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KriminalitätDeutschland

Organisierte Kriminalität: Druck auf Schleuserbanden wächst

5. September 2024

Illegale Migration ist ein lohnendes Geschäftsmodell der Organisierten Kriminalität. Das sieht man auch im aktuellen Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA).

Eine Polizeibeamte und ihr Kollege nehmen an einer Autobahn-Raststätte Mitglieder einer mutmaßlichen Schleuserbande fest. Der Verdächtige, dessen Gesicht verpixelt ist, muss sich einer Leibesvisitation unterziehen.
Die Polizei nimmt auf einem Autobahn-Rastplatz Mitglieder einer mutmaßlichen Schleuserbande fest (August 2023) Bild: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

Im Ranking krimineller Aktivitäten auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität (OK) gehört das Schleusen von Menschen nach Deutschland zu den top vier. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist im Jahresvergleich um gut 18 Prozent von 49 auf 58 gestiegen. Das geht aus dem aktuellen OK-Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor. Unverändert an der Spitze: Drogendelikte sowie Wirtschafts- und Eigentumskriminalität. 

Nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden agieren Schleuserbanden oft mit kleinen Lastwagen, in denen sie so viele Menschen wie möglich über lange Strecken transportieren. "Was dazu führen kann, dass sie unterwegs sterben. Auch das haben wir schon gehabt", sagt BKA-Präsident Holger Münch bei der Vorstellung der neusten Zahlen in Berlin.

Mehr Grenzkontrollen in Europa

Der Druck auf Schleuserbanden steige durch Grenzkontrollen, ergänzt die für Sicherheit in Deutschland zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser. "Wir haben eine sehr gute, vernetzte internationale Zusammenarbeit." Als Beispiel nennt sie Serbien. Damit erklärt sich die Sozialdemokratin (SPD) den leichten Rückgang der registrierten Schleusungskriminalität in den ersten acht Monaten 2024. Wie aussagekräftig diese Momentaufnahme ist, wird sich allerdings erst in der Bilanz für das ganze Jahr zeigen.

Für das größte Problem der Sicherheitsbehörden hält BKA-Chef Münch die internationale Verflechtung von Schleuserbanden und ihre arbeitsteilige Struktur: "Im Prinzip haben sie eine Spezialisierung. Das heißt, da konzentrieren sich Menschen möglicherweise auf die Fälschung von Papieren, dann auf einen bestimmten Teil der Reise-Route." Das führe dazu, dass es extrem schwer sei, die Schleusung über die gesamte Reisebewegung hinweg und die verantwortlichen Hintermänner zu ermitteln.

Wollen den Druck auf Schleuserbanden weiter hochhalten: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (r.) und BKA-Präsident Holger MünchBild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance

Tatverdächtige aus europäischen und asiatischen Ländern     

Vor allem die für Grenzsicherung zuständige Bundespolizei geht verstärkt gegen mutmaßliche Schleuserbanden vor. Am Mittwoch (04.09.2024) wurden in fünf Bundesländern Razzien durchgeführt. Die Tatverdächtigen sollen seit 2023 mindestens 140 Menschen über die sogenannte Westbalkanroute geschleust sowie über die Slowakei und Tschechien nach Deutschland gebracht haben. Die Beschuldigten stammen nach Informationen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) aus Syrien, dem Irak und Bulgarien. 

Im Jahr 2023 waren laut BKA-Lagebild zur Organisierten Kriminalität (OK) die meisten Tatverdächtigen im Bereich Schleusungskriminalität deutsche Staatsbürger. Beim Blick auf alle Delikte – von Rauschgiftschmuggel über Geldwäsche oder Waffenhandel und Cybercrime – ergibt sich ein anderes Bild: In 642 Verfahren wurden 7347 Tatverdächtige ermittelt, darunter 4243 ohne deutschen Pass. Das waren knapp 58 Prozent. 

Ungeklärte Staatsbürgerschaft bei Cybercrime

Im Vergleich zum Jahr 2022 ist das ein relativer Anstieg um rund acht Prozent. Ausschlaggebend hierfür sei die Erstmeldung eines Verfahrens mit über 250 serbischen Tatverdächtigen gewesen, heißt es vom BKA. Bei Tatverdächtigen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ist sogar ein Plus von 29 Prozent auf 695 Tatverdächtige zu verzeichnen.

Entscheidend dabei: ein Verfahren aus dem Bereich Cybercrime, bei dem 250 Tatverdächtige mit ungeklärter Staatsangehörigkeit gemeldet wurden. Das BKA hat für diese hohe Zahl eine plausible Erklärung: Die Identifizierung von Tatverdächtigen sei bei Internet-Kriminalität im virtuellen Raum oft besonders schwierig. 

Schadensumme verdoppelt sich auf 2,7 Milliarden Euro

Wie lukrativ die zu 70 Prozent grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität ist, verdeutlicht die im Jahr 2023 ermittelte Schadensumme: 2,7 Milliarden Euro. Das entspricht einer Verdoppelung innerhalb eines Jahres. Die große Anzahl an OK-Verfahren mit Bezügen insbesondere ins europäische Ausland zeigt aus Sicht von BKA-Präsident Holger Münch und der deutschen Innenministerin Nancy Faeser vor allem eines: wie wichtig die weltweite Zusammenarbeit im Kampf gegen Organisierte Kriminalität ist.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland