Männer mit weißer Hautfarbe haben die besten Aussichten auf einen Oscar. Frauen und People of Color wurden auch 2020 bei den Nominierungen vernachlässigt. Trotz Kritik bewegt sich nur wenig.
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Es ist eine altehrwürdige Tradition: Kurz vor der Verleihung der Oscars lädt die Oscar-Academy ihre Nominierten zu einem gemeinsamen Mittagessen ein. So auch in diesem Jahr. Kurz darauf veröffentlichte sie auf Twitter ein Gruppenfoto der Gäste.Die große Mehrheit der Abgebildeten darauf sind weiß und männlich. Sofort gab es Protest.
Wurde wider Erwarten nicht für die Beste Regie nominiert: Greta GerwigBild: picture-alliance/AP Images/AP/Invision/J. C Ryan
Schauspielerin und Filmemacherin Issa Rae, die die Nominierten am 13. Januar im US-Fernsehen verkündete, sagte ganz bewusst, sie gratuliere all diesen Männern, nachdem sie die Anwärter in der Sparte Beste Regie verlesen hatte. Denn anders als erwartet tauchten in der Kategorie weder Greta Gerwig noch andere Regisseurinnen auf. Nur Männer wurden verlesen: Todd Phillips ("Joker"), Martin Scorsese ("The Irishman"), Sam Mendes ("1917"), Quentin Tarantino ("Once Upon a Time in Hollywood") und Bong Joon-ho ("Parasite").
Immerhin: Mit Bong Joon-ho, der aus Südkorea stammt, ist in der Kategorie wenigstens eine Person of Color (PoC) vertreten - die insgesamt, genau wie die Frauen, in den 24 Oscar-Kategorien auch in diesem Jahr spärlich Erwähnung finden. Die Protestbewegungen #OscarsSoMale und #OscarsSoWhite gewinnen 2020 weiter an Brisanz.
Zahlen sprechen eine klare Sprache
Die Zahlen sprechen für sich: Lässt man die Darsteller-Kategorien außen vor (hier treten die Geschlechter ohnehin getrennt voneinander an), so sind von den insgesamt 193 Nominierten knapp 30 Prozent weiblich und 70 Prozent männlich.
Der Blick auf die Sparten im Einzelnen zeigt, dass der Frauenanteil in vier Kategorien sogar unter 20 Prozent liegt, in vier weiteren geht er gegen Null: Die Sparten Beste Regie, Bester Ton, Beste Kamera und Beste visuelle Effekte machen die Männer unter sich aus.
In lediglich drei Kategorien haben die Männer das Nachsehen bei den Nominierungen: Beim Besten animierten Kurzfilm, dem Besten dokumentarischen Kurzfilm und dem Besten Kostümdesign können mehr Frauen auf eine Oscar-Trophäe hoffen - allerdings ist selbst in diesen Kategorien das Geschlechterverhältnis eher ausgewogen als eindeutig zugunsten der Frauen.
Frauen Jahrzehnte lang außen vor gelassen
Bestimmte Kategorien bleiben besonders hartnäckig von Männern dominiert. In der gesamten Oscar-Geschichte - 1929 fand die erste Verleihung statt - nominierte die Jury nur fünf Frauen für die Beste Regie. Die letzte war Greta Gerwig im Jahr 2018 und allein Kathryn Bigelow gelang es, den Oscar in dieser Kategorie auch tatsächlich zu gewinnen.
Die Sektion Beste Kamera ist ebenfalls fest in Männerhand. Mit Rachel Morrison war vor zwei Jahren die erste und einzige Frau überhaupt in dieser Kategorie nominiert.
1997 gewann Rachel Portman als erste Frau den Oscar für die Beste Filmmusik; Anne Dudley gelang das Kunststück ein Jahr später.
Die isländischen Cellistin und Komponistin Hildur Guðnadóttir, die den Soundtrack zum großen Oscar-Favoriten "Joker" geschrieben hat, könnte in diesem Jahr die dritte Frau sein, die die Kategorie für sich entscheidet. Die Jury der Golden Globes hat sie mit ihren traurigen Cello-Klängen bereits überzeugen können.Historisches Hoch für Frauen
Was die Nominierungen und Vergabe von Preisen an People of Color angeht, so war man bei der Oscar-Academy schon mal fortschrittlicher. Im vergangen Jahr wurden so viele People of Color wie noch nie ausgezeichnet. Auch die Jahre 2017 - hier war die Hälfte der Gewinner in den Darsteller-Kategorien schwarz - und 2018 - zwei People of Color wurden als Beste Nebendarsteller geehrt - sahen besser aus als 2020.
Der Frauenanteil, so niedrig die diesjährigen 30 Prozent auch weiterhin sein mögen, ist allerdings der höchste in der Oscar-Geschichte. In Hollywood bewegt sich etwas - wenn auch langsam, wie die Zahlen belegen.
Vor vier Jahren etwa veränderte die Oscar-Jury, die inzwischen rund 8500 Mitglieder zählt, ihre Besetzung: Um für mehr Diversität zu sorgen, nahm sie mehr Frauen und People of Color auf und vergrößerte sich um 35 Prozent. Im vergangenen Jahr bestand die Hälfte der Neumitglieder zudem aus Frauen. Dennoch bleibt die Jury, die über die begehrten Oscar-Trophäen entscheidet, zu 68 Prozent männlich und zu 84 Prozent weiß. Das ist möglicherweise einer der Gründe, warum Männerthemen bei den meisten nominierten Filmen dominieren und ausschließlich weiße nominierte Schauspieler in den diesjährigen Darsteller-Kategorien auftauchen.
