Ouattaras Sieg in der Elfenbeinküste: Belastetes Erbe
28. Oktober 2025
Die Nachricht kam wenig überraschend: Als Ibrahime Kuibiert Coulibaly, der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission, am späten Montagnachmittag in Abidjan vor die Presse trat, erklärte er den Amtsinhaber Alassane Ouattara zum gewählten Präsidenten von Côte d'Ivoire. Der 83-jährige Ouattara sieht nun einer vierten Amtszeit als Präsident des westafrikanischen Landes entgegen.
Ouattara kandidierte bei den Präsidentschaftswahlen am Samstag für die nach dem ersten Präsidenten des Landes benannte Sammlung der Houphouëtisten für Demokratie und Frieden (RHDP) und erhielt nach dem vorläufigen Endergebnis 89,77 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die anderen vier Kandidaten landeten weit abgeschlagen bei ein bis drei Prozent der Stimmen.
Das Trauma aus vergangenen Wahlen
Ein Ergebnis, das auf den ersten Blick den Schluss nahelegt, dass die Bevölkerung voll und ganz hinter ihrem Präsidenten steht. Doch ganz so einfach ist es nicht. Für den ivorischen Politologen Nazaire Kadja liegt der Schlüssel in der Analyse der Wahlbeteiligung.
"Wir müssen festhalten, dass die Wahlbeteiligung bei dieser Wahl stark auseinanderging: Hoch in den nördlichen Regionen, sehr niedrig im Süden und Westen", so Kadja gegenüber DW.
Von den fast neun Millionen registrierten Wählern haben etwa 4,5 Millionen ihre Stimme abgegeben. Die gesamte Wahlbeteiligung lag damit bei 50 Prozent - eine der niedrigsten in der Geschichte des Landes, womit sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt. Im Jahr 2020 lag die Wahlbeteiligung bei 53 Prozent.
Ein Faktor war die allgemeine Sicherheitslage: Für viele Menschen in Côte d'Ivoire sind die Präsidentschaftswahlen bis heute belastet mit dem Erbe von Jahren des Bürgerkriegs, der 2011 beigelegt wurde. Im Zuge von Auseinandersetzungen um die Wahlen 2010 waren rund 3000 Menschen getötet worden. Damals kandidierte Ouattara gegen Amtsinhaber Laurent Gbagbo. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 2020 - fast ein Jahrzehnt nach Beilegung des Konflikts - kam es zu Ausschreitungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, 85 Menschen starben.
Dieses Jahr meldete der Nationale Menschenrechtsrat (CNDH) sechs Tote während des Wahlkampfs und vier weitere am Wahltag. Oppositionelle sprechen von sieben Toten allein am Tag der Wahl.
Immer weniger Interesse an Wahlen ohne Konkurrenz
"Abgesehen von den gewaltsamen Zwischenfällen, die sich auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt haben dürften, dürfen wir nicht vergessen, dass sich ein großer Teil der ivorischen Bevölkerung von dieser Wahl nicht betroffen fühlte", so der Analyst Kadja.
Ouattaras führende Konkurrenten - der ehemalige Chef der Crédit Suisse, Tidjane Thiam, und der ehemalige Präsident Laurent Gbagbo - wurden von der Kandidatur ausgeschlossen: Thiam, weil er die französische Staatsbürgerschaft angenommen hat, und Gbagbo, weil er vorbestraft ist.
Die Tatsache, dass diese beiden beliebten Kandidaten nun nicht mehr im Rennen waren und zum Wahlboykott aufriefen, sehen Beobachter als entscheidenden Faktor für die schwache Wahlbeteiligung.
Schon mehren sich die Rufe nach einer Wiederholung der Wahl. Das fordert etwa Cherif Osman, ein junger Funktionär von Thiams Partei PDCI-RDA, der wichtigsten ivorischen Oppositionspartei. Er ist der Ansicht, dass nur eine neue, umfassende Wahl das Vertrauen der Wähler wiederherstellen und die Legitimität der derzeitigen Regierung stärken kann. "Wir fordern ihn auf, den Wahlprozess im Geiste der Integration, der Fairness und des Friedens wieder aufzunehmen", sagte Osman in Richtung von Amtsinhaber Ouattara.
Opposition: "Demokratie mit Füßen getreten"
Auch Parteichef Tidjane Thiam meldete sich zu Wort: In einer emotionalen Erklärung monierte er einen "Verstoß gegen die Regeln der Demokratie". Seiner Ansicht nach wurden bei der Durchführung der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Samstag "die elementaren Grundsätze der Demokratie mit Füßen getreten", wodurch die Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses und die politische Stabilität des Landes gefährdet wurden.
"Die Fakten sind klar", urteilte Thiam: "Präsident Alassane Ouattara hat für eine umstrittene vierte Amtszeit kandidiert. Dieser Wahlvorgang hat unser Land gespalten." Jetzt stünden sich erneut Bevölkerungsgruppen feindlich gegenüber. "Der Horror ist in einigen Teilen des Landes wieder da", sagte Thiam in Anspielung auf Ausschreitungen im Süden und Westen des Landes.
Auch wenn andere Regionen während der Wahlen relativ ruhig geblieben sind, steht die neue Regierung daher einmal mehr vor der Aufgabe, die Bevölkerung zu versöhnen. Die Ereignisse von 2010 werfen ihre Schatten. Damals konnte Ouattara erst nach monatelangen erbitterten Kämpfen und der Intervention des französischen Militärs vereidigt werden.