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Osteuropa nach den Anschlägen in Brüssel

Rosalia Romaniec24. März 2016

Auch in Osteuropa waren die ersten Reaktionen auf die Anschläge in Brüssel von Anteilnahme geprägt. Dort unterscheidet man aber nicht zwischen Flüchtlingen und Terroristen. Fakten spielen dabei keine große Rolle.

Demonstration der rechtsextremen Partei Nationale Bewegung in Warschau (Foto: picture-alliance/dpa/J. Dabrowski)
Demonstration der rechtsextremen Partei Nationale Bewegung in WarschauBild: picture-alliance/dpa/J. Dabrowski

Zuerst waren Worte des Mitgefühls für das belgische Volk zu hören. In Warschau, Prag und anderen Hauptstädten Mittel- und Osteuropas zeigte man sich bestürzt über die Anschläge. "Alle Werte, die wir als Fundament für den Bau einer Gemeinschaft erachten, beginnen in Trümmern zu liegen", sagte dann die polnische Premierministerin Beata Szydło und es klang betroffen, aber auch irgendwie so, als hätte sie noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Und tatsächlich: Kaum 24 Stunden später verkündete Szydło, dass sie derzeit keine Möglichkeit sehe, "dass Flüchtlinge nach Polen kommen". Dabei sollten bis Ende März die ersten 100 Syrer eintreffen, fürs ganze Jahr waren 400 geplant. Die Vorgängerregierung verpflichtete sich 2015, bis zu 11.500 Menschen aufzunehmen, die neue Regierung wollte sich daran halten - versicherte sie auch gegenüber Berlin.

Beata Szydlo: "Keine Flüchtlinge nach Polen"Bild: Imago/newspix

Der Rückzieher ist als Mangel an Solidarität zu werten - finden Experten. "Bei der bescheidenen Zahl von 400 Flüchtlingen im Jahr braucht keiner zu fürchten, dass Pararellgesellschaften entstehen könnten", meint Kai-Olaf Lang, ein Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Dass Polen so schnell den Rückwärtsgang einlegt, zeigt eher, dass die Anschläge als Vorwand genutzt würden, meint Lang.

Osteuropa tickt anders

Polen ist keine Ausnahme, denn "die Osteuropäer fühlen sich durch die Terroranschläge in Brüssel in ihrer Annahme bestätigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Immigration von Flüchtlingen und der Terrorgefahr gäbe“, sagt der Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Reaktionen aus allen Visegrad-Staaten und darüber hinaus bestätigen die Meinung.

In Budapest ließ Außenminister Peter Szijjarto über die staatliche ungarische Nachrichtenagentur verlauten, die Terrorgefahr sei wegen der unkontrollierten illegalen Einwanderung gestiegen. Sogar in der offiziellen Erklärung der FIDESZ-Fraktion heißt es: "Europa bezahlt nun für seine Politik mit dem Leben seiner Bürger."

Boiko Borissov: "Es ist unmöglich, Terroristen zu integrieren"Bild: picture alliance/Photoshot

"Solche Aussagen sollen einerseits innenpolitisch provozieren, andererseits sind sie auch ein Signal in Richtung Berlin und Brüssel", findet Jakob Wöllenstein von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Berlin. Das Gefühl, Recht zu haben, kommt gerade in Ungarn nicht von ungefähr, meint der Experte. "Das Land hat von Anfang an auf die Sicherheitspolitik in der Flüchtlingsdebatte hingewiesen und fühlt sich jetzt mehr als bestätigt", sagt Wöllenstein. Er betont, dass die Regierungen in der Region ausblenden, dass der Bezug zwischen Flüchtlingen und Anschlägen in Brüssel gar nicht existiert - denn alle drei Attentäter sind in Belgien geboren.

Auch in Tschechien und der Slowakei trennt man nicht so richtig zwischen Flüchtlingen und Terroristen, ebenso wie in Bulgarien. In Sofia hetzt der bulgarische Premierminister Boiko Borissov nach den Anschlägen gegen die Flüchtlinge: "Es ist unmöglich, Terroristen zu integrieren". Es sei "nicht fair, dass Europa Milliarden für diese Leute zahlt und sie schlagen uns direkt ins Herz", sagt er. Die heftige Reaktion Bulgariens könnte man noch damit erklären, dass das Land eigene Erfahrungen mit islamistischem Terror machte. Im Sommer 2014 hatte sich ein libanesischer Selbstmordattentäter in einem mit israelischen Touristen besetzten Reisebus am Flughafen von Burgas in die Luft gesprengt. Es gab sieben Tote und mehr als 30 Verletzte.

Signale nach innen

Auch deshalb führte Sofia, das sich eigentlich um die Aufnahme in den Schengener Raum bemüht, mittlerweile totale Grenzkontrollen ein und erhöhte deutlich die Polizeipräsenz. Andere Länder haben diese Erfahrungen kaum und auch die Zahl der Flüchtlinge ist dort überschaubar. Dennoch wurden sofort zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. In Ungarn und Tschechien setzte man die Sicherheitsstufe herauf. Prag erhöhte die Polizeipräsenz in der Nähe der Atomkraftwerke von Templin und Dukovany und setzte dafür auch die Armee ein. In Polen, Rumänien, sowie in der Slowakei wurde binnen Stunden deutlich mehr Polizei sichtbar - vor allen an Flughäfen, Bahnhöfen, in der Metro oder in der Nähe von diplomatischen Vertretungen.

Mit den Maßnahmen wollten alle Regierungen in Mittel- und Osteuropa vor allem ein Signal nach innen senden: Der Staat sorgt für die Sicherheit der Bürger. "Viele in der Region stellen es so dar, als könnten sie es national lösen, was aber unrealistisch ist", meint Jakob Wöllenstein von der KAS. Der Übergang zwischen der Innen- und Außenpolitik bei diesen Themen sei immer fließend, sagt er.

Ein Europa, zwei Welten

"Die Reaktionen der Osteuropäer resultieren aus zwei gegenseitigen Narrativen in Europa", meint Kai-Olaf Lang. "Die Westeuropäer wollen ihre offene Gesellschaft erhalten und sich nicht durch die Terroristen zu allzu großen Sicherheitsmaßnahmen zwingen lassen - dafür sind sie bereit, ein gewisses Sicherheitsrisiko zu akzeptieren", sagt Lang. In Osteuropa täte man dagegen alles, um überhaupt nicht dahin zu kommen, meint der Experte. Dort seien Regierungen vom eigenen Standpunkt fest überzeugt, zumal sie in dieser Frage auch genug skeptische Bürger hinter sich haben, erklärt Lang.

Kai Olaf Lang: "Osteuropäer sehen einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und der Terrorgefahr"Bild: DW

Das wird in sozialen Netzwerken dieser Länder allemal sichtbar. Aber auch in Parlamenten, wie zuletzt in der Slowakei. Dort sitzen seit wenigen Tagen unter den 150 Abgeordneten erstmals auch 14 Rechtsextremisten. Der neue-alte slowakische Premierminister Fico - für seine ablehnende Haltung gegenüber moslemischen Einwanderern hinlänglich bekannt - will bald weitere Zeichen in der Flüchtlingsdebatte setzen. Sein Land wird ab Juli 2016 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

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