Ost-Frau - West-Frau: Klischee oder Wirklichkeit?
7. März 2025
Waren Frauen in der kommunistischen DDR-Diktatur wirklich emanzipierter als im kapitalistischen Westen Deutschlands? Oder ist das nur ein Klischeebild, das sich spätestens mit der Wiedervereinigung 1990 erledigt hat?
Clara Marz findet es schwierig, vermeintlich allgemeingültige Antworten auf solche Fragen zu geben. Dabei hat sie zum Internationalen Frauentag eine Ausstellung zu dem Thema gestaltet: "Frauen im geteilten Deutschland". Und sie hat ein Buch mit demselben Titel geschrieben.
Die neue Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin kann wie immer als Plakat-Set bestellt werden. Im Angebot sind vier Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Zielgruppe: Schulen, Universitäten, Goethe-Institute, Botschaften. Das Konzept hat sich über viele Jahre bewährt. Auch dieses Mal gibt es schon über 500 Anfragen, die meisten stammen aus Deutschland und Europa. Aber auch Argentinien, die USA und Australien sind dabei.
"Ich komme aus Ostdeutschland"
Clara Marz hat sich dem Frauen-Thema so analytisch wie möglich genähert. Allerdings habe sie schon das Gefühl, von den weiblichen Erfahrungen in ihrer Familie geprägt worden zu seien, sagt die aus Ostdeutschland stammende Medien- und Kulturwissenschaftlerin im Gespräch mit der Deutschen Welle.
"Ich glaube, so geht es vielen Kindern und vor allem Mädchen, die mit den Erfahrungen ihrer Mütter und Großmütter groß werden", sagt die 29-Jährige. In ihrem Fall bedeutet das unter anderem, dass die Mutter als Schichtarbeiterin ihr Geld verdiente.
Berufstätige Frauen waren im Unterschied zum Westen in der DDR normal - und für die sozialistische Mangelwirtschaft waren sie auch unverzichtbar. In der alten Bundesrepublik hingegen blieben viele Frauen bis in die 1980er Jahre viel häufiger zu Hause als im Osten.
Dauerbrenner: Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Sowohl in der Ausstellung als auch im Buch mit deutschen und englischen Texten ist gut nachvollziehbar, was das bedeutete: Jeder sogenannte Volkseigene Betrieb (VEB) hatte selbstverständlich seine eigene Kita. Vereinbarkeit von Beruf und Familie - im vereinten Deutschland ist das auch heute keine Selbstverständlichkeit. Der Blick auf "Frauen im geteilten Deutschland" kann also auch die Sinne für aktuelle Probleme schärfen.
Und Clara Marz stellt fast schon verblüfft fest: Unterschiede zu Frauen aus der alten Bundesrepublik habe sie erst bewusst festgestellt, als sie an der Universität Studentinnen aus dem Westen kennengelernt habe. "Da gab es eben andere Familienverhältnisse oder Rollenbilder: dass Mütter zu Hause geblieben sind oder dass Kindergarten gar nicht so etwas Übliches war."
Rückschritte in der DDR, Fortschritte in der BRD
Ost-Frauen deshalb automatisch für emanzipierter zu halten, hält Marz aber für zu kurz gegriffen. Das sei stark davon abhängig, was man überhaupt als gleichberechtigt empfunden habe. "In der DDR drehte sich das ja ganz viel um die Berufstätigkeit und die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen." Das änderte sich nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes schlagartig. Die marode Wirtschaft im Osten führte zu Massenarbeitslosigkeit.
Westdeutschland blieb von solchen Entwicklungen verschont. Allerdings bröckelte die Dominanz der Männer schon länger. Die Frauenbewegung in den 1970er und 80er Jahren sei aber unter ganz anderen Rahmenbedingungen entstanden, betont Clara Marz: Feminismus als Kampf - laut und exzessiv. "Das gab es in der DDR so natürlich nicht", sagt die in der Hansestadt Rostock geborene Ausstellungskuratorin und Buchautorin.
Verpasste Chancen bei der Wiedervereinigung
Ostdeutsche Frauen wiederum seien nach der Wiedervereinigung enttäuscht worden, weil für sie wichtige Themen wie das liberale Abtreibungsrecht der DDR oder die flächendeckende Kinderbetreuung verlorengegangen seien. Da habe man etwas Positives für das vereinte Deutschland verpasst, findet Marz. In den vergangenen Jahren scheint die Spaltung zwischen Ost und West aus ihrer Sicht sogar wieder größer geworden zu sein.
"So ein Gefühl von: Irgendwie verstehen wir die Anderen nicht, und wir werden nicht richtig verstanden." Deshalb verbindet sie mit den Fotos, Texten und Videos über "Frauen im geteilten Deutschland" eine große Hoffnung: "Dass man in einen aktiven Austausch kommt und auch Widersprüche erkennen kann, aber vor allem zuhört. Ich glaube, das ist ganz wichtig."
8. März: Internationaler Frauentag
Der gemeinsame Rückblick kann eine Brücke in die Gegenwart sein. Im Buch zur Ausstellung erwähnt Clara Marz die vielen Gespräche mit Frauen aus dem Osten und dem Westen. Dabei seien ihr deren unterschiedliche Lebenserfahrungen bewusst geworden.
"Bei Frauen meiner Generation, den nach 1989 Geborenen, sind diese Unterschiede kaum noch erkennbar", schreibt sie. Eine Annäherung, die ohne das Ende der DDR-Diktatur und die deutsche Wiedervereinigung nie möglich gewesen wäre. Sorgen bereiten ihr hingegen die jüngsten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland.
In ihrem Buch verweist sie auf den geringen Anteil von Frauen im Bundestag, der seit Ende der 1990er Jahre kaum gestiegen ist und bis zur Wahl am 23. Februar bei 35 Prozent gelegen hat. Jetzt ist er sogar auf 32 Prozent gesunken. "Und das ist ja rein statistisch keine Gleichberechtigung", sagt Clara Marz angesichts solcher Zahlen. Und die haben nichts damit zu tun, ob jemand aus dem Osten oder Westen stammt. Dieses Problem ist ein deutsches Problem.