Es ist also davon auszugehen, dass die Oscar-Academy sich an diesem Sonntag, wenn es heißt, "And the Oscar goes to...", erneut den Vorwürfen #OscarsSoMale und #OscarsSoWhite stellen muss.
Oscar-Verleihung: Das sind die Favoriten
Das Rennen um den Oscar-Titel "Bester Film" läuft. Große Chancen haben die Kinofilme "Joker", "1917" und "Once Upon a Time in Hollywood". Bei den Schauspielern liegen Renée Zellweger und Joaquin Phoenix vorn.
Bild: Getty Images/C. Polk
Vorhang auf für die 92. Oscars
Am 9. Februar 2020 ist es soweit: In Hollywood werden die populärsten Filmpreise der Welt verliehen. Das Kino der englischsprachigen Welt steht im "Dolby Theatre" im Mittelpunkt - und Kinofans weltweit schauen zu. Die Oscarverleihung ist ein Medienereignis, ein Oscar kann für Nominierte und Gewinner große wirtschaftliche Bedeutung haben. Die Filmwelt ist gespannt auf die diesjährigen Oscars...
Bild: Getty Images/C. Polk
In der Königsdisziplin im Rennen: "Joker"
Die Kategorie "Bester Film" gilt eindeutig als Königsdisziplin, sie ist mit Abstand die wichtigste. Neun Filme sind nominiert, drei Favoriten haben sich in den vergangenen Wochen herausgeschält. Der Film "Joker" von Regisseur Todd Phillips (unser Bild mit Hauptdarsteller Joaquin Phoenix) ist einer davon. Er steht mit elf Nominierungen an der Spitze.
Das Erste-Weltkriegs-Drama des britischen Regisseurs Sam Mendes ist "Joker" dicht auf den Fersen. "1917" brachte es auf zehn Nominierungen. Der virtuos montierte Film über die gefährliche Mission zweier englischer Soldaten auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs besticht vor allem durch seine Technik. "1917" war gerade erst bei den britischen Filmpreisen "BAFTA" der große Gewinner.
Bild: 2019 Universal Pictures and Storyteller Distribution Co., LLC.
Tarantinos Starduo im Rennen
Auch Kult-Regisseur Quentin Tarantino hat mit "Once Upon a Time in Hollywood" gute Erfolgsaussichten, einen Oscar zu bekommen. Der Film über das Medium Kino hat mit Brad Pitt und Leonardo DiCaprio viel Star-Power zu bieten. Schon bei den Golden Globes hatte "Once Upon a Time in Hollywood" die Nase vorn. Im Oscar-Rennen hat er zehn Nominierungen aufzuweisen.
Bild: Imago Images/Zuma Press/Columbia Pictures
Wer wird bester Regisseur?
In der Kategorie "Beste Regie", in der ausschließlich Männer im Rennen sind - was zu viel Kritik geführt hat - ist der Ausgang offen. Auch Martin Scorsese darf sich mit "The Irishman" (Foto: Robert DeNiro und Al Pacino) Hoffnungen machen, als bester Regisseur ausgezeichnet zu werden. Das Mafia-Epos wurde übrigens auch in der Kategorie "Bester Film" nominiert.
Bild: Imago Images/Netflix/STX Entertainment
Favoritin bei den Damen: Renée Zellweger
In der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" ist in diesem Jahr die amerikanische Schauspielerin Renée Zellweger klare Favoritin. Sie hat für die eindrucksvolle Verkörperung des legendären Bühnen- und Filmstars Judy Garland im Film "Judy" bereits den Golden Globe bekommen. Die meisten Experten rechnen nun damit, dass sie auch den Oscar gewinnt.
Bild: Imago/D. Hindley
Favorit bei den Herren: Joaquin Phoenix
In der Konkurrenz um den Titel "Bester männlicher Hauptdarsteller" wäre die Auszeichnung für einen anderen Schauspieler eine große Überraschung, denn Joaquin Phoenix ist dort der eindeutige Favorit. Seine zwischen Wahnsinn, Witz und Traurigkeit changierende Rolle in "Joker" hat in den letzten Wochen schon viele Jurys überzeugt - unter anderem auch die der Golden Globes.
Bester Film, beste Regie und beste Darsteller - das sind die populärsten Auszeichnungen. Interessant ist auch, wer in der Kategorie "Original-Drehbuch" den Oscar erhält. Hier ist Noah Baumbach mit seinem Scheidungsdrama "Marriage Story" (unser Bild) im Rennen. Der von Netflix produzierte Film steht, wie auch Scorseses "The Irishman", symbolisch für den Kampf zwischen Film- und Streaming-Studios.
Bild: Marriage Story/W. Webb
Blick über die US-Grenzen hinweg: "Parasite"
Der Rest der Film-Welt wird bei den Oscars mit der Kategorie "Bester internationaler Film" abgespeist. Hier treten fünf Filme aus Polen, Nord-Mazedonien, Frankreich, Spanien und Südkorea gegeneinander an. Aus dem asiatischen Land kommt Regisseur Bong Joon Hos Familientragikomödie "Parasite" (unser Bild), die als klarer Favorit im Kampf um die Oscar-Trophäe gilt.
Bild: picture-alliance/dpa/Koch Film
Doku aus Nord-Mazedonien: "Honeyland"
Das "Kunststück", sowohl in der Kategorie "Bester internationaler Film" als ausnahmsweise auch als "Bester Dokumentarfilm" nominiert zu werden, schaffte "Honeyland". Das Regieduo Ljubomir Stefanov und Tamara Kotevska erzählt die Geschichte einer naturverbundenen Imkerin und zeigt die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hat. "Honeyland" wurde weltweit bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet.