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KonfliktePakistan

Pakistan: Schwieriger Umgang mit Taliban-Regime in Kabul

Zia Ur Rehman aus Karachi
14. August 2025

Trotz starker Einflüsse auf die Taliban ist Pakistan mit dem De-facto-Regime in Afghanistan seit vier Jahren nicht warm geworden. Im Mittelpunkt der Fehde steht der Ableger der Taliban in Pakistan: die Terrorgruppe TTP.

Afghanistan Kabul 2025 | Pakistans Außenminister Ishaq Dar trifft Taliban-Vertreter Amir Khan Muttaqi
Pakistans Außenminister Ishaq Dar trifft den geschäftsführenden Außenminister der afghanischen Taliban-Regierung, Amir Khan Muttaqi (r.) am 19. April 2025 in KabulBild: Pakistan's Ministry of Foreign Affairs/AFP

Die Machtübernahme durch die radikale Terrororganisation Taliban in Afghanistan 2021 hat die politischen Machtverhältnisse in der Region aus dem Gleichgewicht gebracht. Das wichtige Nachbarland Pakistan spürt bis heute die sicherheitspolitischen Folgen.

Jahrzehntelang galten die Taliban als der verlängerte Arm Pakistans. Der pakistanische Geheimdienst übte kontinuierlich Einfluss auf die Taliban aus. Die islamistische Terrorgruppe konnte sich frei in Pakistan bewegen.

"Das Interesse Pakistans an den Taliban war, über diese eine von ihnen abhängige und kontrollierte Regierung in Kabul zu installieren", sagt der deutsche Friedensforscher Conrad Schetter, Direktor vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC). "Dennoch war den Taliban stets daran gelegen, sich aus der pakistanischen Vereinnahmung zu emanzipieren. Die Tehrik-i-Tailban Pakistan (TTP), ein pakistanischer Ableger der Taliban, trägt über Attentate immer wieder zur Destabilisierung Pakistans bei."

Kontrollpunkt an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan: Im Vordergrund steht ein pakistanischer Soldat, im Hintergrund ein Kämpfer der TalibanBild: AP/dpa/picture alliance

Terror im Aufwind

Weitere militante Gruppen in Pakistan wie der Ableger des Islamischen Staats ISKP sowie die Separatistenbewegung in der Westprovinz Baluchistan fühlen sich ebenfalls vom Triumphzug der Taliban in Afghanistan 2021 ermutigt. "Diese Gruppen haben die sich verändernde regionale Dynamik genutzt, um ihre Aufstände gegen den pakistanischen Staat zu intensivieren, was eine erneute Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellt", sagt Safdar Sial, Experte an der pakistanischen Denkfabrik Institute for Peace Studies (PIPS) in Islamabad.

Diese Gruppen hätten ihre operativen Fähigkeiten ausgebaut. Sie hätten pakistanische Soldaten, aber auch chinesische Kaufleute entführt, so Sial weiter. China ist der wichtigste Handelspartner von Pakistan und investiert in viele Infrastrukturprojekte im Rahmen der Seidenstraßeninitiative und des Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridors (CPEC). "In den letzten Jahren war in Afghanistan die Sicherheitslage ruhig. Pakistan ist dagegen zum Zentrum terroristischer Aktivitäten geworden."

Die Außenminister von China, Pakistan und der Taliban-Regierung in Afghanistan bei einem trilateralen Treffen am 21. Mai 2025 in PekingBild: Ministry of Foreign Affairs - Pakistan

Zankapfel TTP

Als die US-Streitkräfte noch in Afghanistan präsent waren, war bis Mitte 2020 die pakistanische Terrorgruppe TTP durch anhaltende Militäroffensiven geschwächt worden. Die Folge: TTP war in mehrere kleine Splittergruppierungen zerfallen. Die Militanten verschanzten sich in der Bergregion in den afghanischen Grenzprovinzen. Entsprechend sank die Anzahl der Terroranschläge in Pakistan stark. Das pakistanische Friedensinstitut PIPS zählte deutlich weniger Todesopfer und weniger Anschläge 2020. Sie waren um 90 Prozent im Vergleich zu 2013 zurückgegangen.

Als 2020 die USA erneut mit den Taliban verhandelten, vereinigten sich die Splittergruppierungen wieder zur TTP. Auch andere Terrorgruppen im Lande begrüßten die Wiedervereinigung der TTP. Seit 2021 nahm in Pakistan die Zahl mutmaßlich islamistisch motivierter Angriffe und Anschläge wieder stark zu. Ein UN-Bericht vom Juli stellt fest, dass die TTP in einem für sie "toleranten Umfeld" in Afghanistan operiere und Zugang zu moderneren Waffen habe. Dadurch habe sich die operative Schlagkraft erheblich verbessert.

Pakistanische Soldaten überwachen eine Bergregion, in der sich TTP-Militante verschanzt habenBild: Anjum Naveed/AP/picture alliance

"Die TTP verfügt über etwa 6000 militante Kämpfer in der Grenzregion und erhält weiterhin erhebliche logistische und operative Unterstützung von der De-facto-Regierung der Taliban in Afghanistan", so der Bericht des Analytical Support and Sanctions Monitoring Team für den UN-Sicherheitsrat. Die afghanischen Taliban betrachten ihre militanten Brüder in Pakistan nicht als Terrororganisation.

Späte Einsicht in Islamabad

Im August 2021 hatten zunächst Teile der politischen Führung in Pakistan die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan begrüßt. Sie hatten in der islamistischen Terrorgruppe einen potenziellen strategischen Verbündeten in der Region gesehen. Doch die Euphorie hielt nicht lang an, als genau diese Handvoll von Politikern in Islamabad feststellte, dass die Taliban lieber auf Schulterschluss mit den pakistanischen Verbündeten TTP gingen als mit der Zivilregierung.

"Die Taliban-Regierung in Kabul hat keine konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der TTP in den afghanischen Grenzprovinzen ergriffen. Das hat die Beziehungen zwischen Pakistan und Afghanistan in den letzten vier Jahren erheblich belastet", so Analyst Tahir Khan aus Islamabad, der sich intensiv mit den Beziehungen zwischen den beiden Ländern befasst.

Um Druck auf die Taliban-Regierung aufzubauen, führt Pakistan grenzüberschreitende Luftangriffe auf mutmaßliche TTP-Zufluchtsorte im Osten Afghanistans durch. Ende Dezember 2024 starben bei Angriffen mit Kampfjets und Drohnen durch Pakistan nach Taliban-Angaben mindestens 46 Menschen in Afghanistan, darunter Frauen und Kinder.

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Nicht alle Taliban können sich mit dem Gedanken anfreunden, gegen die TTP hart vorzugehen. "Die Regierung in Islamabad macht zwar großen Druck", sagt Beobachter Hazrat Ali aus Kabul im DW-Interview, "aber so ein hartes Vorgehen würde die Taliban in eigenen Reihen spalten. TTP-Anhänger würden sich anderen rivalisierenden Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat in Pakistan (ISKP) zuwenden."

In Afghanistan zeichnet sich seit vielen Jahren eine brutale Rivalität zwischen der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) und den Taliban ab. Sie ringen um Einflüsse, Anhänger und Macht. Der IS ist im Nordosten von Afghanistan und auch im Grenzgebiet zu Pakistan aktiv. Die Anhänger sind überwiegend keine Afghanen, sondern radikalisierte Pakistani und Zentralasiaten.

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Gleichzeitig hat Islamabad seit September 2023 über eine Million afghanische Geflüchtete in ihre Heimat zurückgeschickt, in den meisten Fällen gegen ihren Willen. Im September 2025 droht weiteren 1,3 Millionen Geflüchteten aus Afghanistan die Deportation. Islamabad hat auch die Handelsbeschränkungen für Afghanistan verschärft. Afghanistan ist ein Binnenland, das stark von pakistanischen Häfen am Arabischen Meer abhängig ist.

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2025 gab es wieder eine vorsichtige politische Annäherung. Der pakistanische Außenminister Ishaq Dar besuchte im April Kabul, im Juli kam dann der Innenminister Mohsin Naqvi - eben auch vor dem Hintergrund der Abschiebung von Geflüchteten zurück nach Afghanistan. "Dennoch wird eine bedeutende Verbesserung der bilateralen Beziehungen unerreichbar bleiben, solange die Frage der TTP nicht wirksam angegangen wird", betont Analyst Khan. Genau deswegen zögere Islamabad, die Taliban-Regierung für Afghanistan offiziell anzuerkennen. Dies bleibe "eine ferne Perspektive".

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan

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