1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Oxfam prangert "Virus der Ungleichheit" an

25. Januar 2021

Kurz vor dem virtuellen Treffen des Weltwirtschaftsforums legt die Nichtregierungsorganisation Oxfam ihre bekannte Studie über die ungleiche Verteilung des globalen Wohlstands vor. Ihr Fazit: Die Lage verschärft sich.

Ballungsgebiet Sao Paulo in Brasilien
Bild: picture-alliance/dpa

Jedes Jahr, wenn sich die Mächtigen dieser Welt im schweizerischen Davos zum Weltwirtschaftsforum, dem World Economic Forum (WEF), versammeln, wartet die Nichtregierungsorgansiation Oxfam mit ihrer Studie zur zunehmenden globalen Ungleichheit auf. Auch wenn es in diesem Winter nur ein virtuelles Treffen mit dem Titel "Davos Agenda" geben wird, melden sich die Kritiker bei Oxfam zu Wort, um den seit vielen Jahren anhaltenden Trend der wachsenden Ungleichheit in der Welt zu thematisieren.

In den Zeiten der Coronavirus-Pandemie haben es sich die Oxfam-Aktivisten nicht nehmen lassen, die tiefer werdende Kluft zwischen extrem reichen und extrem armen Menschen als "Virus der Ungleichheit" anzuprangern. Und wie jedes Jahr rechnen die Oxfam-Autoren vor, wie der gestiegene Reichtum weniger Super-Reicher die Not unzähliger sozial Benachteiligter ausgleichen könnte.

So auch im aktuellen Bericht. "Während die 1000 reichsten Menschen ihre Verluste in der Corona-Krise in nur neun Monaten wettmachten, könnte es mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis sich die Ärmsten von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erholt haben", lautet die Gleichung der Oxfam-Autoren.

Lebensmittelspenden werden in Amsterdam an Bedürftige verteiltBild: Robin Utrecht/picture-alliance

Arme und reiche Länder betroffen

Das Neue in diesem Jahr ist, dass die Verschärfung der wirtschaftlichen Ungleichheit in fast allen Ländern gleichzeitig eintritt - und zwar in den Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern.

Für die Reichsten sei allerdings die Corona-Krise schon wieder abgehakt, rechnen die Oxfam-Studienautoren vor: Das Vermögen der im Dezember 2020 zehn reichsten Männer der Welt sei seit Februar 2019 trotz der Pandemie um fast eine halbe Billion US-Dollar auf 1,12 Billionen US-Dollar gestiegen. "Dieser Gewinn wäre mehr als ausreichend, um die gesamte Weltbevölkerung gegen COVID-19 zu impfen und sicherzustellen, dass niemand durch die Pandemie verarmt", so Oxfam und warnt vor der "schlimmsten Jobkrise seit über 90 Jahren, mit Hunderten Millionen Menschen, die Einkommen oder Arbeit verloren haben."

Obdachlosigkeit in der indischen Hauptstadt DelhiBild: Zeenath Akhtar/DW

Zu den zehn reichsten Männern der Welt zählt Oxfam den Amazon-Gründer Jeff Bezos, Tesla-Chef Elon Musk, den Großaktionär des Luxusgüter-Konzerns LVMH, Bernard Arnault und seine Familie, sowie Bill Gates von Microsoft, Mark Zuckerberg von Facebook, Larry Ellison von Oracle, die US-Anlegerlegende Warren Buffett und Google-Mitbegründer Larry Page. Zhong Shanshan aus China, der mit seiner Mineralwassermarke Nongfu Spring zum Super-Reichen aufstieg und der Chef des indischen Reliance-Konzerns, Mukesh Ambani, komplettieren die Liste.

Die deutsche Oxfam-Super-Reichen-Liste wird wie in den Jahren zuvor von Lidl-Gründer Dieter Schwarz und den BMW-Großaktionären Susanne Klatten und Stefan Quandt dominiert.

Einer der von Oxfam befragten Ökonomen: Gabriel Zucman von der Universität von Kalifornien in BerkeleyBild: privat

WEF warnt vor Vertrauensverlust bei Corona-Verlierern

Die Oxfam-Aktivisten haben fast 300 Ökonomen und Ökonominnen weltweit befragt und stützen sich bei ihrer Analyse auf die Aussage "führender Ungleichheitsforscher" wie den US-Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs, die indische Ökonomin Jayati Ghosh und den französischen Volkswirt Gabriel Zucman, der an der Universität von Kalifornien in Berkeley lehrt. Die überwältigende Mehrheit der befragten Experten - nämlich 87 Prozent - "erwarten als Folge der Pandemie in ihrem Land eine 'Zunahme' oder einen 'starken Anstieg' der Einkommensungleichheit." Auch die Weltbank warne davor, dass 2030 durch die Auswirkungen der Pandemie mehr Menschen in Armut leben könnten als in der Zeit vor Corona, unterstreicht das Oxfam-Papier.

Mittlerweile ist die Angst vor den Folgen eines anhaltenden Auseinanderdriftens zwischen arm und reich auch bei den WEF-Organisatoren angekommen. Sie machen sich besonders große Sorgen um junge Menschen und warnen davor, dass eine "doppelt zerrüttete Generation in einem Zeitalter der verlorenen Chancen heranwachse". Außerdem warnt das WEF in seinem aktuellen Weltrisikobericht davor, dass die Verlierer der Pandemie und besonders die Jugend "das Vertrauen in die heutigen wirtschaftlichen und politischen Institutionen verliert." 

Doch während die WEF-Vordenker darüber sprechen, Prioritäten neu zu setzen und Systeme zu reformieren und sich mehr Digitalisierung und eine verstärkte internationale Zusammenarbeit zur Überwindung der Krise wünschen, gehen die Forderungen der Oxfam-Vertreter erheblich weiter. Sie wollen einen Pradigmenwechsel, hin zu einer "Demokratisierung der Wirtschaft" und eine "stärkere Unterstützung von Menschen in Armut und die Ausrichtung der Wirtschaft am Gemeinwohl".

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen