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Film

Oscars 2021: Immer noch zu wenig Frauen

Nadine Wojcik
25. April 2021

Es gilt als Sensation: Mit Chloé Zhao und Emerald Fennell sind zwei Frauen für die "Beste Regie" nominiert. Größtenteils bleiben die Oscars allerdings immer noch Männersache.

Grafik verdeutlicht, dass 68 Prozent der Nominierungen an Männer geht, 32 Prozent an Frauen.
Gender-Gap bei den Oscar-Kategorien (ohne Darstellerpreise); Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences

"Und der Oscar geht an..." ...einen Mann, zumindest rein statistisch gesehen. 68 Prozent der Anwärter auf die prestigeträchtige Trophäe sind männlich. Damit werden sie auch 2021 wieder die Mehrzahl der Oscars entgegennehmen. Die gute Nachricht: Der Anteil der nominierten Frauen nimmt zu. Waren es 2020 noch 28,5 Prozent, so sind es in diesem Jahr immerhin 32 Prozent.

Unter ihnen können sich zwei Regisseurinnen Hoffnung machen: Chloé Zhao und Emerald Fennell. Dass in diesem Jahr erstmalig zwei Frauen in der Kategorie "Beste Regie" nominiert sind, gilt als Sensation. Seit der ersten Preisverleihung 1929 waren bislang gerade einmal fünf Frauen nominiert. Nur eine einzige gewann: Kathryn Bigelow mit "The Hurt Locker". Das entspricht nach insgesamt 92 Preisverleihungen einem Mann-Frau-Verhältnis von 92:1. In Bigelows Kriegsfilm von 2010 sind übrigens viele Männer zu sehen - in stereotypischen Männerrollen.

Die Kategorie "Beste Regie" ist symbolträchtig: Kein anderer Job am Set ist derart wichtig und machtvoll. Dass einer Frau eine Führungsposition zugetraut wird, ist allerdings nicht nur in der Filmbranche schwer durchzusetzen.

"Nomadland"-Dreamteam: Chloé Zhao (Regie, Drehbuch, Schnitt) und Frances McDormand (Produktion, Hauptdarstellerin)Bild: Searchlight Pictures/AP/dpa/picture alliance

2020 war das anders. Greta Gerwig hatte den viel beachteten Film "Little Women" auf die Leinwand gebracht. Der Coming-of-Age-Film über vier Schwestern war in sechs Kategorien nominiert, darunter in der Königskategorie "Bester Film" - jedoch nicht für "Beste Regie". Mit dem Hashtag "OscarsSoMale" machten viele Frauen ihrem Ärger über den eklatanten Gender-Gap Luft. Zur Verleihung schritt Schauspielerin Natalie Portman mit einer Robe über den roten Teppich, auf der in Gold die Namen derjenigen Frauen aufgestickt war, die aus ihrer Sicht einen Oscar verdient hätten, darunter auch Regisseurin Gerwig.

Zeit der Männer ist abgelaufen

Ausgelöst wurde dieses neue weibliche Selbstbewusstsein von einem der größten Skandale in der Geschichte Hollywoods: 2017 wagten mehr als 100 Frauen, öffentlich gegen den Filmmogul Harvey Weinstein auszusagen und lösten damit die weltweite "MeToo"-Bewegung aus. Es war längst ein offenes Geheimnis der Branche, dass der einst mächtigste US-Filmproduzent eine Vorliebe für junge Schauspielerinnen hatte - dennoch hatten alle geschwiegen. Im Februar 2020 wurde Weinstein schließlich wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt.

"Time's Up" heißt daher auch eine Initiative, die 2018 von mehr als 300 Filmemacherinnen, Schauspielerinnen und Produzentinnen gestartet wurde. Gegründet als rechtliche Unterstützung für sexuell belästigte Kolleginnen, ist "Time's Up" längst zu einer der wichtigsten Lobbyorganisationen für Geschlechtergerechtigkeit in der Filmbranche avanciert.

Oscar-Akademie: Alter, weißer Männerclub

Und die Filmwelt ist seitdem durchaus in Bewegung, auch innerhalb der seitdem stetig kritisierten Academy of Motion Picture Arts and Science. Deren Mitglieder ernennen traditionsgemäß die Oscar-Preisträger, quasi eine Auszeichnung von Kollegen für Kollegen. Mitglied werden darf nur, wer zuvor nominiert war, oder wer von zwei Mitgliedern vorgeschlagen wird. So reproduzierte sich jahrzehntelang der elitäre, weiße, alte Männerclub. Das ändert sich gerade: Offensiv lädt die Akademie seit rund fünf Jahren neue Mitglieder ein, darunter mittlerweile die Hälfte Frauen. Damit ist deren Anteil in der rund 9000 Mitglieder starken Filmfamilie nun auf 32 Prozent gestiegen, ein deutlicher Zuwachs verglichen mit nur 25 Prozent im Jahr 2015.

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences wächst und wächst - und wird endlich diverserBild: Prensa Internacional via ZUMA Wire/Zumapress/picture alliance

"Was wir auf der Leinwand und was wir im wirklichen Leben sehen, geht diametral auseinander", sagte Stacy Smith bei einem Ted-Talk. Die Professorin für Kommunikation liefert seit vielen Jahren mit ihrer "Annenberg Inclusion Initiative" wissenschaftliche Fakten zum Gender-Gap. Für ihre jährlichen Statistiken werden Filme unter anderem hinsichtlich Geschlechterverteilung bei der Rollenbesetzung untersucht. Das Ergebnis: 2019 wurden gerade einmal 34 Prozent aller Rollen von Frauen gespielt.

Unterrepräsentiert: Zu wenig Frauen auf der Leinwand

Stacy Smith spricht hier von einer "Epidemie der Unsichtbarkeit". Tatsächlich verändert sich dieser Anteil seit Jahrzehnten nur um wenige Prozentpunkte. Deutlich wird dies auch bei der Film-Rezeption: Zweidrittel der US-Filmkritiken werden laut der Organisation "Women in Film" von Männern geschrieben.

Daher spricht sich Stacy Smith für eine gezielte Besetzungsförderung aus. Einer ihrer Lösungsvorschläge: mehr Regisseurinnen verpflichten. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass es dann auch mehr weibliche Rollen, mehr Geschichten über Frauen, insbesondere auch älter als 40, mehr Diversität im ganzen Team und vor allem auch mehr Frauen in Schlüsselpositionen gibt." Denn gerade auch der technisch-kreative Bereich liegt weiterhin deutlich in Männerhand. Für "Beste Kamera" gab es in der 92-jährigen Oscar-Geschichte gerade einmal eine einzige Frau unter den Nominierten. In der Kategorie "Visuelle Effekte" waren es bislang vier. 

Wenn die Oscars derart klassische Geschlechter-Stereotypen widerspiegeln, haben dann Frauen bei den "typisch weiblichen" Kategorien wie Kostümbild oder Make-up die Nase vorn? In diesem Jahr schon: In beiden Kategorien sind weit mehr Frauen nominiert. Schaut man jedoch in die Zahlen der Oscargeschichte, sind zwar beim Kostümbild mit 302 zu 221 die Frauen vorn. Bei Make-up und Hairstyling dominieren jedoch mit 168 zu 108 wieder die männlichen Kollegen.

Zwei Regie-Anwärterinnen: Pandemie sei Dank?

Wie schafften es nun gleich zwei Anwärterinnen, sich bei den Nominierungen für die "Beste Regie" durchzuschlagen? Manch ein Branchenkenner hält hier nicht die Anstrengungen der vielen Initiativen für ausschlaggebend, sondern die Corona-Pandemie. Viele Blockbuster mit Oscar-All-Stars wie Steven Spielbergs "West Side Story", Ridley Scotts "The Last Duel" oder Wes Andersens​​​​​​ "The French Dispatch" haben ihre Veröffentlichungstermine coronabedingt verschoben. Dadurch erhielten kleinere Low-Budget-Filme, die per Streaming und nicht in den Filmtheatern gestartet sind, eine viel größere Aufmerksamkeit.Da nun also die Megastudios samt gender-konservativen Filmen ein Jahr lang aussetzen, eröffnet sich 2021 eine überraschend weibliche Perspektive. So führte beim Favoriten "Nomadland" Chloé Zhao nicht nur Regie, sie schrieb auch das Drehbuch und schnitt den Film selbst. Mit Frances McDormand hatte sie zudem eine willensstarke Produzentin an ihrer Seite, die selbst auch die Hauptrolle übernahm. 

Am Set von "Promising Young Woman": Emerald Fennell ist in der Kategorie "Beste Regie" nominiert (2.v.r.)Bild: Focus Features /Everett Collection/picture alliance

Ob es ohne Pandemie und damit ohne die Konkurrenz durch Blockbuster zwei Frauen auf die Nominierungsliste in der Kategorie "Beste Regie" geschafft hätten, bleibt Spekulation. Die Aufmerksamkeit, die ihnen und den kleineren Filmen nun bei der diesjährigen 93. Verleihung zuteil wird, wird in jedem Fall Oscar-Geschichte schreiben.

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