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Wo Pakistans kritische Künstler Schutz finden

B. Mari
4. September 2023

Im Pakistan Art Forum können Künstlerinnen und Künstler ohne Angst ihre Stimme erheben - sogar zu feministischen oder LGBTQ-Themen. Einige von ihnen sorgen gerade international für Aufsehen.

Ein Werk von Shehzil Malik: Gemalte Darstellung einer Frau, die die Arme hebt.
Shehzil Maliks Werk handelt von alltäglicher struktureller Gewalt gegen FrauenBild: Shehzil Malik

Die Kunst in Pakistan hat es bisher immer geschafft, soziale Fragen aufzugreifen und dabei Grenzen zu überschreiten. Gleichwohl ist der Kunstmarkt des Landes stark eingeschränkt, denn in Gesellschaftsdebatten, Stilfragen, Ästhetik und Ausbildung gibt in der Regel die privilegierte Elite den Ton an. Dem möchte das Pakistan Art Forum (PAF) ein Ende bereiten. 

Zunächst nutzte das 2014 gegründete Forum soziale Medien und digitale Plattformen, um ausgewählte Künstlerinnen und Künstler vorzustellen. Nach der Pandemie richtete das Forum auch einen sicheren Raum ein, in dem Künstlerinnen und Künstler sich auch über queere und LGBTQ-Identitätspolitik, Sexualität und die Macht des Patriachats austauschen können. Eine Grenzüberschreitung, denn solche Themen sind in Pakistan tabu.

Die Frauen im Werk vonn Zainab Aziz wollen sich selbstbewusst zeigenBild: Zainab Aziz

"Zu allen Zeiten war Kunst ein Medium der Reform und des Widerstands, das genutzt wurde, um soziale Ungleichgewichte offenzulegen", sagt PAF-Gründer Imtisal Zafar im DW-Gespräch. "Wir wollen nicht nur Ausstellungen kuratieren, die ästhetisch ansprechend sind. Kunst soll auch dazu dienen, wichtige Themen zu beleuchten.

Stereotypen über Pakistans Frauen

Menschenrechtsverletzungen und Grausamkeiten gegen Frauen sind in Pakistan keine Seltenheit. Soziale und andere Medien haben sie sichtbarer gemacht. So prangern immer mehr Kunstschaffende die Verhältnisse an - und stellen mit einer feministischen Haltung die Geschlechterungerechtigkeiten des Landes in Frage.

Eine, die mit ihrem kunstbasierten Engagement zu Themen wie Gewalt gegen Frauen und Feminismus internationale Bekanntheit erlangt hat, ist Shehzil Malik. In ihren Werken untersucht die pakistanische Künstlerin die alltägliche und strukturelle Frauenfeindlichkeit. Ihre Darstellungen weiblicher Stärke wirken geradezu ins Fantastische überhöht.

Zainab Aziz kritisiert, dass vor allem Frauen nicht so leben dürfen, wie sie es möchtenBild: Zainab Aziz

Ganz anders inszeniert Zainab Aziz das Thema Weiblichkeit. In ihrem sehr eigenen Stil richtet die junge Künstlerin den Fokus auf den Alltag von Frauen. Sie arbeitet mit Ölfarben und nutzt eine monochrome Farbpalette. In Aziz' Darstellungen finden sich große Leerräume. Durch harte Schwarz-Weiß-Kontraste will die Künstlerin gesellschaftliche Heuchelei aufzeigen.

Weiblicher Körper als Ort vieler Einschreibungen

"Meine Arbeit dreht sich um weibliche Protagonisten, um die Art und Weise, wie sie ihre Geheimnisse teilen und miteinander verbunden sind. Ich betrachte den weiblichen Körper als Landschaft einer Gesellschaft, die mehrere Geschichten in sich birgt", sagt Aziz.

Drei Arbeiten aus ihrer zweiten Einzelausstellung "Misty Tales of Women" für das PAF dokumentieren typische Momente im Alltagsleben von Frauen und zeigen, wie sie gesellschaftlichen Erwartungen blindlings Folge leisten.

