Das gefährliche Leben der Influencerinnen in Pakistan
8. Juli 2025
"Einmal hatte ich gerade eine Geschichte in den sozialen Medien gepostet, während ich in einem Burgerladen war", erzählt Hira Zainab. "Auf dem Rückweg fuhr ein Auto vorbei und jemand rief meinen Namen." Die Pakistanerin ist seit 2017 auf Instagram aktiv. Sie hat mehrere öffentliche Accounts, darunter einen Food-Blog und eine Gesellschaftskolumne.
Es sei nicht der einzige Fall gewesen, bei dem sie das Gefühl hatte, gestalked zu werden. "Als ich einmal aus einem Friseursalon kam, erhielt ich die Nachricht: 'Diese Farbe steht dir gut.'" Beide Male, sagt Zainab, seien es Fremde gewesen, die ihr zuvor online Avancen gemacht hatten - die sie allerdings ignoriert hatte.
Sind Pakistans patriarchalische Werte schuld?
Solche Vorfälle - aber auch intime Videos, die plötzlich im Netz landeten - zeigen, dass sich pakistanische Frauen in der digitalen Welt nicht frei und sicher bewegen können. Das bestätigt auch eine 2023 veröffentlichte Studie der Digital Rights Foundation, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für die Rechte von Frauen im digitalen Raum einsetzt. Demnach reichten in Pakistan fast eineinhalbmal so viele Frauen wie Männer Beschwerden über Online-Belästigungen ein.
In der öffentlichen Diskussion wird jedoch laut Kritikern kaum über das dahinter liegende System gesprochen: die patriarchalischen Normen und Strukturen in dem Land.
Denn für die Frauen geht es bei Social Media auch um eine mögliche Einkommensquelle. Doch den Wunsch nach eigenem Geld und Unabhängigkeit müssen sie häufig teuer bezahlen - mit Drohungen, Verletzungen ihrer Privatsphäre und sozialem Druck. Nicht selten sind sie auch körperlicher Gewalt ausgesetzt.
Hasskommentare und Abwertung
Yusra Amjad, eine pakistanische Dichterin, bespielt seit 2017 einen öffentlichen Instagram-Account. "Ich habe mit Poesie angefangen und dann ergaben sich weitere Möglichkeiten und Kontakte", erzählt sie der DW. "Das Coolste war, als Yrsa Daley-Ward (eine britische Schriftstellerin und Schauspielerin mit afrikanischen Wurzeln, d.R.), jemanden aus den Instagram-Kommentaren für einen Videoanruf auswählte und ich gewann", sagte Amjad. "Ich habe auch Kontakte zu indischen Schriftstellern und Dichtern geknüpft."
Sie erinnert sich aber auch an die vielen Hasskommentare, die sie erhalten hat. Besonders ein Vorfall ist ihr im Gedächtnis geblieben: "Als meine Mutter und ich in einem Park Yoga machten, wurde dies in Hasskommentaren als schamlos und unehrenhaft bezeichnet."
Ein Leben im engen Rahmen
Bisma Shakeel lebt in der pakistanischen Stadt Kohat. Sie nutzt soziale Medien, um über psychische Gesundheit zu sprechen. Dabei konzentriert sie sich auf narzisstischen Missbrauch und häusliche Gewalt.
Ihre Motivation entspringt einer persönlichen Erfahrung: Sie verließ eine toxische Beziehung. Ihr Partner wollte sie kontrollieren und davon abhalten, soziale Medien beruflich zu nutzen.
Ohnehin war ihr Weg nicht ganz einfach. Es dauerte eine Weile, bis die 29-Jährige die Erlaubnis ihrer Familie erhielt, Videos zu veröffentlichen, in denen ihr Gesicht zu sehen war. Für viele Frauen bewegt sich die Freiheit in den sozialen Medien genau wie im Offline-Bereich in einem eher engen Rahmen.
"Mein Vater ist liberal", sagt Shakeel, "aber selbst er sagte: 'Du solltest nichts posten. Die Leute werden reden. In unserer Gemeinschaft tun Mädchen so etwas nicht'".
Jetzt ist sie in den sozialen Medien aktiv und weiß, dass dies nicht ohne Risiko ist: "Nicht so sehr auf Instagram, aber auf TikTok. Du kannst dir nicht vorstellen, was für Drohungen wir bekommen", sagte sie im Gespräch mit der DW: "Vergewaltigungsdrohungen, Todesdrohungen."
Selbstbewusste Frauen werden in Pakistan oft verurteilt und als Bedrohung für religiöse und kulturelle Werte wahrgenommen. Vor allem dann, wenn sie online sichtbar und aktiv sind. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob sie über Politik oder Gesellschaft sprechen oder einfach ihr Ding machen.
Deshalb fänden viele Menschen, dass solche Frauen es "verdient" hätten, wenn sie belästigt werden, sagt Maham Tariq, eine feministische Aktivistin. "Das ist kein Zufall, sondern strukturell verwurzelt: Diese Frauen werden als unmoralisch oder unislamisch abgestempelt, und dann wird der Angriff auf sie zu einer Art sozialer oder religiöser Pflicht. Es erlaubt den Menschen also, sich rechtschaffen zu fühlen, während sie Gewalt ausüben."
Was funktioniert, was nicht?
Mehrere von der DW befragte Frauen sind frustriert darüber, dass Social-Media-Plattformen die Opfer von Online-Belästigung oft nicht angemessen unterstützen. Das Beschwerdeverfahren sei zu langsam und oft ineffektiv.
Aisha* stammt aus Karatschi und lebt heute in Berlin. Sie nutzt Instagram seit Jahren als Blog und Community-Plattform. Eines Tages entdeckte sie Fake-Profile mit manipulierten Fotos von sich selbst. Immerhin sei die Zahl der gefälschten Konten drastisch zurückgegangen, sagt Aisha, seit Instagram beim Sperren eines Kontos auch die zugehörigen IPs sperrt.
Nach dem Mord an Sana Yousaf seien viele Influencerinnen aktiv geworden, sagt Nighat Dad, Gründerin der Digital Rights Foundation. Sie würden Kommentare melden, in denen Nutzer den Mord an Yousaf verherrlichen oder dem Opfer selbst die Schuld an der Gewalttat gegen sie zuweisen.
Oft reagieren die Behörden schnell auf die Beschwerden der Opfer, aber nicht immer. Für einige, wie Aisha, ist die Sicherheit nach wie vor ein großes Problem, wenn sie Pakistan besuchen. Ihre Konten, sagt sie, halte sie bei ihren Besuchen in Pakistan deshalb privat.
* Name zum Schutz der Anonymität geändert.
Adaption aus dem Englischen: Jan D. Walter