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OSZE-Konferenz gegen Menschenhandel in Berlin

16. Oktober 2001

Menschenhandel ist fast immer Frauenhandel - Wirtschaftliche Misere als Ursache für brutale und verabscheuungswürdige Form der Menschenrechtsverletzung.

Bild: AP

"Genug geredet, jetzt ist es Zeit, zu handeln." Mit diesen Worten hat der rumänische Außenminister und amtierende OSZE-Vorsitzende Mircea Geoana die europäische Konferenz gegen Frauenhandel in Berlin eröffnet. Zwei Tage lang beraten 200 Experten aus 50 OSZE-Ländern über Maßnahmen gegen den Menschenhandel in Europa. Der Menschenhandel, der fast immer Frauenhandel ist, sei eine besonders brutale und verabscheuungswürdige Form der Menschenrechtsverletzung, sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer zur Eröffnung der Konferenz. Zurecht werde er daher eine moderne Form der Sklaverei genannt. Dass er in den letzten Jahren so alarmierende Formen angenommen habe, sei auf die Veränderungen zurückzuführen, die Europa seit 1989 erlebt habe.

"Das Ende der europäischen Teilung hat die Grenzen geöffnet und vielen Menschen die Freiheit und die Aussicht auf ein Leben in Frieden und Sicherheit gebracht. Es hat aber auch in vielen Ländern zu tiefen inneren Krisen, bitterer Armut und Perspektivlosigkeit und der Auflösung von politischen und gesellschaftlichen Strukturen geführt, die dem organisierten Verbrechen in all seinen finsteren Ausformungen ungewollte Freiräume eröffnet."

Deutschland Transitland für Menschenhändler

Deutschland ist nicht nur Transitland für die Menschenhändler. Es ist auch Zielland. Die Nachfrage nach sexueller Dienstleistung ist groß und wird in erster Linie durch Frauen aus Ost- und Mittelosteuropa befriedigt, die meistens gegen ihren Willen verschleppt oder mit falschen Versprechen nach Deutschland gelockt werden.

Nach der polizeilichen Kriminalstatistik wurden in der Bundesrepublik im letzten Jahr 1.197 Personen Opfer von Menschenhandel. 1.174 davon waren Frauen. Doch diese Zahl spiegelt die Realität nicht im entferntesten wider. Die Dunkelziffer ist hoch, denn die betroffenen Frauen gehen, soweit sie sich überhaupt aus der Abhängigkeit befreien können, nicht zur Polizei. Aus Angst vor Repressionen und Ausweisung, wie Familienministerin Christine Bergmann erläutert.

Massiver Druck

"Die Opfer von Menschenhandel stehen unter einem gewaltigen Druck. Sie werden versteckt gehalten, mit Gewalt bedroht und massiv unter Druck gesetzt. Mit Hinweis auf ihren illegalen Aufenthaltsstatus wird ihnen von ihren Peinigern gedroht, sie müssten Gefängnisstrafen befürchten, wenn sie von der Polizei aufgegriffen werden. Das stimmt zwar nicht, verhehlt aber als Drohung bei den Opfern nicht ihre Wirkung."

Und so bleibt die Lage der Opfer verzweifelt, betont auch Marion Boeker vom bundesweiten Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess, KOK. "Sie geraten in einen Teufelskreis aus Abhängigkeiten, Zwang und psychischer und physischer Gewalt, Demütigungen und Zerstörung und Beraubung ihrer Freiheit, Würde und körperlichen Unversehrtheit, was im Falle ihres Entkommens in eine neue Freiheit lebenslange Folgen für die meisten behält."

Die Forderung der Nichtregierungsorganisationen an die Regierungen lautet daher: Der Schutz der Opfer muss Priorität haben. Sie müssen nicht nur medizinische und psychische Hilfe erhalten. Daneben sollen sie in den Zielländern, in die sie verschleppt wurden, ein Aufenthaltsrecht und eine Ausbildung bekommen, damit sie sich aus ihrer Abhängigkeit befreien und auf eigenen Beinen stehen können.

Wirtschaftslage in Herkunftsländern soll besser werden

Der Opferschutz muss jedoch auch mit Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftslage in den Herkunftsländern einhergehen. Nur wenn die ökonomischen Möglichkeiten für die Menschen in Osteuropa verbessert werden, davon ist der OSZE-Vorsitzende Mircea Geoana überzeugt, kann sich die Lage langfristig bessern. Nur wenn sie andere Einkommensmöglichkeiten haben, werden junge Frauen nicht mehr Opfer skrupelloser Menschenhändler, die ihre Notlage ausnutzen, um sie in die Prostitution zu zwingen.

"Wirtschaftliche Benachteiligung ist einer der Schlüsselfaktoren für die Verbreitung des Menschenhandels. Programme zur Förderung von Ausbildung und wirtschaftlichen Möglichkeiten zuhause werden den Auswanderungsdruck auf junge Menschen verringern, die nach einem besseren Leben streben. Durch die Öffnung legaler Märkte und durch die Erleichterung der Migration würde die Notwendigkeit für diese jungen Leute abnehmen, sich Menschenschmugglern zu nähern und von ihnen ausgebeutet zu werden."

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