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Politik

Osten hat 75 Prozent Wirtschaftskraft

21. September 2019

Gute Nachrichten oder "Lobhudelei"? Ein neuer Bericht zum Stand der deutschen Einheit sorgt für Widerspruch, noch ehe er veröffentlicht ist. Das Papier listet Fortschritte auf - enthält aber auch alarmierende Zahlen.

Deutschland Statoren für Elektromaschinen in Sachsen-Anhalt
Tonnenschweres Motorbauteil: Arbeit an einem Stator im Pamo-Reparaturwerk in Bitterfeld in Sachsen-Anhalt (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/W. Grubitzsch

Die Wirtschaftskraft der ostdeutschen Bundesländer sei von 43 Prozent im Jahr 1990 auf 75 Prozent des westdeutschen Niveaus im Jahr 2018 gestiegen, heißt es laut Medien im Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit. Dies entspreche nahezu dem Durchschnitt der Europäischen Union. Die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) zitieren aus dem noch unveröffentlichten Papier.

Mechatroniker der rmw Kabelsysteme in Crossen im thüringischen Saale-Holzland-Kreis (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/J.-P. Kasper

Ein noch besseres Bild ergibt sich demnach bei der Angleichung von Löhnen, Gehältern und den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte. Hier liege der ostdeutsche Wert inzwischen bei 85 Prozent des Westniveaus. Berücksichtige man die in östlichen Bundesländern oftmals niedrigeren Lebenshaltungskosten, sei der Abstand sogar geringer.

Viel weniger Arbeitslose als 2005

Auch auf dem Arbeitsmarkt zeige sich eine zunehmend positive Entwicklung, so der Bericht, den das Bundeskabinett am Mittwoch beraten soll. In den neuen Ländern sei die Arbeitslosenquote überproportional stark zurückgegangen - von 18,7 Prozent im Jahr 2005 auf 6,4 Prozent im August 2019. Im Westen habe es im gleichen Zeitraum einen Rückgang um lediglich fünf Prozentpunkte gegeben.

Luxus unter der Lupe: Uhrenfertigung bei Nomos in Glashütte im sächsischen Osterzgebirge (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Negativ wirkten sich allerdings die Abwanderung vor allem junger, gut qualifizierter Kräfte und der starke Geburtenrückgang zu Beginn der 1990er Jahre aus. Der Fachkräftemangel in Ostdeutschland wachse: "Von Arbeitsmigration aus dem Ausland profitiert der Westen bislang weit mehr als der Osten Deutschlands", zitiert das RND aus dem Papier.

Die Regierung zieht in dem Bericht eine positive Bilanz der Entwicklung seit 1989: "Das Zusammenwachsen Deutschlands und die Angleichung der Lebensverhältnisse sind seither weit vorangekommen." Gehe es um politische Fragen, sei in den neuen Ländern jedoch Unzufriedenheit spürbar. "So fühlen sich laut einer jüngst für die Bundesregierung durchgeführten Umfrage 57 Prozent der Ostdeutschen als Bürger zweiter Klasse", heißt es in der Kabinettsvorlage.

Wiedervereinigung misslungen?

"Die Wiedervereinigung halten nur rund 38 Prozent der Befragten im Osten für gelungen." Bei Menschen unter 40 Jahren seien es sogar nur rund 20 Prozent. Knapp die Hälfte der Menschen im Osten sei eher unzufrieden mit der Funktionsweise der Demokratie.

Luxus unter Roboter-Armen: Porsche-Werk in Leipzig (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, kritisierte den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit als "Lobhudelei". Natürlich sei viel geleistet worden, von Ost- und Westdeutschen, sagte Bartsch den RND-Zeitungen. Aber dass nach 30 Jahren Ostdeutsche weiterhin länger arbeiten müssten und dafür weniger Geld bekämen, sei nicht akzeptabel. "Es bleibt viel zu tun."

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sagte dem RND, die "besorgniserregenden" Zustimmungswerte für die Demokratie in Ostdeutschland gingen auch auf Versäumnisse der Bundesregierung zurück: "Menschen in abgehängten Regionen vertrauen keinem Staat, der sie augenscheinlich vergessen hat."

jj/hf (afp, rnd)

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