1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ostafrika ist heiß auf Geothermie

24. Januar 2024

Bislang hat vor allem Kenia Strom aus Erdwärme generiert. Doch auch anderswo erfreut sich die Technologie steigender Beliebtheit. Zugleich werden die Voraussetzungen immer günstiger.

Kenia Olkaria Geothermie-Kraftwerk
Aus der Leitung ganz rechts kommt heißes Wasser nach oben, das später einmal die Turbinen von Olkaria 7 antreiben sollBild: David Ehl/DW

Plötzlich tut sich ein Riss in der Erde auf. Wer schon einmal von Nairobi auf der Schnellstraße nach Westen gefahren ist, vergisst diesen Anblick nicht so schnell: Das Hochplateau endet abrupt und linkerhand geht es steil bergab ins Rift Valley. Hier reißt tatsächlich die Erde auf - doch bis die somalische Platte so weit abdriftet, dass das Tal mit Meerwasser geflutet wird, wird es noch ein paar Hunderttausend, wenn nicht Millionen Jahre dauern.

Erst einmal kann hier noch klimafreundlicher Strom erzeugt werden, denn entlang des 6000 Kilometer langen Ostafrikanischen Grabenbruchs ist die Erdkruste besonders dünn und der Weg zu heißeren Schichten kurz. Von Eritrea bis Mosambik zieht sich ein Band, das sehr gute Voraussetzungen für Geothermie bietet.

Was ist Geothermie?

02:40

This browser does not support the video element.

Allein Kenia rechnet mit 10.000 Megawatt Potenzial

"Die Länder mit dem höchsten Potenzial sind eindeutig Kenia und Äthiopien", sagt der Vulkanologe Jacques Varet, der kurz vor seinem 80. Geburtstag immer noch regelmäßig als Berater für Geothermie-Projekte in der Region unterwegs ist. "Äthiopien hat lange hauptsächlich auf Wasserkraft gesetzt. In Kenia hingegen nutzt man das Potenzial dafür zwar auch, aber sie haben schon lange in Geothermie investiert." In Äthiopien läuft seit 1998 ein verhältnismäßig kleines Geothermie-Kraftwerk. Dort und in anderen Ländern sind weitere in Entwicklung - das alles ist aber kein Vergleich zum großen Vorreiter Kenia.

Im Rift Valley befindet sich das Geothermiekraftwerk Olkaria, das eigentlich aus mehreren Kraftwerken besteht, die sich über ein rund 200 Quadratkilometer großes Gebiet verteilen. Seit der ersten Inbetriebnahme 1981 wurde die Anlage immer wieder erweitert, sodass hier heute fast 900 Megawatt Leistung installiert sind. Diesen Wert will die Regierung bis Ende des Jahrzehnts verfünffachen - Geothermie spielt eine tragende Rolle beim Plan, ab 2030 nur noch saubere Energie zu produzieren. Insgesamt rechnet man in Kenia mit einem Geothermie-Potenzial von rund 10.000 Megawatt.

Aus einer Apparatur in der Größe eines Kleinwagens schießt weißer Wasserdampf in dichten Schwaden hervor. Anna Mwangi, Geologin beim größtenteils staatlichen Stromproduzenten KenGen, schreit gegen das Getöse an: "Das ist ein Bohrloch, das wir testen - hier sieht man das Hauptventil." Sie zeigt auf eine metergroße Öffnung im Boden: "Das ist das eigentliche Bohrloch. Die Flüssigkeit wird von dort horizontal in einen Schalldämpfer geleitet. Aber worum es geht, ist, das Bohrloch zu testen."

Die Energie aus dem Bohrloch soll einer geplanten neuen Kraftwerkserweiterung zugeführt werden, Olkaria 7. Durch das Rohr strömt ein mehrere hundert Grad heißes Gemisch aus Wasser, Mineralien und anderen Stoffen aus einer Tiefe von bis zu drei Kilometern hervor. Es wird durch Rohrleitungen zu einer Turbine transportiert werden, dort einen Teil seiner Energie abgeben und anderswo wieder unter die Erde eingeleitet werden. Die Turbine treibt einen Stromgenerator an - und weil bei dem ganzen Prozess so gut wie keine Treibhausgase freigesetzt werden, erfüllt die Geothermie die Voraussetzungen für saubere Stromerzeugung.

