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Osama Junior

Patrick Tippelt7. November 2005

Die andauernden Anschläge im moslemischen Süden Thailands lässt die Armee auf Guerilla-Taktiken schwören. Dabei wehrt sich so mancher Moslem nicht mit Gewalt, sondern mit kleinen, beinahe alltäglichen Entscheidungen.

In den drei südlichsten Provinzen Thailands zerstört Handgemachtes seit über einem Jahr Leben. Fast täglich zünden moslemische Separatisten in den Distrikten von Yala, Pattani und Narathiwat Bomben - auf Flughäfen, vor Restaurants, unter Autos. Selbst Mönche werden zu Opfern. Betrachtet man die von der Regierung titulierte "Aufruhr" objektiv, muss man sie "Bürgerkrieg" nennen.

Erst letzte Woche wurden in der Provinzhauptstadt Narathiwat drei hausgemachte Bomben noch rechtzeitig entschärft: zwei vor Restaurants, eine an einem Benzindepot. Die PULO (Pattanis Vereinigte Befreiungsorganistion), eine radikale Vereingung, die um eine moslemische Autonomie kämpft, warnt die Regierung seit längerem vor einem religiösen Krieg zwischen dem Islam und dem Buddhismus im Süden. Die Krise wird verschärft werden.

Normalfall: täglich Tote

Thailand gewöhnt sich ans tägliche Sterben. Jeder Tote ist den Zeitungen Thailands nur einen Dreizeiler wert. Immerhin ist Bangkok fast 1000 Kilometer von den Provinzen entfernt. Zwar mehrt sich die Angst der Bangkoker vor Anschlägen in der Hauptstadt; zwar werden jetzt Schäferhunde in Bangkoks öffentlichen Verkehrsmitteln eingesetzt, die Bomben aufspüren sollen. Doch der stressige Alltag entschärft die Ungewissheit vor Terror.

Nicht alle Bewohner des Südens sind radikale Separatisten. Die Bevölkerung leidet unter den andauernden Anschlägen. Doch Tatsache ist: Der Süden ist zutiefst moslemisch, seit Jahrhunderten schon. Auf Phuket sichtet man weit mehr Minarette als Tempel. Auf den Straβen des Südens dominieren Kopftücher.

Wie sehr sich der Alltag im Süden Thailands von dem im Rest des Landes unterscheidet, wird einem klar durch die kleinen Geschichten des Lebens, die man fast Anekdoten nennen könnte, würden sie einen nicht nachdenklich stimmen.

Der Kampf einer Familie um einen Namen

Ibrohim und Rortipah Jae-rong aus Pattani kämpfen seit vier Jahren um den Namen ihres Sohnes. Das Einwohnermeldeamt will ihn nicht registrieren, denn das Paar gab dem Kleinen den gehaltvollen Vornamen bin Laden. Sie hofften dabei, dass bin Laden, geboren am 11. September 2001, einmal genauso klug sein wird wie der bärtige Saudi.

Für Familie Jae-rong und deren Freunde ist Osama Senior ein Held, der "mächtigste Mann überhaupt", wie der Vater erklärt. Er teile seine Liebe und Bewunderung zu Osama – "mit vielen Moslems im Süden Thailands". Er möchte den Vierjährigen zu einem streng gläubigen Moslem erziehen und spart schon jetzt, damit er bin Laden ins Ausland schicken kann, wo er den Islam studieren soll. Denn bin Laden soll sein Leben dem Islam widmen - wie Osama.

Die Mutter gab dem Jungen den Namen, weil sie in der Nacht vor der Geburt von Allah geträumt hatte, der ihr eine Halskette geschenkt hatte. Den Vorschlag des Einwohnermeldeamtes, das Kind Nuruddin zu nennen - Glanz des Glaubens - lehnten die Eltern ab. Osama sei schlieβlich kein Terrorist, nur ein guter Moslem.

Die thailändische Armee lässt sein kurzem fünf Regimenter zu paramilitärischen Guerilla-Kämpfern ausbilden, die bald im Süden eingesetzt werden. 400 Soldaten werden Tag und Nacht die Gegend durchstreifen, auf der Suche nach Separatisten. Ein Senator aus dem Süden forderte die Truppen auf, nicht zu sehr auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Sie sollten schlicht kämpfen. Dabei wäre vielleicht jedwede Art von Dialog besser. Gewalt führt nicht unbedingt zu Gegengewalt. Sondern zu überraschenden Namensgebungen.