Kann das Hormon Oxytocin uns Menschen so sehr beeinflussen, dass wir Flüchtlingen gegenüber aufgeschlossener sind? Ist Rassismus vielleicht medikamentös behandelbar? Eine neue Studie erweckt diesen Eindruck.
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Was hat bitte ein Kuschelhormon mit Flüchtlingen zu tun? Oxytocin ist ein Hormon, das im Gehirn gebildet wird und bekannt ist für die Stärkung sozialer Bindungen. Ein internationales Forscherteam aus Deutschland und den USA kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass sich die Spendenbereitschaft für Flüchtlinge durch die Einnahme des körpereigenen Hormons Oxytocin bis um das Doppelte erhöhen kann.
Der Hälfte der Testpersonen wurde per Nasenspray das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin verabreicht. Das Ergebnis: Wer Hilfsbedürftigen und Flüchtlingen gegenüber sowieso schon positiv eingestellt ist, war bereit, doppelt so viel Geld zu spenden als die Testgruppe, die ein Placebo erhielt. Bei Fremdenskeptikern hatte das Hormon allerdings keinen Einfluss.
Egal, was man von dieser Studie hält - Oxytocin ist ein Hormon, das unser Bewusstsein beeinflusst und sich stark auf unsere Beziehungen mit anderen Menschen auswirkt. Das hört sich fast so an, als würde uns Oxytocin fernsteuern. Aber so einfach ist es nicht. Hier ein paar Fakten, was dieses mysteriöse Hormon ist und was es kann.
1. Oxytocin stammt aus dem Gehirn
Oxytocin ist ein Hormon, das im Gehirn gebildet und ausgeschüttet wird. Genau genommen wird es im Hypothalamus gebildet. Er ist ein Teil des Zwischenhirns und ein wichtiges Steuerorgan für das vegetative Nervensystem und das Hormonsystem. Zum Beispiel lenkt er unsere Ernährung oder Fortpflanzung.
2. Oxytocin stärkt soziale Bindungen
Aus dem Altgriechischen übersetzt bedeutet Oxytocin "schnelle Geburt", da es die Wehen bei der Geburt auslöst und wichtig für die Bindung von Mutter und Kind ist. Oxytocin ist das Hormon, das uns menschlich macht und Empfindungen wie Vertrauen und Liebe ermöglicht.
3. Oxytocin fördert Vertrauen
Eine Studie der Psychologin Beate Ditzen vom Institut für Medizinische Psychologie in Heidelberg zeigt, dass Paare mit Oxytocin-Einfluss besser mit Konfliktthemen umgehen können und offener ihre Gefühle zeigen. Oxytocin scheint also ein richtiger Streitschlichter zu sein. Auch eine Studie des Freiburger Psychologen Markus Heinrich und des Wirtschaftswissenschaftlers Ernst Fehr zur Spendenbereitschaft zeigt, dass Oxytocin das Vertrauen und die Großzügigkeit der Menschen erhöht.
4. Oxytocin mildert Ängste und Phobien
Französische Neurowissenschaftler stellten eine Studie auf, in der sie Autisten Oxytocin per Nasenspray verabreichten. Durch die Wirkung des Hormons verbesserten sich die sozialen Fähigkeiten der Autisten deutlich. Sie interessierten sich zum Beispiel stärker für Abbildungen von Gesichtern und fassten Vertrauen gegenüber Mitspielern bei einem virtuellen Ballspiel. Das Hormon kann also auch angstlösend wirken.
5. Oxytocin stärkt das Gruppengefühl
Evolutionsbiologisch gehört es zu den wichtigen Aufgaben des Hormons, die eigene Gruppe oder Familie nach außen zu schützen und notfalls zu verteidigen. Der Psychologe Carsten De Dreu aus Amsterdam machte einen Versuch, um Oxytocin in einem größeren Zusammenhang zu testen. Ihn interessierte, wie Menschen mit unterschiedlichen Interessen miteinander verhandeln, die alle unter dem Einfluss von Oxytocin stehen. Mitglieder eines Teams diskutierten friedlich miteinander doch der gegnerischen Gruppe verweigerten sie ihre Zusammenarbeit.
Er reizte das Experiment noch weiter aus, indem er niederländischen Probanden die Aufgabe stellte, eigenen Landsleuten und ausländischen Menschengruppen Eigenschaften zuzuschreiben. Die Testgruppen schrieben Menschen ihrer Nationalität überaus positive Eigenschaften zu und setzten andere Gruppen stärker herab. Oxytocin hat also auch durchaus eine 'dunkle Seite'.
Die Macht der Hormone
Ob wir verliebt sind, glücklich oder unglücklich - geregelt wird das von Hormonen. Sie steuern unsere Seele und unseren Körper. Jedes einzelne davon ist wichtig, damit wir funktionieren können.
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Im siebten Himmel
Schmetterlinge im Bauch, es kribbelt im Körper, der Blutdruck steigt. Die Diagnose: Wir sind verliebt. Bei einem so schönen Erlebnis werden Endorphine ausgeschüttet. Und die machen glücklich. Aber auch bei Notfällen wird dieses Hormon aktiviert. Dann sorgt es zum Beispiel dafür, dass schwerverletzte Menschen oft zuerst einmal keine Schmerzen empfinden.
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Typisch Mann
Es ist das Sexualhormon Testosteron, das beim Mann den Bart sprießen lässt. Östrogen regelt unter anderem den weiblichen Zyklus. Beide Sexualhormone sind dafür zuständig, dass sich typische Geschlechtsmerkmale ausbilden; ein Penis beim männlichen, Eierstöcke beim weiblichen Embryo. Aber sie haben noch weitere Aufgaben: Sie beeinflussen unsere sexuelle Lust und die Fruchtbarkeit.
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Wenn aus Kindern Große werden
Es ist das Hormon Somatotropin, das Kindern hilft, zu wachsen und heranzureifen. Der Körper produziert mehr Eiweiß, setzt mehr Fett um und beschleunigt den Knochenaufbau. Verfügen Kinder über zu viel Somatotropin, kann es sein, dass sie zu wahren Riesen werden. Gebildet wird das Hormon in der Hypophyse, der Hirnanhangsdrüse, dem Zentrum im Gehirn, in dem Hormone produziert werden.
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Insulin von außen
Für den Zuckerstoffwechsel ist das Hormon Insulin zuständig. Es regt die Zellen im Muskel dazu an, Traubenzucker aus dem Blut aufzunehmen. So senkt es den Blutzuckerspiegel. Diabetiker bilden nicht genügend Insulin, der Zucker bleibt also im Blut, und das kann lebensgefährlich werden. Sie müssen dem Körper regelmäßig Insulin injizieren.
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Hormon für die innere Uhr
Melatonin regelt unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Ausgeschüttet wird das Hormon bei Dunkelheit. Es macht uns müde, der Körper bereitet sich aufs Schlafen vor. Licht hingegen hemmt die Produktion von Melatonin. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit entschied 2010, dass Melatonin - als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen - Jetlag lindern kann. Forscher sind sich da aber nicht so sicher.
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Total im Stress
Cortisol ist ein wichtiges Stresshormon. Der Körper produziert es nachts. So steht es tagsüber zur Verfügung. Es wirkt auf den Stoffwechsel, die Psyche und ist eng mit dem Immunsystem verknüpft. Zudem wirkt es entzündungshemmend und ist ein wirkungsvolles Medikament. Viele aber verbinden den Stoff mit Nebenwirkungen wie einem aufgedunsenen Gesicht und dünner Haut. Zu unrecht, meinen Mediziner.
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Wenn der Adrenalinspiegel steigt
Beim Bungee-Jumping ist ein Adrenalinkick garantiert. Denn der Körper setzt dieses Hormon zum Beispiel bei Angstzuständen frei, so kommt er schnell an geschützte Energiereserven. Wichtig in früheren Zeiten, um schnell fliehen oder kämpfen zu können. Der Blutdruck steigt und die Herzfrequenz erhöht sich. Der Körper ist in Alarmstellung.
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Was uns glücklich macht
Sport treiben oder Schokolade essen. Das sind zwei Möglichkeiten, den Serotonin-Spiegel anzuheben. Neben Dopamin gilt Serotonin als Glückshormon. Es spielt eine wichtige Rolle für unsere Stimmung. Sind wir gut gelaunt oder schlecht? Wenn es nicht genug davon gibt, können wir Depressionen bekommen. Dagegen hilft dann aber Bewegung oder eben der Griff zur Schokolade.
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Die Liebe, eine Wissenschaft für sich
Was haben Verliebte und Geisteskranke gemein? Forscher sagen: Ihren Gehirnzustand. Das ist nicht etwa ein schlechter Witz zum Valentinstag, sondern wissenschaftlicher Konsens. Noch mehr Fakten zur Liebe in der Galerie.
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Verliebt
Das Herz rast, die Hände schwitzen, im Bauch macht sich ein kribbelndes Gefühl breit: Wir sind verliebt. Wissenschaftlich betrachtet stecken hinter diesem mentalen Ausnahmezustand vor allem Hormone. Doch welches Hormon löst welches Gefühl aus?
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Sexualtrieb
Damit wir uns überhaupt verlieben, bedarf es eines gesteigerten Sexualtriebs. Das Hormon Testosteron ist dafür verantwortlich. Ein erhöhter Testosteronspiegel findet sich bei Männern ebenso wie bei Frauen auf Partnersuche.
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Süchtig
In der Phase des heftigen Verliebtseins kommt Dopamin zum Einsatz, das sogenannte Glückshormon. Es wird unter anderem auch durch Kokain und Nikotin aktiviert. Das erklärt, warum Verliebte nicht mehr voneinander lassen können: Sie sind einfach süchtig nacheinander.
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Verrückt
Serotonin ist verantwortlich für eine ausgeglichene Stimmung und stabile Emotionen. Bei Verliebten ist der Serotoninspiegel so weit abgesenkt, dass er in etwa dem einer Person mit einer Zwangsstörung gleicht. Verliebte können deshalb kaum an etwas anderes denken als den neuen Partner.
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Adrenalinstoß
Das Herz schlägt wie verrückt, die Hände schwitzen: Daran ist das Adrenalin Schuld. Es wird in der Phase der anfänglichen Verliebtheit verstärkt ausgeschüttet. Adrenalin dämpft das Hungergefühl und versetzt den Körper in allgemeine Alarmbereitschaft.
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Treue
Nach etwa drei bis fünf Monaten ist die Phase der heftigen Verliebtheit meist vorbei. Dann spielt das Hormon Oxytocin eine wichtige Rolle. Es wird zum Beispiel ausgeschüttet, wenn eine Mutter ihr Kind stillt, und hilft, eine starke Bindung zwischen den beiden aufzubauen. Bei Verliebten steigt der Oxytocinspiegel unter anderem beim Küssen - und fördert so eine langfristige Beziehung.
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Ich rieche was, was du nicht riechst
Doch warum verlieben wir uns überhaupt in jemanden? Forscher sagen: Auf den Geruch kommt es an. Am schnellsten verlieben wir uns in Menschen, die so riechen wie unsere Eltern.
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Die Entscheidung
Das Gesicht spielt bei der Partnerwahl eine große Rolle. Frauen bevorzugen Männer mit einem ausgeprägten Kiefer, Männer stehen bei Frauen auf große Augen und ein schmales Kinn. Forscher vermuten, dass diese Gesichtsproportionen gute Fortpflanzungschancen versprechen.