Anna Mwangi an ihrem Arbeitsplatz - alle Dampfsäulen im Hintergrund gehören zum Geothermie-Kraftwerk OlkariaBild: David Ehl/DW

Teure Bohrlöcher, hohes Risiko

322 solcher Bohrlöcher gibt es in Olkaria; im Schnitt rechnet KenGen pro Bohrung mit Kosten von 6 Millionen US-Dollar, erklärt Anna Mwangi der DW: "Manchmal, wenn alles glatt läuft, kommt man auch mit vier Millionen aus. Aber wenn man unterirdisch auf Schwierigkeiten stößt, kann es auch 7 oder 8 Millionen kosten."

Dafür werden spezielle Erdbohrer benötigt, wie sie sonst nur im Bereich der fossilen Energien genutzt werden. Weil weltweit weniger nach Öl gebohrt wird als noch vor wenigen Jahrzehnten, sei die Tagesmiete dafür günstiger geworden, sagt Antony Karembu von der Afrikanischen Entwicklungsbank AfDB: "Aber das Problem ist nach wie vor: Hat eine Regierung oder ein Privatunternehmen genügend Kapital für einen Bohrer? Denn das ist die einzige Möglichkeit, um das Potenzial einschätzen zu können: Man muss bohren."

Bundeskanzler Scholz im Mai 2023 in Olkaria - im Gepäck hatte er einen 45-Millionen-Euro-Kredit der KfW zur Modernisierung der älteren KraftwerksblöckeBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Für Geothermie-Newcomer ist es dadurch anfangs sehr schwer, die Wagniskosten zu finanzieren. Kenias Regierung gründete deshalb 2008 die staatliche Geothermie-Entwicklungsfirma GDC - aus Karembus Sicht vor allem ein Vehikel, mit dem der Staat das finanzielle Risiko übernahm. "Das Kapital für Probebohrungen kam traditionell aus öffentlichen Geldern", sagt Karembu der DW. Heute sprängen auch Entwicklungspartner wie sein Arbeitgeber, die AfDB, in die Bresche. Die Afrikanische Union betreibt sogar einen eigenen Fonds, der die finanziellen Risiken von Geothermie-Projekten tragen soll, unter anderem ausgestattet mit Geldern der deutschen Entwicklungsbank KfW, erläutert Karembu: "Sie stellen Privatunternehmen Förderzuschüsse für Erkundungsbohrungen bereit."

Burundi, Komoren, Sambia, Uganda - alle wollen Geothermie

Es wird also allmählich einfacher auch für andere Länder der Region, in die Technologie einzusteigen. Für den langjährigen Geothermie-Berater Varet hat Kenia aber noch an anderer Stelle die Nase vorn: "In Kenia sind die Wissenschaftler auf einem sehr hohen Niveau - Ingenieure, Vulkanologen und so weiter. Es gibt nicht so viele von ihnen in Äthiopien, obwohl dort das Potenzial so hoch ist."

Das bringt Kenia in die komfortable Lage, dieses Wissen in der gesamten Region anbieten zu können. Antony Karembu arbeitete selbst eine Zeit lang beim Stromproduzenten KenGen, das heute auch Erkundungsbohrungen, Bodenanalysen et cetera im afrikanischen Ausland durchführt: "Sie haben es geschafft, die Expertise im Unternehmen aufzubauen und in Ländern wie den Komoren oder Dschibuti einzusetzen. Ein gutes Beispiel ist Äthiopien, wo das privatwirtschaftliche Projekt Tulu Moye KenGen mit den Bohrungen beauftragt hat." Auch Burundi, Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda planen den Einstieg in die Technologie.

Bohrung im Geothermiekraftwerk Aluto-Langano: In Äthiopien wird das Potenzial für Geothermie wird erst allmählich genutztBild: KenGen

Insgesamt sei die Bereitschaft zu riskanteren Investitionen gewachsen, sagt Karembu. Die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) gibt den sogenannten Kapazitätsfaktor für Geothermie mit über 80 Prozent an - der Wert bemisst, wie verlässlich eine Stromquelle im Zeitverlauf tatsächlich liefert. Zum Vergleich: Bei Solarenergie rechnet IRENA mit unter 20 Prozent. Wohl auch deshalb wird Geothermie in den Ländern des Afrikanischen Grabenbruchs immer begehrter.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen