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Politik

Rechtsextreme Hochburgen in Ostdeutschland

Richard A. Fuchs
18. Mai 2017

Die Zahl rechtsextremer Straftaten in Ostdeutschland ist hoch. Eine neue Studie zeigt: Rechte Gewalt gedeiht in strukturschwachen Regionen mit schwacher Zivilgesellschaft. Kritik gab es für Sachsen, Lob für Thüringen.

Deutschland Asylgegner Demo in Heidenau
Bild: imago/C. Mang

Warum häufen sich rechtsextreme Gewalt und fremdenfeindliche Proteste vor allem in Ostdeutschland? Eine neue Studie im Auftrag der Bundesregierung hat untersucht, welche Faktoren derlei rechtsextreme Strömungen begünstigen. Bei der Vorstellung in Berlin betonte die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, die Notwendigkeit der Untersuchung: "Es gibt in gewissen Regionen im Osten eine historisch gewachsene Neigung zu Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremem Denken, die in der politischen Debatte nicht einfach beiseite gewischt werden dürfen."

Das Forscherteam um Franz Walter stellte klar, dass es nicht darum gehe, Ostdeutschland unter Generalverdacht zu stellen. "Es wäre verfehlt, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und fremdenfeindliche Übergriffe als ein primär ostdeutsches oder gar vor allem sächsisches Problem zu verorten." Auch in den alten Bundesländern gebe es zweifellos regionale Ballungen rechter Einstellungen. Dortmund ist ein solches Beispiel.

Erfahrungen mit der DDR, ohne Ausländer

Die Studie vom Göttinger Institut für Demokratieforschung kommt zu dem Schluss, dass einige Faktoren das Entstehen einer rechten Gesinnung besonders in strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands begünstigen. Dazu zählen die Autoren der Studie die Sozialisierung in der "durchherrschten Gesellschaft" der DDR, ein weit verbreitetes "Gefühl der kollektiven Benachteiligung" sowie fehlende Erfahrungen mit Ausländern.

Auch mangelnde wirtschaftliche Perspektiven und eine weit verbreitete Skepsis gegenüber den staatlichen Strukturen verstärkten diesen Trend. Ebenso ein Gefühl der Vereinzelung, das durch den Zusammenbruch vieler Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen nach der Wende begründet worden sei.

Ostbeauftragte Iris Gleicke (SPD) kämpft in ihrer Heimat Südthüringen oft selbst gegen Neonazi-AufmärscheBild: picture alliance/dpa/M. Gambarini

Für die Studie untersuchten die Forscher zwei Regionen näher: einerseits Dresden und sein Umland, das durch rechtsextreme Umtriebe im Sommer 2015 in Städten wie Freital und Heidenau traurige Berühmtheit erlangt hat. Außerdem nahmen die Forscher den Erfurter Stadtteil Herrenberg unter die Lupe. Herrenberg in der thüringischen Landeshauptstadt ist seit langem für eine besonders aktive rechte Szene bekannt. Die Studie beruht auf Beobachtungen der Forscher sowie über 40 Einzelinterviews mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft.

Abschreckende Zustände für ausländische Investoren

Die Thüringerin Iris Gleicke, die auf ihren Social-Media-Kanälen immer wieder als "Nestbeschmutzerin" beleidigt und bedroht wird, hob hervor: "Rechtsextremismus ist nicht allein ein Ost-West-Problem, sondern auch ein Stadt-Land-Problem." Für Gleicke, die im Wirtschaftsministerium als Staatssekretärin arbeitet, ist der Kampf gegen Rechts deshalb auch eine Frage der wirtschaftlichen Zukunft Ostdeutschlands. "Wer soll denn einen ausländischen Investor in eine Region locken, wenn es dort zu fremdenfeindlichen Auseinandersetzungen kommt?", fragt sie. 

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) stellte sich den Rechtsextremen der Legida-Bewegung entgegenBild: picture alliance/dpa/P. Endig

Dabei müsse man sich ehrlich machen, auch mit den unangenehmen Seiten der eigenen Geschichte, sagt Gleicke. Die Studie spricht von einer weit verbreiteten "selektiven Erinnerungskultur", in der das Bild der DDR "verklärt und romantisiert" werde. Das gelte auch für den Umgang mit Migranten, erläutert Studienautor Michael Lühmann. In vielen Köpfen habe sich ein Bild von einer DDR-Migrationspolitik festgesetzt, das Migranten "als Gäste mit begrenztem Aufenthaltsstatus" betrachte. Dies und der Mangel an persönlichen Kontakten zu Migranten wirke bis heute nach.

Sachsenstolz: Eigene Identität überhöhen, Abwehrreflexe gegen Andere kultivieren

Viele Ostdeutsche fühlten sich zudem gegenüber Westdeutschland strukturell benachteiligt und allzu oft in die "rechte Ecke" gedrängt. Das könne im Extremfall, wie es die Studienautoren besonders in Sachsen beobachten, zu einer "Überhöhung" der eigenen regionalen und ostdeutschen Identität führen. Der "Sachsenstolz", der eine positive Verwurzelung in der Heimat ausdrückt, könne sich daher auch gegen Zuwanderer wenden. Vor allem in Sachsen wirke demnach "eine spezifische, von den dortigen Vertretern der CDU dominierte politische Kultur", die "das Eigene überhöht und Abwehrreflexe gegen das Fremde, Andere, Äußere kultiviert", heißt es weiter.

Die Studie wirft Sachsens Regierung unter Stanislaw Tillich (CDU) zu wenig Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit vorBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Für die Ostbeauftragte ist deutlich: Gerade in Sachsen hätte die Landespolitik zu oft vor dem Problem die Augen verschlossen. Und es hätte zu wenig Engagement für jene zivilgesellschaftlichen Gruppen gegeben, die Gesicht gegen die braunen Umtriebe zeigten. "Wo nicht widersprochen wird, geht rechte Hetze weiter", sagt Gleicke.

Dass es auch anders geht, beobachtet die Studie im Nachbarland Thüringen. Dort könne man beobachten, dass die "Landes- und in Teilen auch die Kommunalpolitik deutlich andere Akzente setzt". Ein Umsteuern sei demnach ebenso "möglich wie notwendig". Die Forscher zählen vor allem Jena, Leipzig und Hoyerswerda zu den Städten, die mit Erfolg die rechte Gesinnung aus dem öffentlichen Leben wieder zurückgedrängt hätten.

Ein "Sachsenstolz", der sich gegen Fremde wendet?Bild: picture-alliance/dpa/Ch.Charisius

Weiter heißt es: "Eine offene Auseinandersetzung über die Diagnose 'sächsische Demokratie' und eine Regierungspartei, die Probleme nicht mit Sachsenstolz übertüncht, sondern sich ihrer annimmt, wäre ein erster Schritt."

Kritik von der Linkspartei

Die Ostbeauftragte bat die Studienautoren, ihre Untersuchung fortzuführen, indem sie positive Beispiele im Kampf gegen den Rechtsextremismus bekannter machen. "Lösungsvorschläge mit erhobenem Zeigefinger und Belehrungen vom grünen Tisch aus dem vermeintlich so viel weltoffeneren Westen der Republik sollten tunlichst unterbleiben", warnte die Staatssekretärin. Strukturschwache Regionen im Osten müssten gezielt gefördert werden: "Einen Rückzug des Staats aus ganzen Landstrichen darf es nicht geben." 

Kritik an der Studie kam von der Linken. Der Verweis auf die Sozialisierung der Ostdeutschen in der DDR sei "völlig überzogen", sagte Linken-Chefin Katja Kipping der Nachrichtenagentur AFP. Daraus lasse sich "beim schlechtesten Willen keine Ursache für einen gesellschaftlichen Rechtsruck momentanen Ausmaßes konstruieren".

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