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Pakistan: Warum werden immer mehr Frauen inhaftiert?

Jamila Achakzai
21. März 2024

Die Zahl der inhaftierten Frauen in Pakistan steigt. Gründe sind oft die schlechte Wirtschaftslage, die Menschen mit niedrigem Einkommen zu Kriminalität aus Armut zwingt – oder auch Vorwürfe wegen Blasphemie.

Weibliche Gefangene in Saris und Wärterinnen in Uniform laufen an Gittern vorbei durch einen Flur
Zahl der weiblichen Gefangenen in Pakistan steigtBild: National Commission on the Status of Women

Der Maurer Rafiq Masih und seine vier Kinder leben seit August 2021 in Angst, als seine Frau in Islamabad wegen angeblicher Gotteslästerung verhaftet wurde. Nachdem die Familie aus der christlichen Minderheit viele Jahre in der pakistanischen Hauptstadt gelebt hatte, musste sie zu ihrer eigenen Sicherheit in die angrenzende Stadt Rawalpindi ziehen, um dort ein unauffälliges Leben zu führen.

Die 48-jährige Mutter der Familie, Shagufta Kiran, ist Krankenschwester. Sie wurde festgenommen, nachdem ihr vorgeworfen wurde, in einer WhatsApp-Nachrichtengruppe abfällige Bemerkungen über den Islam gemacht zu haben. "Während einer Diskussion empfanden einige muslimische Mitglieder der WhatsApp-Gruppe Shaguftas Worte über die Lehren des Islam als blasphemisch, machten Screenshots und meldeten sie der Polizei", sagt ihr 55-jähriger Mann Masih gegenüber der DW.

Er fügt hinzu: "Die Polizei durchsuchte unser Haus, packte meine Frau und unsere zwei kleinen Kinder, nahm ihre Mobiltelefone und einen Laptop und fuhr weg." Die beiden Kinder von Masih kehrten am nächsten Tag zurück, hatten jedoch keine Ahnung, wo sich ihre Mutter aufhielt. Mit Hilfe von Anwälten brauchte Masih sechs Monate, um seine Frau im Hauptgefängnis von Rawalpindi, Adiala, aufzuspüren.

Auf Blasphemie steht die Todesstrafe

"Jetzt, wo ihr ein Prozess wegen Blasphemie droht, lebe ich zusammen mit meinen Kindern in einem Elendsviertel in Rawalpindi. Wir meiden die Öffentlichkeit und bleiben größtenteils drinnen, aus Angst vor Mob-Gewalt, wie sie in solchen Fällen oft zu beobachten ist", sage er. Masih übernimmt kleinere Bauarbeiten in der Nachbarschaft und arbeitet aus Sicherheitsgründen lieber nachts.

Nach einem Gesetz, das der pakistanische Militärdiktator General Ziaul Haq in den 1980er Jahren erlassen hat, ist die Beleidigung des Islam, sei es durch Worte, Bilder oder Taten, mit der Todesstrafe bedroht. Bisher hat Pakistan noch niemanden wegen Gotteslästerung hingerichtet, doch Mob-Angriffe gegen Menschen, die der Blasphemie beschuldigt werden, und deren Häuser und Gemeinden sind an der Tagesordnung.

Masih sagte, es dürfte keine Gefahr für das Leben seiner Frau in einem Hochsicherheitsgefängnis bestehen, er sei jedoch besorgt, weil viele Richter, die ihren Fall anhörten, in den letzten drei Jahren ausgetauscht worden seien, was die Rechtsprechung in ihrem Fall verzögert habe.

Immer mehr Frauen hinter Gittern 

Nach Angaben des pakistanischen Ministeriums für Menschenrechte warten - wie Kiran - die meisten weiblichen Gefangenen im Land auf ihren Prozess. Nur 1,5 Prozent der Gefängnisinsassen sind Frauen. Ihre Zahl steigt aber kontinuierlich. 

Menschenrechtsaktivistinnen warnen vor schlechten Bedingungen für inhaftierte FrauenBild: National Commission on the Status of Women

Die National Commission on the Status of Women (NCSW), eine gesetzliche Einrichtung, deren Aufgabe es ist, die Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz und zur Stärkung der Rolle der Frau zu überwachen, hat in den letzten Jahren einen Anstieg der Zahl von Frauen hinter Gittern verzeichnet. Nach Angaben des NCSW gab es im Jahr 2021 in allen vier Provinzen 4823 weibliche Gefangene. Diese Zahl stieg auf 5700 im Jahr 2022 und 6309 im Jahr 2023.

Pakistan hat 96 Gefängnisse, aber nur fünf davon sind für Frauen. In den anderen Gefängnissen werden Frauen in getrennten Baracken festgehalten.

Weibliche Gefangene sind Misshandlungen besonders ausgesetzt

Human Rights Watch warnte in einem Bericht vom März 2023, dass weibliche Gefangene in Pakistan "besonders gefährdet seien, von männlichen Gefängniswärtern misshandelt zu werden, einschließlich sexueller Übergriffe und Vergewaltigungen. Auch werden Frauen unter Druck gesetzt, sich im Austausch für Essen oder andere Bedürfnisse auf Sex einzulassen".

Die Menschenrechtsorganisation berichtete außerdem, dass die pakistanischen Gefängnissen drastisch überfüllt seien mit Zellen, die für maximal drei Personen gebaut wurden, aber nun mit bis zu 15 Personen belegt sind.

Menschenrechtsaktivistinnen beklagen zudem, dass auch jugendliche Gefangene nicht getrennt untergebracht werden. Die Familie einer weiblichen Gefangenen im Adiala-Gefängnis sagte, dass auch Damenhygieneprodukte nicht verfügbar seien.

Frauen werden fern von zu Hause inhaftiert 

Nach Angaben des NCSW wurden rund 27 Prozent der weiblichen Insassen außerhalb ihres Heimatbezirks inhaftiert, was eine große Hürde für Familienmitglieder darstellt. Offizielle Daten zeigen außerdem, dass 134 weibliche Gefangene im Land von ihren minderjährigen Kindern begleitet werden. Die Regeln erlauben es Kindern, bis zum Alter von fünf Jahren bei ihren inhaftierten Müttern zu bleiben. Berichten zufolge leben dort jedoch einige bis zum Alter von neun oder zehn Jahren.

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Gefangene können mit einer zuvor erteilten Genehmigung Besuch von Familienangehörigen und ihren Anwälten erhalten. Nach Angabe von Anwälten der Inhaftierten sind jedoch das Fotografieren, Tonaufnahmen oder das Filmen von Gefangenen und ihren Zellen strengstens untersagt.

Rabiya Javeri Agha, die Vorsitzende der Nationalen Kommission für Menschenrechte in Pakistan hat sich dafür eingesetzt, Häftlinge in Gefängnisse zu verlegen, die ihren Wohnorten am nächsten liegen, um Familienbesuche zu erleichtern.

Pakistans Wirtschaftskrise verstärkt die Kriminalität

"Viele Frauen, die im Gefängnis landen, stammen aus einfachen Verhältnissen" sagt Safdar Chaudhry, ein in Rawalpindi ansässiger Anwalt im Gespräch mit der DW. Er fügt hinzu: "Zum Beispiel weil sie mit Drogen gehandelt hatten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen". Einige würden von ihren eigenen Familien oder Rivalen erfundener Straftaten beschuldigt. oder haben "Rachemorde" begangen. Safdar Chaudhry betont, dass einige Frauen das Gefängnis nicht verlassen können, weil sie sich die für ihre Freilassung erforderliche Kaution oder Geldstrafen nicht leisten können.

Nach Angaben des Anwalts werden Fast 90 Prozent der weiblichen Gefangenen von Gerichten freigesprochen, allerdings erst nach langer Zeit hinter Gittern. Chaudhry sagt, die pakistanischen Gerichte seien mit der Arbeit so überlastet, dass sie täglich nur fünf oder sechs von 50 ausstehenden Fällen bearbeiteten könnten und sich die Anhörung in anderen Fällen damit verzögerten. Er weist jedoch darauf hin, dass bei Verfahren gegen Frauen schneller gehandelt werde.

Ein wichtiger Grund für die wachsende Zahl der Gefängnisinsassen in Pakistan sei der wirtschaftliche Abschwung des Landes, sagt NCSW-Vorsitzende Nilofar Bakhtiyar. Sie fügt hinzu: "Die Armut zwinge Menschen mit niedrigem Einkommen zu kriminellen Aktivitäten wie Drogenhandel oder Raubüberfällen, um die täglichen Ausgaben zu bestreiten". Sie betont weiter, dass dies sowohl für männliche als auch für weibliche Gefangene gelte.

Bakhtiyar sagt, ihre Organisation habe mithilfe des staatlichen Sozialversicherungsprogramms BISP vielen einkommensschwachen weiblichen Gefangenen dabei geholfen, Geldstrafen und Kautionen für ihre Freilassung zu bezahlen. Sie fordert eine allgemeine Stärkung der Frauen durch bessere Arbeitsmöglichkeiten, damit Pakistan die wachsende Zahl von weiblichen Gefängnisinsassen eindämmen kann.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein