Zu weiß, zu männlich, zu alt: Die nach viel Kritik eingeleiteten Reformen der "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" tragen nun die ersten Früchte.
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Werden die Oscars bald diverser? Wie die für die Oscarverleihung zuständige 'Academy of Motion Picture Arts and Sciences' nach einer internen Wahl bekannt gab, setzt sich ihr Vorstand von nun an aus 31 Frauen und 23 Männern zusammen. Es ist das erste Mal in der 94-jährigen Geschichte der Oscars, dass in dem für die strategische Ausrichtung der Organisation verantwortlichen 'board of governors' mehr Frauen als Männer sitzen.
Zu den neu gewählten Mitgliedern zählen unter anderem die Schauspielerin Rita Wilson, Jean Tsien, die Dokumentarfilme produziert, und die Komponistin Lesley Barbar gewählt. Und auch die Anzahl der People of Color stieg von zwölf auf 15 Personen und hat damit einen neuen Höchststand erreicht.
Möglich hatte das eine Regeländerung gemacht: Mitglieder des Vorstands dürfen nur noch zwei- anstatt dreimal hintereinander gewählt werden. Das sorgte in diesem Jahr dafür, dass viele Plätze neu besetzt werden konnten.
Die Aufgaben des Vorstands
Der Vorstand besteht aus 54 Mitgliedern. Jede der 17 Sparten der Akademie wird durch drei Mitglieder des Vorstands vertreten, die sich um die entsprechende Sparte besonders verdient gemacht haben. Dazu kommen drei Diversitätsbeauftragte, die vom Präsidenten ernannt werden.
Für die Vergabe der Academy Awards spielen die Mitglieder des Vorstands eine wichtige Rolle: Sie bestimmen die Richtlinien, nach denen Filme für den Oscar nominiert werden können und überwachen die Einhaltung dieser Regeln. Und sie sind gewissermaßen die Pförtner der Academy: Nur mit der Zustimmung des Vorstands kann man dort aufgenommen werden.
Die Academy selbst besteht aktuell aus über 9000 Mitgliedern - alle Filmschaffende, die vor ihrer Aufnahme durch den Vorstand von mindestens zwei anderen Academy-Mitgliedern aus derselben Sparte vorgeschlagen werden mussten. Nur für Oscargewinner und -nominierte gilt diese Prozedur nicht: Sie werden automatisch für die Aufnahme vorgeschlagen.
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Reformen nach Kritik
2015 war die Anzahl der Academy-Mitglieder drastisch angehoben worden, nachdem es unter dem Schlagwort #OscarsSoWhite eine intensive Debatte über fehlende Diversität bei der Oscarverleihung ging. Zu der Zeit hatte die Academy bekanntgegeben, dass 94 Prozent der damals 6000 Mitglieder weiß und 77 Prozent von ihnen männlich waren. Durchschnittsalter: 63 Jahre.
Die Academy gelobte Anfang 2016, die Anzahl der Frauen und der People of Color bis 2020 zu verdoppeln, was sie nach eigenen Angaben seit Juni vergangenen Jahres auch tatsächlich geschafft hat: Ein Drittel der Mitglieder sei jetzt weiblich und 19 Prozent Teil von unterrepräsentierten Minderheiten, hieß es damals.
Auch für ihre Königsdisziplin - die Auszeichnung zum 'Besten Film' - hat die Organisation historische Reformen angekündigt. Von 2024 an sollen neue Auflagen dafür sorgen, dass unterrepräsentierte Gruppen wie Schwarze, Latinos oder Indigene, queere Personen oder Menschen mit Behinderung bei der Preisverleihung besser repräsentiert werden.
So werden die Oscars gewählt
Es sind die Mitglieder der Academy, die Kandidaten nominieren und die Oscar-Gewinner wählen. Dabei bestimmen die Mitglieder zunächst Kandidaten aus ihrem jeweiligen Feld. Schauspieler schlagen also beispielsweise vor, wer in der Kategorie 'Beste Schauspielerin' in die Vorauswahl kommt, so wie die Komponisten unter den Academy-Mitgliedern bestimmen, wer von ihren Kollegen um den Preis der 'Besten Filmmusik' konkurrieren darf.
Nur für bestimmte Sparten wie den 'Besten Internationalen Film' oder den 'Besten Animationsfilm' gilt das nicht; hier bestimmt eine besondere Jury, wer in die Vorauswahl kommt. Und für den 'Besten Film' dürfen alle ihren Favoriten nominieren.
Die fünf Kandidaten mit den meisten Stimmen in der jeweiligen Kategorie gehen dann in die Finalrunde um den Oscar. Hier wählen jetzt alle Mitglieder der Akademie zusammen den Gewinner. Es gewinnt, wer die meisten Stimmen hat. Nur in der Kategorie 'Bester Film' gibt es wieder ein eigenes System: Das Wahlsystem sieht vor, dass die Mitglieder die Filme in eine Rangfolge bringen.
Früher war man als Mitglied automatisch ein Leben lang stimmberechtigt. Auch hier wurden 2016 die Regeln geändert; seitdem ist der Zeitraum auf zehn Jahre begrenzt und kann nur dann verlängert werden, wenn man noch in der Branche aktiv ist. Erst nach drei zehnjährigen Amtszeiten erhalten die Mitglieder ein lebenslanges Stimmrecht.
Die nächste Oscar-Verleihung findet am Sonntag, den 27. März 2022, statt.
Adaption aus dem Englischen: Matthias Beckonert
Wie viel Diversity lässt Hollywood zu?
Nach Protesten wurde die Oscar Academy reformiert: bunter, jünger, mehr Frauen und mehr Schwarze. Die Nominierungen für die Oscars 2017 lassen hoffen, dass das nachhaltige Auswirkungen auf die Preisvergabe hat.
Bild: Reuters/T. Melville
"Hidden Figures": schwarze Wissenschaftlerinnen bei der NASA
Eine dreiviertel Stunde brauchte Katherine Johnson von ihrem Arbeitsplatz zum Klo. Es ist 1962 und noch herrscht Rassentrennung in den USA. Die Afroamerikanerin muss die Toilette "for blacks" aufsuchen. Der Film erzählt die wahre Geschichte von drei schwarzen Mathematikerinnen, die maßgeblich am Apollo und Mercury-Programm der NASA beteiligt waren, mit beeindruckender Leichtigkeit und Würde.
Bild: picture-alliance/AP Photo/Twentieth Century Fox/H. Stone
"Moonlight": Erwachsen werden im Ghetto von Miami
"In Moonlight Black Boys Look Blue" ist der Titel des Theaterstücks, auf dem der oscarnominierte Film "Moonlight" basiert: Die Geschichte eines homosexuellen afroamerikanischen Mannes, der mit seiner drogensüchtigen Mutter in Miami aufwächst. Mit drei verschiedenen Schauspielern taucht das Publikum in drei Phasen seines Lebens ein: Poetisch, intensiv und authentisch.
Bild: A24/DCM
Könnte als erster Afroamerikaner den Regie-Oscar gewinnen
Barry Jenkins ist selbst in Miami aufgewachsen. In dem Theaterstück von Tarell Alvin McCraney hat er sich wieder gefunden. Der 37-jährige ist der erste afroamerikanische Regisseur, der eine Dreifach-Nominierung erreichen konnte: Beste Regie, das beste adaptierte Drehbuch und bester Film. Nun muss sich "Moonlight" nur noch gegen "La La Land" durchsetzen: Bei den Golden Globes hat es geklappt.
Bild: A24/DCM
"Fences": Rassimus im Amerika der 1950er Jahre
Die großen Träume sind gescheitert, der Alltag des Müllmanns und Familienvaters ist hart. Besonders der Sohn leidet unter den Frustrationen des Vaters, der von Denzel Washington genial verkörpert wird. Für die Darstellung könnte der 62-Jährige bereits zu dritten Mal einen Oscar gewinnen. Außerdem ist er Produzent von "Fences", der auch in der Kategorie "Bester Film" nominiert ist.
Bild: picture-alliance/AP Photo/Paramount Pictures/D. Lee
Viola Davies: es fehlt nur der Oscar
Die 51-Jährige ist zu dritten Mal für einen Oscar nominiert. Und die Chancen stehen dieses Jahr gut. Kritiker loben sie für ihre Performance als Ehefrau Rose Maxon in "Fences" über den grünen Klee. Ihre Leinwandpräsenz toppt in vielen Szenen sogar die von Schauspielkollege Denzel Washington. Schade, dass sie nur als "supporting actress" nominiert wurde, monierten einige US-Medien.
Bild: Reuters/T. Melville
"Loving": Lovestory Schwarz/Weiß
Mildred und Richard Loving - diese große Liebe begann im US-Bundesstaat Virginia. Ihr Problem: Sogenannte Mischehen waren hier verboten. Beide schlossen ihre Ehe im liberalen Washington, wurden aber bei ihrer Rückkehr des Landes verwiesen. Der Fall ging bis vors Oberste Bundesgericht - der hob das Verbot rasseübergreifender Heirat auf. Ein Meilenstein für die Bürgerrechtsbewegung.
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS.com/Focus Features
Äthiopisch-irischer Shootingstar
Für ihre Rolle der Mildred Loving wurde Ruth Negga für den Oscar nominiert. Ein Riesen-Erfolg für die 34-jährige Schauspielerin, die ab ihrem 4. Lebensjahr in Irland aufwuchs. Zur Frage, ob sie stolz sei, als schwarze Schauspielerin nominiert zu sein, meinte sie: “Unser Film ist ein Film über Amerika, nicht das schwarze Amerika. Über Amerika als Ganzes - schwarz und weiß. Das geht uns alle an"
Eine wahre Geschichte: Als Fünfjähriger lebt Saroo Brierly mit seiner Familie in ärmlichen Verhältnissen in Indien. Eines Nachts versteckt er sich zum Schlafen in einem Zug - und der fährt los, 1500 Kilometer quer durch Indien. Ohne Anhaltspunkte für den Wohnort seiner Familie wird der Junge von einer australischen Familie adoptiert. 25 Jahre später begibt er sich in Indien auf die Suche.
"I am not your negro": Doku über den Schriftsteller James Baldwin
Der Dokumentarfilm basiert auf einem unvollendeten Skript des Schriftstellers James Baldwin, das dieser den Hauptpersonen der Bürgerrechtsbewegung gewidmet hat: Martin Luther King, Malcom X und Medgar Evers. Dabei stellt er die Frage nach der Übertragung: "Ich bin ein Mann. Die Frage, die sich die Weißen in diesem Land stellen müssen ist: Warum mussten sie den Mann zum Nigger machen? "
Bild: Bob Adelman
Regisseur Raoul Peck
Gerade hat er mit seinem Film "Der junge Karl Marx" auf der Berlinale für internationale Aufmerksamkeit gesorgt. Raoul Peck stammt aus Haiti, wuchs im Kongo auf und hat sich immer wieder mit explosiven Filmstoffen beschäftigt: Von Spielfilmen über den Genozid in Ruanda bis hin zu Dokumentarfilmen die Ermordung von Lumumba.