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OSZE treibt Bildungsreform in Bosnien-Herzegowina rigoros voran

26. August 2003

Kantone drohen Strafen, wenn sie Auflagen zu Schulreform nicht erfüllen

Bonn, 26.8.2003, DW-radio / Bosnisch

DW-radio / Bosnisch, 25.8.2003

Die Bildungsreform in Bosnien und Herzegowina führt die dortige Mission der OSCE durch. Sie sieht vor, dass bis zum 1. September die administrative Vereinigung der Schulen abgeschlossen wird. Das würde die Schaffung einer einheitlichen Schulverwaltung bedeuten: Je eines Schuldirektors und eines Lehrerkollegiums, sowie die Gründung der Schule als Rechtskörperschaft. Zudem würde ein gemeinsamer Haushalt für 52 Schulen in den gemischt kroatisch-muslimischen Kantonen der Föderation von Bosnien und Herzegowina verabschiedet. Darüber hinaus sieht die Bildungsreform die Vereinheitlichung des Lehrplanes auf dem Gebiet von ganz Bosnien und Herzegowina vor. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, und der Chef der OSCE-Mission, Robert Bicroft, gaben aus diesem Anlass in Sarajevo heute eine Pressekonferenz. Mehr darüber von unserem Korrespondenten Dzevdet Tuzlic:

Die OSCE und das OHR (Office of the High Representative – MD) haben die politisch Mächtigen, die Schulleiter, Politiker und Vertreter der lokalen Verwaltungen überlistet, die noch immer glaubten, dass sich eine Verzögerungstaktik bei der Umsetzung der OHR-Entscheidungen zur Reform des Bildungssystems auszahlt. Der zentralbosnische Kanton wurde deshalb heute bestraft, weil die Kantonsregierung die Integration der bislang ethnisch getrennten Schulsysteme behindert hat. In der Tat wurde damit die Kroatische Demokratische Gemeinschaft, HDZ, und ihr Vorsitzender Barisa Colak bestraft, der zuvor versprochen hatte, dass die Frist, die die internationale Gemeinschaft zur Integration der parallelen Schulsysteme gesetzt hat, auch eingehalten würde. Fünf Prozent der Haushaltsmittel, die der Partei auf Staatsebene, Föderationsebene und im Zentralbosnischen Kanton zur Verfügung stehen, also insgesamt 40 000 Konvertible Mark, werden in Bildungsfonds abgeführt. Sollten die Entscheidungen bis Mitternacht nicht umgesetzt sein, so werden pro Tag weitere fünf Prozent eingezogen und so weiter bis Freitag. Der Kanton Neretva-Herzegowina ist bisher einer solchen Strafe noch entgangen, da der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, hier etwas mehr Geduld zeigte. Die Gemeinde Mostar-Südwest habe noch bis Freitag Zeit, die Reformen bei sich umzusetzen, sagte Ashdown.

Die ethnische Trennung in den Schulen nach dem Modell "zwei Schulen unter einem Dach" wird derzeit noch in 52 Schulen in den beiden Kantonen fortgeführt. Es handelt sich hierbei in der Regel um kroatische und bosnisch-muslimische Schulklassen, die jeweils auch separaten Schulverwaltungen unterstehen. Dies führt dazu, dass die Verwaltungskosten der Schulen sich verdoppeln. All dies könnte vereinigt werden, wodurch auch erhebliche Mittel eingespart werden könnten, die wiederum der Ausbildung und der Verbesserung der Schulbedingungen zugute kämen. Die Bildungsreform als eine der wichtigsten Aufgaben der Regierungen in Bosnien und Herzegowina auf dem Weg in die euro-atlantische Integration wird verzögert, wenn die Politiker sich weiterhin verantwortungslos verhalten, und der Hohe Repräsentant untermauerte dieses Argument mit dem Hinweis, dass die Politiker die Umsetzung von Entscheidungen verzögern, die sie selbst getroffen haben und deren Umsetzung sie der internationalen Gemeinschaft und ihren Bürgern versprochen haben. Die Vereinigung der Verwaltungen ist daher eine Verpflichtung, die die Kantone bis zum Freitag umsetzen müssen, und das unter Androhung weiterer Sanktionsmaßnahmen gegen Politiker, einer Verzögerung der europäischen Integration oder des Einfrierens von Finanzmitteln. Die Fortführung der Segregation halten Ashdown und der OSCE-Chef in Bosnien und Herzegowina Robert Beecroft, für nicht akzeptabel. In der vergangenen Zeit gab es einige brutale Formen der Trennung von Schülern auf dem Gebiet von Bosnien und Herzegowina, wobei die drastischsten Formen in Mostar und Stolac zu sehen waren. (md)

DW-radio/Bosnisch, 25.8.2003

Die Durchführung der Bildungsreform stört die HDZ von Bosnien und Herzegowina, die sich einst deklarativ für die Reformen ausgesprochen hatte. Der HDZ- Abgeordnete Ivomir Jovic gab einige skandalöse Äußerungen ab, über die im Weiteren unser Korrespondent Mustafa Alendar berichtet:

Vertreter der internationalen Gemeinschaft sehen die Reform des Bildungssystems in Bosnien und Herzegowina als einen Test des Willens der bosnischen Politiker, sich nach Europa zu begeben und insbesondere als Prüfung der Selbstverpflichtung der HDZ-Politiker, Reformen durchzuführen. Die Änderungen werden zwar weder den Lehrplan noch die Benutzung der kroatischen Sprache im Unterricht betreffen, dennoch sind die Reformen eine Prüfung für die Kroatische Demokratische Gemeinschaft, sagten Vertreter dem hiesigen OHR und drückten ihre Hoffnung aus, dass die HDZ sie bis Montag umsetzen werde. Der Vertreter dieser Partei im Parlament von Bosnien und Herzegowina Ivomir Jovic sagt: "Die grundlegende Botschaft bei der ganzen Geschichte lautet: 'Wenn es um die Schulbildung geht, werden wir keinerlei Gesetz auf der Ebene der Föderation von Bosnien und Herzegowina zustimmen, nicht mal in Gedanken. Sicherlich wird dies einen starken Kampf und den Widerspruch der Bürger kroatischer Nationalität in Bosnien und Herzegowina hervorrufen", sagte Jovic dem kroatischen Fernsehen. Jovic unterstützt demonstrativ die [ermutigenden] Äußerungen des Parteivorsitzenden Barisa Colak zur Bildungsreform. Es mag sich um eine Doppelstrategie der HDZ oder um fraktionsinterne Konflikte handeln, auf jeden Fall verzögern sich die Änderungen und die Zahl derer, die sagen, dass die Reformen nicht rechtzeitig in Kraft treten, wächst stetig. Das zentrale Thema der internationalen Gemeinschaft ist die Schaffung eines gemeinsamen Gymnasiums in Mostar. Dies wurde durch eine Entscheidung des Schulausschusses und der Abgeordneten der von der HDZ kontrollierten Gemeinde Mostar West verhindert. Noch einmal Ivomir Jovic: "Das Gymnasium auf dem Boulevard ist ein Gymnasium, das nach dem Gesetz gegründet wurde, das nach dem Gesetz seinen Namen bekommen hat, und in diese Schule sind kroatische Kinder gegangen und werden dort auch weiter hingehen. Das ist eine Schule, die in kroatischer Sprache gegründet wurde, nach einem kroatischen Lehrplan lehrt und so wird es auch bleiben. Jene, die illegal Schulen auf der anderen Seite gegründet haben, können offenen Herzens in diese Schule kommen, lernen – das hat ihnen niemand verboten. Auf jeden Fall kann ich sagen, dass hier alle zivilisatorischen Normen einer Schule bestehen, die für alle offen ist. Solche Schulen müssen wir auf allen drei Seiten bauen, wenn Bosnien und Herzegowina für alle da sein soll und nicht nur für ein Volk, das [anderen] elementare Rechte wegnehmen will."

Die Bildungsreform in Bosnien und Herzegowina, die die OSCE vorantreibt, sieht bis zum 1. September die verwaltungstechnische Vereinigung aller Schulen und damit die Beseitigung aller physischen Barrieren zwischen Lehrern und Schülern durch die Schaffung einer einheitlichen Schulverwaltung vor. Ferner sollen alle Schüler gemeinsam in fünf Fächern der Naturwissenschaften gemeinsam unterrichtet werden ohne ethnische Trennung. (Übersetzung: Fabian Schmidt) (md)