetsmühlenartig, dass er sich als Regierungschef nicht mit geschäftlichen Angelegenheiten befasse.
Die ungarische Regierung hofft nun, dass sich die Beziehungen mit den USA nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Donald Trump sprunghaft verbessern - und auch Antal Rogan wieder von der Sanktionsliste genommen wird. Vom "Aufwachen in einer neuen Welt nach dem 20. Januar" ist die Rede. So einfach dürfte es zumindest für Rogan nicht werden, denn sowohl die Verhängung von Sanktionen nach dem Magnitsky Act als auch ihre Aufhebung sind eine langwierige bürokratische Prozedur. Orbans Lieblingspublizist und enger Freund Zsolt Bayer machte seinem Frust denn auch mit einem drastischen Vergleich Luft: Im Vergleich zu den USA sei "die Sowjetunion des Genossen Breschnjew ein lustiges, wildes Freudenhaus" gewesen.