1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikJapan

Ostasien: Disput über das US-Raketensystem "Typhon"

21. September 2025

Bei einer gemeinsamen Militärübung haben die USA eine neue Raketenstartrampe in Japan getestet. Zwar soll sie nach der Übung nicht dort stationiert bleiben, doch China fühlt sich bedroht.

Japan Iwakuni 2025 | US-Marines demonstrieren Typhon-Raketensystem bei Militärübung
US-Marines demonstrieren das "Typhon"-System in Japan (15.09.2025)Bild: Tim Kelly/REUTERS

Sie ist mobil, lässt sich rasch auf einem Lkw-Sattelauflieger transportieren und mit unterschiedlichen Marschflugkörpern bestücken, die eine Reichweite von bis zu 2000 Kilometern haben: die neue US-Raketenstartrampe des Typs "Typhon", eigens entwickelt für den Einsatz im indopazifischen Raum. Die Reichweite der Raketen des US-Heers konnte bislang nicht mit jener der Raketen von US-Marine und US-Luftwaffe mithalten. Dank des neuen landbasierten Systems ist das nun möglich.

"Typhon" werde jetzt zum ersten Mal in Japan eingesetzt, bestätigten die sogenannten Selbstverteidigungsstreitkräfte Japans. Allerdings werde keine Rakete vom "Typhon" aus abgefeuert. Seit 11. September führen die Armeen Japans und der USA eine gemeinsame Militärübung um die japanischen Inseln Kyushu und Okinawa durch. Japan erhoffe sich dadurch die Erhöhung seiner Defensivkraft. An der zweiwöchigen Übung "Resolute Dragon" nehmen rund 19.000 Soldaten aus beiden Ländern teil.

Japan rüstet auf, aber wo sind die Rekruten?

26:06

This browser does not support the video element.

Doch selbst im passiven Zustand erregt das Typhon-System in Peking erheblichen Unmut. Das chinesische Außenministerium forderte die USA und Japan auf, das Raketensystem "unverzüglich" abzuziehen.

Reaktion auf massive Aufrüstung Chinas

Das "Typhon"-System sei eine Reaktion der Sicherheitsverbündeten der USA und Japans auf die kontinuierliche Aufrüstung Chinas, sagt die Ostasien-Wissenschaftlerin Alexandra Sakaki der Berliner Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im DW-Gespräch. Schätzungen zufolge hat China jüngst den Bestand landgestützter ballistischer Mittelstreckenraketen kräftig ausgebaut, mit rund 1800 Trägerraketen und ebenso vielen Marschflugkörpern.

Anfang September zeigte China auf der Militärparade die Interkontinentalrakete des Typs DF-5C - sie hat eine Reichweite von bis zu 15.000 Kilometern Bild: China Daily/Reuters

Eine Mittelstreckenrakete hat nach unterschiedlichen Definitionen in der Regel eine Reichweite von 800 bis 5500 Kilometern. Nach dem Ende des Kalten Kriegs hatten die USA und die UdSSR, später Russland, den Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen (Intermediate Rate Nuclear Forces, kurz INF) unterzeichnet. Demnach verpflichteten sich beide Länder, die bodengestützten Nuklearraketen mit kurzer und mittlerer Reichweite zu vernichten.

"Dies hat zu einer Fähigkeitslücke geführt, die man nun mit dem neuen System 'Typhon' zumindest verkleinern und damit die gesamte Abschreckungsarchitektur verbessern würde", sagt SWP-Expertin Sakaki. 2019 wurde der INF-Vertrag von beiden Seiten aufgekündigt. Die USA und Russland hatten sich gegenseitig Vertragsbruch vorgeworfen.

Ein neues atomares Wettrüsten ist im Gang

11:41

This browser does not support the video element.

Wettrüsten in Ostasien

Die US-Armee hatte schon vor der Übung angekündigt, das "Typhon"-System nach der Übung aus Japan wieder abzuziehen. Doch China befürchte, dass dies nicht der Fall sein werde, sagt Johann Fuhrmann, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking.

Die Sorgen sind nicht unbegründet. Die baugleiche Startrampe war schon mal bei einer Militärübung zwischen den USA und den Philippinen im April 2024 auf der Inselgruppe Luzon getestet worden. Nach lokalen Presseberichten wurde sie jedoch nicht wie angekündigt abgezogen. Im Juni 2025 haben die Philippinen erklärt, sie seien offen für die Stationierung eines zweiten "Typhon"-Systems vom US-Hersteller Lockheed Martin.

"Nun hat China die Sorge, dass das sich in Japan wiederholen könnte", sagt Fuhrmann. Vom US-Militärstützpunkt auf der japanischen Insel Okinawa aus könnte eine Mittelstreckenrakete mit der Startrampe "Typhon" die größten chinesischen Küstenmetropolen wie Shanghai, Hangzhou oder Guangzhou erreichen. Peking fühlt sich bedroht.

Das "Typhon"-System sei ein Allrounder und kompatibel mit unterschiedlichsten Raketen, schwärmte Wade Germann, Kommandeur der US-Einheit für "Typhon", in Japan. Auch die deutsche Bundesregierung hat im Juli eine Kaufanfrage für die Präzisionswaffe "Typhon" zur Abschreckung platziert. Die USA prüfen jetzt, ob sie das Waffensystem an Deutschland liefern wollen. Was der Raketenwerfer kostet, ist unklar.

Japanische Medien berichten, dass das aktuelle "Typhon"-System auf dem japanischen Boden direkt aus den USA eingeflogen worden sei.  Es handele sich nicht um den Raketenwerfer, der bereits auf den Philippinen stationiert ist.

Thitu Island: Zankapfel zwischen Peking und Manila

04:41

This browser does not support the video element.

Japan will kriegstüchtig werden

Tokio will seine Gegenangriffsfähigkeit verbessern und entwickelt derzeit neue Waffensysteme. So sollen der Radius und die Funktionalität der japanischen Schiffs­abwehr­rakete vom Typ 12 verbessert werden, so Expertin Sakaki in einer SWP-Studie. Bis 2027 will sich Japan mehrere amerikanische Tomahawk-Marschflugkörper mit einer Reichweite von rund 1600 Kilometern an­schaffen. Der Listenpreis von einem Stück Tomahawk liegt zwischen einer halben und zwei Millionen US-Dollar. 

Damit hätte Japan erstmals Raketen, die auch das chinesische Territorium treffen können - zum Beispiel im Kriegsfalle, wenn Peking die aus seiner Sicht abtrünnige Provinz Taiwan militärisch angreifen würde. "Die Raketen in Japan können daher die Abschreckung für Taiwan gegenüber China stärken", sagt Alexandra Sakaki.

(Archiv) Besucher des Yasukuni-Schreins in Tokio verkleiden sich als Soldaten, um der Kriegsgefallenen zu gedenkenBild: Eugene Hoshiko/AP/picture alliance

In Japans Augen setze China seit der Präsidentschaft von Xi Jinping 2013 seine geopolitischen Interessen nicht nur durch wirtschaftlichen Druck, sondern auch zunehmend mit militärischen Mitteln durch, sagt Johann Fuhrmann. Im Südchinesischen Meer wurden zum Beispiel mehrere künstliche Inseln gebaut, auf denen Soldaten stationiert sind. Die territoriale Zugehörigkeit der Gewässer ist umstritten. "Letztlich will China die USA aus den Regionen zurückdrängen, die Peking als seine eigene Einflusssphäre betrachtet. Das sieht man auch in Japan mit Sorge."

Japan und die USA sind seit 1951 durch einen gemeinsamen Sicherheitsvertrag verbunden, der eine Beistandspflicht der USA vorsieht, wenn Japan angegriffen wird. Mit einer Zusatzvereinbarung 2015 würden beide Länder auf sicherheitsrelevante Situationen reagieren, die sich "nicht geografisch definieren lassen".

Rivalität nach dem Krieg unversöhnbar

Das politische Vertrauen zwischen China und Japan kann auch 80 Jahre nach Kriegsende nicht wieder hergestellt werden. Japan sieht in China eine zunehmende Bedrohung. China wirft Japan mangelnde Bereitschaft zur Vergangenheitsbewältigung vor.

Peking und Tokio streiten im Ostchinesischen Meer um die unbewohnten Senkaku-/Diaoyu-Inseln. Diese stehen derzeit unter japanischer Verwaltung. "China geht mit Japan in keinen Dialog", sagt SWP-Expertin Sakaki, "vielmehr möchte es seine eigene Sicht verbreiten und Nationalismus im Lande schüren".  Auch in Japan ist der Rechtsruck zu spüren. Die rechtspopulistischen Parteien hatten bei der Parlamentswahl im Sommer deutlich an Unterstützung gewonnen.

Tatsächlich sei die Erinnerungskultur chinesischer Art eng mit Pekings Expansionskurs verbunden, sagt Johann Fuhrmann. Die Militärparade zum Kriegsende Anfang September sei vor allem eine enorme Machtdemonstration gewesen. "So gesehen ist die militärische Machtdemonstration der USA durch die Einbindung eines Typhon-Raketensystems womöglich kein Zufall."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen