Pakistan: Neues Cybercrime-Gesetz als Waffe gegen Kritiker?
22. Mai 2025
Pakistanische Menschenrechtsgruppen und Verfechter digitaler Rechte sind besorgt: Könnte es sein, dass die Pressefreiheit in dem südasiatischen Land unter Druck gerät, seitdem die Regierung Anfang des Jahres das Gesetz gegen Online-Inhalte verschärft hat?
Dabei sieht das novellierte "Gesetz zur Verhütung von Cyberkriminalität" ("Prevention of Electronic Crimes Act, PECA) auf den ersten Blick harmlos aus. Denn unter Strafe stellt es lediglich die vorsätzliche Verbreitung falscher Informationen im Internet, die Angst, Panik oder Unruhe schüren könnten.
Dennoch sind Journalisten in Pakistan besorgt über die möglichen Auswirkungen des Gesetzes. Denn immerhin erlaubt es, dass Social-Media-Nutzer wegen der Verbreitung von Desinformation zu bis zu drei Jahren Gefängnis verurteilt werden und es drohen Geldstrafen von bis zu 2 Millionen Rupien (rund 6.800 Euro).
Festnahmen auf Grundlage des PECA-Gesetzes
Auswirkungen hat das PECA-Gesetz schon jetzt: Nur wenige Monate nachdem es in Kraft trat, wurden die Journalisten Farhan Mallick und Waheed Murad verhaftet.
Murad, ein Reporter der saudischen Tageszeitung Urdu News, wurde bei einer nächtlichen Razzia in seiner Wohnung wegen angeblicher Verbreitung von "Online-Desinformation" festgenommen. Kurz darauf wurde er nach Zahlung einer Kaution entlassen.
"Das Gesetz wurde missbraucht, indem Journalisten festgenommen wurden, bevor Anklage gegen sie erhoben wurde", sagt Murad der DW. "Auch in meinem Fall wurde so verfahren."
Mallick, der Gründer des pakistanischen Internet-Medienkanals Raftar, wurde ebenfalls auf Grundlage des Gesetzes verhaftet. Die Anklage lautete auf "Erstellung und Verbreitung staatsfeindlicher Publikationen und Videos mit dem Ziel der Desinformation und der Anstiftung zu öffentlicher Gewalt."
Mallicks Anwalt Abdul Moiz Jaferii erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, sein Mandant sei gegen Kaution freigelassen worden, nachdem er für die beiden ihm zur Last gelegten Fälle jeweils 100.000 Rupien (ca. 313 Euro) angeboten hatte.
Beide Journalisten hatten über die mutmaßliche Rolle des mächtigen pakistanischen Militärs berichtet, das das Land während eines Großteils seiner 77-jährigen Geschichte regiert hat. Klassische Mainstream-Medien vermeiden meist Kritik an der Armee.
Murad wird unter anderem vorgeworfen, er habe eine Untersuchung gegen einen Militärgeneral auf Facebook verbreitet.
Fast zeitgleich ließ man zwei Brüder des im Exil lebenden Journalisten Ahmad Noorani aus ihrem Haus "verschwinden". Dieser hatte zuvor über den wachsenden Einfluss der Familie des mächtigen Militärchefs geschrieben. Das berichtet die NGO Reporter ohne Grenzen (RSF).
Enttäuschung über mangelnde Konsultation
"Bislang erscheinen uns die PECA-Änderungen vor allem als Maßnahme gegen Journalisten und Dissidenten", sagt der Anwalt und Aktivist Imaan Mazari. Er vertrat vor kurzem mehrere auf Grundlage des PECA-Gesetzes angeklagte Journalisten und Aktivisten. "Der Staat begnügt sich nicht mit der vollständigen Kontrolle über die Mainstream-Medien und versucht daher, auch die sozialen Medien zu unterdrücken."
Der Rechtsexperte für Cyberkriminalität, Osama Malik, bezeichnet die PECA-Gesetze als drakonisch. "Diese Gesetze greifen in die journalistische Freiheit ein. Journalisten, die gegen diese Gesetze verstoßen, sehen sich enormen Rechtsstreitigkeiten und Kosten für Kautionszahlungen gegenüber", so Malik.
Auch Gruppen, die sich für die Pressefreiheit einsetzen, äußern Bedenken. Sie weisen darauf hin, dass die Regierung sie vor der Verabschiedung der neuen Gesetze nicht konsultiert habe. "Wir hatten uns mit der Regierung über das Gesetz verständigen wollen, doch ist sie nicht auf unser Angebot eingegangen", sagt Afzal Butt, Präsident der pakistanischen Journalistengewerkschaft.
Die pakistanische Regierung ihrerseits erklärte, das Gesetz sei notwendig, um die Verbreitung von Desinformation einzudämmen. Pakistans Justizminister Azam Nazir Tarar verteidigte es als den Erfordernissen der Gegenwart angemessenes Dokument. Es gebe "überall auf der Welt Gesetze gegen Sensationsmache", erklärte er im DW-Interview.
"Die pakistanische Verfassung enthält gewisse Einschränkungen der Meinungsfreiheit", so Tarar weiter. "Die Aufgabe des Parlaments bestehe darin, Gesetze zu erlassen. Und es ist die Aufgabe der Exekutive, den Missbrauch der Gesetze zu kontrollieren."
Kontrolle über Berichterstattung?
"Dieses Gesetz dient eindeutig dazu, die Kritik an der staatlichen Berichterstattung zu kontrollieren", kritisiert dagegen Sehrish Qureshi als stellvertretender Sekretär des Nationalen Presseclubs in Islamabad. "Selbst wenn man das Vorgehen der Regierung nur hinterfragt, erhält man den Rat, besser zu schweigen. Spricht man dennoch, wird man verhaftet."
Mit der Zensur haben Medienschaffende noch auf andere Weise zu kämpfen. Denn immer mehr Menschen beziehen ihre Informationen angesichts der zunehmenden staatlichen Zensur aus den sozialen Medien.
Doch auch auf die dort veröffentlichenden Autoren versuche der Staat durch die PECA-Gesetze Einfluss zu nehmen, sagt Rechtsexperte Osama Malik. Zwar habe er Schwierigkeiten, die in den sozialen Medien schreibenden Autoren, insbesondere die im Ausland lebenden, zu kontrollieren. "Doch der Staat versucht, ihre in Pakistan verbliebenen Familienangehörigen zu schikanieren", erläutert er.
Die Folgen des Gesetzes seien seiner Meinung nach erheblich: "Eine kontrollierte Demokratie ist keine echte Demokratie, und ohne Informationsfreiheit kann es keine echte Demokratie geben. Dieses Gesetz wird den Journalismus so weit die Luft nehmen, dass junge Journalisten kaum mehr wissen, was wirklich unabhängige Medien sind."
Das Gesetz könne "das sprichwörtliche Todesurteil" für die Demokratie sein, sagt Malik. "Es dürfte lange dauern, bis sich die pakistanische Verfassungsdemokratie von dieser eklatanten Subversion erholt."
Im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen belegt Pakistan den Platz 158 von 180.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.