Aziz hat ihre Ausbildung am pakistanischen College of Art & Design und am National College of Arts absolviert. Beide Institutionen hätten es ihr ermöglicht, ihre künstlerischen Fähigkeiten zu verfeinern, sagt sie. Doch sei es für Künstlerinnen in Pakistan schwer, sich zu vernetzen, um eine erfolgreiche Karriere auf dem Kunstmarkt zu schaffen. "Wir bekommen nicht die Aufmerksamkeit, die wir verdienen, weder im Inland noch international", sagt sie, "man muss sich schon sehr anstrengen, um sich in der Kunstwelt einen Namen zu machen."

Ahmer Farooq arbeitet mit Negativräumen als Zeichen der UnterdrückungBild: Ahmed Farooq

Umso wichtiger seien Initiativen wie das Pakistan Art Forum. Als einzige Plattform im Land unterstützt das PAF aufstrebende und junge Talente und hilft so auch noch unbekannten Kunstschaffenden, ihre Werke zu verkaufen. Der Nachwuchs wird ermutigt und angeleitet, in Galerien auszustellen und in den Medien präsent zu sein.

PAF-Gründer Imtisal Zafar besucht regelmäßig die Ateliers der Hochschulabsolventen, um neue Talente zu entdecken. Aziz traf er zum ersten Mal während ihrer Abschlussausstellung im Jahr 2017.

Gesellschaftliche Tabus in Frage stellen

Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sind nach pakistanischem Recht verboten. Viele LGBTQ-Personen im Land führen ein Doppelleben und haben heimliche Beziehungen. Sogar vor Freunden und der Familie outen sie sich nicht.

Ahmer Farooq kommentiert in seinen Bildern, wie Menschen aus der LGBT-Gemeinschaft in Pakistan gezwungen werden, sich anzupassenBild: Ahmed Farooq

Ahmer Farooq setzt sich in seiner Kunst mutig mit LGBTQ-Themen auseinander und thematisiert, wie Schwule in heterosexuelle Zwangsehen gedrängt werden, um eine Fassade der "Normalität" aufrechtzuerhalten.

Eine Galerie habe sich geweigert, seine Arbeiten so zu präsentieren, wie er es wollte, berichtet er. Er hatte die Werke als Kunst beschrieben, die sich mit der Zwangsehe von Homosexuellen auseinandersetzt. "Als ich das Wort 'schwul' wegließ, durfte ich die Arbeit zeigen: dieselbe Kunst, alles unverändert", erklärt Farooq im Interview mit der Deutschen Welle.

Auch die Presse weigere sich, über seine Ausstellungen zu berichten, sagt er. Sie fürchte Gegenreaktionen oder rechtliche Konsequenzen, zumal schon die offene Diskussion über Homosexualität Probleme bereiten könne.

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08:54

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Farooq ist dankbar, dass das PAF seine Kunst bisher nie zensiert, sondern ohne Vorurteile oder Änderungen gezeigt hat. Der Künstler verwendet leuchtende Farben, möchte die "Scheinheiligkeit einer scheinheiligen Gesellschaft" visuell umsetzen: "Oberflächlich betrachtet sieht alles hell und fröhlich aus, aber bei genauem Hinsehen ist es viel dunkler", sagt Farooq.

Seine jüngste Ausstellung "A Safe Space" stieß auf großes lokales und internationales Interesse. Demnächst will Farooq seine Werke in den USA ausstellen. Sichere Räume seien für viele Menschen überlebenswichtig, sagt er. "Denn marginalisierte Menschen brauchen einen Schutzraum, um sie selbst zu sein."

Farooqs Ausstellung wirft ein Licht auf die Herausforderungen, mit denen die queere Gemeinschaft konfrontiert ist. "Wir alle", sagt er, "sind in unserer Menschlichkeit miteinander verbunden und wollen doch einfach nur die gleichen Dinge: Sicherheit, Liebe, Frieden und Empathie."

Aus dem Englischen adaptiert von Stefan Dege.

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