Palästinas Aufnahmeantrag vor dem Aus?
11. November 2011Als die Palästinenser Ende Oktober die UNESCO um Aufnahme ersuchten, stimmte Deutschland mit Nein. Sie schafften es trotzdem mit komfortabler Mehrheit und jubelten. Doch bei den Vereinten Nationen selbst weht ein anderer Wind: Hier entscheidet der mächtige Sicherheitsrat über den Aufnahmeantrag der Palästinenser. Und da stehen die Chancen mehr als schlecht.
Ein Votum stand von Anfang an fest: Das Nein der USA, die eng verbündet sind mit Israel. Frankreich und Großbritannien wollen sich enthalten, Russland und China sind dafür. Und Deutschland? Ist in der Sache dagegen, hat sich aber noch nicht festgelegt auf ein Nein oder eine Enthaltung. Die Bundesregierung möchte erst die Resolution sehen, über die am Ende möglicherweise abgestimmt wird.
Die Sicherheit Israels als Staatsräson
Im September hatte Mahmud Abbas, der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, die Aufnahme in die UN beantragt, trotz eindringlicher Warnungen Israels und der USA. Abbas reagierte damit auf den langen Stillstand in den Friedensverhandlungen und den anhaltenden israelischen Siedlungsbau auf palästinensischem Land.
Mit seinem Gang in die Weltorganisation erzeugte Abbas breite Aufmerksamkeit für das Schicksal der Palästinenser und stärkte seine eigene Position. In Berlin aber erntete er Kopfschütteln. Die Bundesregierung, für die die Sicherheit Israels ein entscheidender außenpolitischer Wegweiser ist, warnte vor einer neuen Gewalteskalation im Nahen Osten.
Friedensfahrplan ohne Mitfahrer
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wertete den Schritt der Palästinenser als unnötige Verhärtung und Konfrontation. Nur direkte Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern könnten eine Lösung bringen. Das Nahost-Quartett aus UN, EU, USA und Russland reagierte mit einem neuen Zeitplan für Friedengespräche.
Das sei die Richtschnur, an der sich die Konfliktparteien orientieren müssten, erklärte die Bundesregierung, einseitige Schritte seien nicht hilfreich. Wenig später genehmigte Israel den Bau 1100 neuer Wohnungen in Gilo im arabischen Ostteil Jerusalems.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte empört. In einem Telefonat erklärte sie Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, dafür fehle ihr "jegliches Verständnis". Der neue Verhandlungsfahrplan des Nahostquartetts bleibt indes ein bedrucktes Stück Papier - es wurde noch nicht einmal der erste Schritt getan.
Kritik der Opposition
Die Opposition in Deutschland hat kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung sich so früh gegen die Initiative der Palästinenser positioniert hat. "Damit hat sie die Regierung Netanjahu aus der Pflicht genommen, sich für neue Friedensverhandlungen zu öffnen und die Siedlungspolitik einzustellen", kritisiert der Sozialdemokrat Rolf Mützenich, Nahost-Experte seiner Fraktion.
Die Bundesregierung habe außerdem dazu beigetragen, die EU-Staaten in dieser Frage zu spalten, so Mützenich. "Für eine gemeinsame europäische Politik im Nahen Osten wäre ein gespaltenes Votum im Sicherheitsrat verheerend." In den arabischen Staaten könne Deutschland politisch in der nächsten Zukunft nur noch die Rolle eines Zaungastes spielen.
Auch der Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke von der Linksfraktion kann die Haltung der Bundesregierung nicht nachvollziehen. Die Zweistaaten-Lösung sei nur möglich, wenn auch die Palästinenser einen eigenen Staat hätten, und der Antrag in der UN sei ein Schritt in diese Richtung. "Die Bundesregierung enttäuscht die palästinensische Autonomieregierung", so Gehrckes Wahrnehmung. Es reiche eben nicht aus, vom arabischen Frühling nur zu fabulieren, auch Palästina brauche einen Aufbruch.
Der Sicherheitsrat ist uneins
Neun der 15 Stimmen bräuchten die Palästinenser mindestens, um ihren Antrag im Sicherheitsrat durchzubringen. Es ist fraglich, ob die zusammenkommen. Aber selbst wenn der Kreis der Unterstützer groß genug sein sollte, würde der Antrag am Veto der USA scheitern. Als ständiges Mitglied kann die US-Regierung gegen jede Entscheidung des Sicherheitsrats ihr Veto einlegen. Falls ihr Antrag scheitert, könnten die Palästinenser sich um einen erweiterten Beobachterstatus in den Vereinten Nationen bemühen.
Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Peter Stützle