1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pakistanische Koran-Schulen als ideologische Brutstätten?

Imtiaz Gul 2. August 2005

Präsident Musharraf steht vor einer schwierigen Aufgabe. Nach den Bombenanschlägen von London stehen Koran-Schulen in Pakistan erneut in der Kritik. Nicht ohne Grund, denn der Extremismus hat hier Tradition.

Koranschule in MuridkeBild: AP

Eine Alltagszene in Darul-Uloom Sarhad im Herzen der mittelalterlichen Stadt Peschawar: Junge Schüler zwischen 10 und 16 Jahren wiegen sich vor und zurück, während sie Koran-Verse rezitieren und dabei auswändig lernen, ohne dass ihnen ihre Bedeutung erklärt wird. Die Rezitationen sind fester Bestandteil des achtjährigen Studiums der islamischen Theologie und Rechtsprechung in der seit 1935 bestehenden Madrassa oder Koran-Schule.

Khalid Binori ist der Hauptverwalter der Schule, die bis vor kurzem vor allem bei Taliban-Anhängern äußerst beliebt war. Binori behauptet, in seiner Koran-Schule ginge es nur um reines Wissen und Lernen. "Unsere Türen sind offen, jeder darf herein und sich anschauen, was wir hier machen. Das ist ein offenes Haus, jedermann kann sehen und erkennen, dass hier nur Bücher und Menschen, Schüler und die Bibliothek sind. Es gibt nichts Heimliches oder etwas zu verheimlichen."

Armut

Die Einrichtung der Koran-Schule spielte schon immer eine bedeutende Rolle in der islamischen Geschichte und bis heute haben sie ihre Bedeutung in der islamischen Welt beibehalten. Der an der Universität von Edinburgh promovierte Qibla Ayaz leitet heute die Fakultät der Islamischen Wissenschaften an der Universität von Peschawar. "Hauptaufgabe der Koran-Schulen ist die Erziehung im Sinne des Islam", erklärt er den kulturellen Hintergrund der Koranschulen. "Die Mehrheit der Schüler kommt aus Gegenden, die für ihre Religiosität und Frömmigkeit bekannt sind, sie stammen aus religiösen Familien, aber auch aus den armen Schichten der Bevölkerung, die sich eine andere, moderne Bildung nicht leisten können."

Koranschule in PakistanBild: AP

Hafiz Mohammad Harooni, Lehrer an einer Koran-Schule in der Hauptstadt Islamabad, führt ebenfalls Armut als Hauptgrund an, durch die Eltern gezwungen seien, ihre Söhne in die Madrassa zu schicken: "Hierher kommen Jungen aus allen Landesteilen Pakistans, hauptsächlich stammen sie aus armen Familien und sie sind Waisenkinder, die nicht genug zu Essen oder zum Ankleiden haben. Diese können hier kostenlos ihren Schulabschluss machen und die Schule kümmert sich um alle ihre Bedürfnisse."

Indoktrination

Das Problem aber ist nicht die kostenlose Bildung, sondern die Indoktrination der Schüler durch bestimmte religiöse Lehrmeinungen, die häufig durch einseitige und besonders strenge Interpretationen des Korans geprägt sind. Je länger sich die Jungen in diesen Schulen aufhalten, desto rigoroser lehnen sie jede andere Weltanschauung ab. Aus diesen Kreisen rekrutierten die Taliban bevorzugt ihre Anhänger.

"Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Koran-Schulen und dem sich auf den Islam berufenden Extremismus. Bestimmt fühlen sich viele der Schüler von solchen Koranschulen von einem Weg, der sie eventuell zum Terrorismus führt, angesprochen," erklärt Mohammad Hassan Askari, Politik-Dozent an der Pandschab-Universität.

Besatzung

Die Zahl der Koran-Schulen in Pakistan ist vor allem im Zeitraum der sowjetischen Besatzung Afghanistans in die Höhe geschnellt. Der von den Muslimen ausgehende Widerstand gegen die Sowjets wurde durch den pakistanischen Geheimdienst und US-amerikanische Finanzmittel großzügig unterstützt. Viele der Koran-Schulen - wie etwa Darul-Uloom Sarhad und Darul-Uloom Haqqania, westlich von Islamabad - wurden zu Ausbildungslagern für den muslimischen Widerstand, den so genannten Mudschahideen. Viele namhafte Talibanführer sowie die Anhänger der ägyptischen Moslem-Bruderschaft haben sich regelmäßig an diesen Schulen aufgehalten.

Nach den jüngsten Bombenanschlägen in London geraten diese Koranschulen erneut in den Blickpunkt: Nach Angaben der britischen Behörden sollen die vier Attentäter vom 7. Juli eine der Koran-Schulen zuletzt Anfang 2005 besucht haben.

Reform

Der Druck auf den pakistanischen Präsidenten Musharraf wächst, endlich die Koranschulen zu reformieren und dadurch die Unterstützung von mutmaßlichen Terroristen zu unterbinden. Musharraf hat Ausländern jetzt den Zugang zu ihnen verboten. Bereits unlängst hatte er an die Dachorganisationen der Koran-Schulen in Pakistan appelliert, sich freiwillig registrieren zu lassen. Mit der Registrierung ist eine Anerkennung des staatlichen Lehrplans verbunden, der unter anderem moderne Wissenschaften und Fremdsprachen enthält. Doch die Koran-Schulen wehren sich gegen die - nach ihrer Auffassung - staatliche Bevormundung.

Auch Khalid Rehman, stellvertretender Leiter des Instituts für politische Studien an der Universität von Islamabad, sagt, es sei nicht einfach, den Lehrplan an den Koranschulen zu ändern: "Die Schulen haben einen gewissen Bildungshintergrund, vor dem sie seit Jahren unterrichten und lehren. Sie haben sich bisher zu wenig den modernen Wissenschaften und Bildungsmöglichkeiten gegenüber geöffnet, und das hat eine gewisse Denkweise, eine gewisse Mentalität zur Konsequenz. Und diese spielt eine sehr wichtige Rolle in der gesamten Diskussion über den Wandel von innen, den die Schulen durchlaufen müssen."

Der notwendige Reformprozess wird langwierig und voller Spannungen sein. Hier ist vor allem der pakistanische Staat gefragt, der viel mehr Gelder in die Bildung investieren muss. Auch ein Programm für die Kinder der Armen, der ihnen Zugang zu den staatlichen Schulen gewährt, muss aufgelegt werden, denn nur so können die dringend notwendigen Reformen realisiert werden.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen