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PolitikNahost

Palästinenser auf Partnersuche

16. September 2020

Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain haben in Washington das Normalisierungsabkommen mit Israel unterschrieben. Die Palästinenser sehen sich derweil nach neuen Bündnispartnern um. Die Suche ist schwierig.

Dr. Abdullatif bin Rashid Alzayani, Benjamin Netanyhu, Donald J. Trump und Sheikh Abdullah bin Zayed bin Sultan Al Nahyan
Bild: Chris Kleponis/picture-alliance/Pool via CNP

Annäherungsgesten in Washington, militärische Gewalt zwischen Israel und dem Gazastreifen. Während im Weißen Haus der israelische Premier Benjamin Netanjahu gemeinsam mit den Außenministern der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrains das zuvor ausgehandelte Normalisierungsabkommen unterzeichnete , flogen aus dem Gazastreifen rund 15 Raketen auf israelisches Territorium. Die israelische Luftwaffe antwortete mit Angriffen auf deren militärische Stellungen.

Im Westjordanland zeigten sich die Palästinenser hingegen zurückhaltend, berichtet Steven Höfner, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in den Palästinensischen Gebieten. Die Lage sei in den letzten Tagen erstaunlich ruhig gewesen. In Ramallah habe es kleinere Proteste gegeben. Rund 150 Personen hätten sich dort zu einer Kundgebung getroffen, im gesamten Gebiet seien es einige hundert gewesen. "Die meisten Menschen haben die Einigung erwartet. Sie sehen sich in dem Eindruck bestätigt, dass sich die arabische Welt für die Palästinenser immer weniger interessiert."

Gegen Normalisierung: Protestkundgebung in RamallahBild: Issam Rimawi/picture-alliance/AA

So hatten sich etwa die Mitgliedstaaten der Arabischen Liga auf ihrem letzten Treffen nicht dazu entscheiden können, die Annäherung zwischen Israel und den VAE zu verurteilen. Die Forderung der Palästinenser, eben dies zu tun, hatte das Gremium abgelehnt. "Auch dies hat dazu beigetragen, das Isolationsgefühl der Palästinenser weiter wachsen zu lassen", so Höfner.

Liebesgrüße aus Teheran

Derweil hat der iranische Präsident Hassan Ruhani das Normalisierungsabkommen scharf verurteilt. "Wo bleibt euer Arabismus, wo eure Sorgen über die (israelischen) Verbrechen in Palästina und wo euer Mitgefühl für eure palästinensischen Brüder?", fragte er rhetorisch.

Solche Aufrufe kommen allerdings nur in Teilen in der palästinensischen Gesellschaft an. "Im Westjordanland finden die Äußerungen aus dem Iran nur geringe Aufmerksamkeit", sagt Steven Höfner. "Größeren Anklang finden sie im Gazastreifen, wo sich insbesondere Personen aus dem Umfeld der Hamas wie auch des Palästinensischen Dschihads ein Bündnis mit oder zumindest eine Annäherung an den Iran vorstellen können."

Zorn und Wut im Gazastreifen: Szene aus Gaza-Stadt am 15. September 2020Bild: Samar Abu Elouf/picture-alliance/ZUMAPRESS/IMAGESLIVE

Die im Westjordanland vorherrschende Skepsis dürfte hingegen auf der Überlegung beruhen, dass der Iran in weiten Teilen der arabischen Welt isoliert ist, er vor allem aber unter dem Sanktionsregime der USA steht. Jede Annäherung an die Regierung in Teheran könnte direkten oder indirekten Druck aus Washington nach sich ziehen. Auch in den Hauptstädten der Europäischen Union würden palästinensisch-iranische Kontakte auf wenig Sympathie stoßen. Insbesondere Deutschland würde reagieren, sollten sich Palästinenser und Iraner zusammenfinden und ein Bündnis gegen Israel schmieden.

Risikopartnerschaft mit der Türkei

Deutliche Worte für das Zugehen Bahrains auf Israel fand auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. "Sie (diese Entscheidung, Anm. d. Red.) wird Israel weiter ermutigen, sein illegitimes Vorgehen gegen die Palästinenser fortzusetzen." Bereits zuvor hatte er die Entscheidung der VAE kritisiert. Dieses "heuchlerische Verhalten" würden die Menschen der Region "niemals vergessen", so der türkische Präsident.

Die Äußerungen aus Ankara kommen in den Autonomiegebieten besser an als die aus Teheran. "Eine ganze Reihe von Palästinensern setzt ihre Hoffnungen auf die Türkei", sagt Steven Höfner von der Adenauer-Stiftung. "Sie sehen in ihr einen Staat, der genügend politisches Gewicht hat, die palästinensischen Interessen ernsthaft zu vertreten."

Verbündete der Palästinenser? Der türkische Premier Erdogan (li.) und sein iranischer Amtskollege RuhaniBild: Presidential Press Service/picture-alliance/AP Photo

Allerdings ist die Türkei außenpolitisch derzeit vielfach engagiert. In Nordsyrien bekämpft sie die kurdischen Organisationen, im Mittelmeer ficht sie mit Griechenland einen Konflikt um die Nutzung von Gasrechten im Mittelmeer aus, und in Libyen unterstützt sie militärisch den Chef der Regierung der Nationalen Einheit, Fajis al-Sarradsch. Insofern ist offen, inwieweit sie Ressourcen hat, sich zudem noch für die Palästinenser zu engagieren. Zudem würde eine palästinensisch-türkische Annäherung auch in der EU skeptisch gesehen. Viele EU-Staaten gehen auf Distanz zu Ankara. Der Grund sind unter anderem der Streit mit Griechenland und die Praxis, Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Griechenland reisen zu lassen und Europa auf diese Weise unter Druck zu setzen. Ebenso zum schlechten Verhältnis beigetragen hat der rüde innenpolitische Kurs unter der derzeitigen türkischen Präsidentschaft.

Hoffen auf Russland und Katar

Angesichts der sich rapide wandelnden Ordnung im Nahen Osten hoffen die Palästinenser auf zwei weitere Staaten: Russland und Katar. Russland hat gute Beziehungen zu Israel, die sich, so die Hoffnung in Ramallah, in Jerusalem auch zugunsten der palästinensischen Interessen nutzen lassen könnten. Allerdings ist Israel für Russland ein wichtiger Ansprechpartner in Syrien. Beide Staaten sind militärisch im syrischen Luftraum aktiv; enge technische und langfristig auch strategische Absprachen zwischen beiden Staaten sind darum unumgänglich.

Auch Katar, das den Gazastreifen mit hohen Millionenbeträgen unterstützt hat. Dies tat das Golfemirat in enger Absprache mit Israel. "Dieses Engagement lässt das Emirat in den Augen vieler Palästinenser als Vermittler in weiteren Verhandlungen mit Israel erscheinen", so Höfner. Bislang aber haben auch diese Hoffnungen sich politisch nicht erfüllt.

Zögern in Riad

Lange Zeit galt auch Saudi-Arabien in den Augen vieler Palästinenser  als verlässlicher Verbündeter. Insbesondere König Salman gilt als konsequenter Verfechter der palästinensischen Interessen. Dass sein Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman, der voraussichtlich künftige starke Mann des Königreichs, diese Solidarität aufrechterhalten wird, scheint zweifelhaft. In mehreren Gesprächen mit Jared Kushner, dem Sonderbeauftragten der Regierung Trump für den Nahen Osten, hatte er Presseberichten zufolge Sympathien für die derzeitigen amerikanischen Bestrebungen zur Normalisierung des israelisch-arabischen Verhältnisses erkennen lassen. Noch aber scheut Saudi-Arabien den offenen Schulterschluss mit Israel. 

Hoffen auf gute Partnerschaft: Eine Lichtprojektion in JerusalemBild: AFP/M. Kahana

Entsprechend zurückhaltend sehen die Palästinenser in Richtung Riad. 80 Prozent sind einer dieser Tage durchgeführten Umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research der Auffassung, dass Saudi-Arabien den VAE grünes Licht gegeben habe, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Noch mehr - 82 Prozent - gehen davon aus, dass das saudische Königreich absehbar denselben Schritt denselben Schritt wie die VAE und Bahrain tun wird.

Palästinensische Selbstkritik 

Zwar bemühen sich die Fatah auf der einen und die den Gazastreifen regierende Hamas auf der anderen Seite derzeit verstärkt um eine gemeinsame Position, die irgendwann in ein vereintes, für die gesamten Autonomiegebiete zuständiges Führungsgremium fließen soll. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Auch lassen entsprechende Reformen ebenso auf sich warten wie die Parlamentswahlen - die letzten fanden im Jahr 2006 statt.

Wollten die Palästinenser in der arabischen Welt wieder größeren Einfluss gewinnen, müssten sie bei Reformen im eigenen Lager gewinnen, schreibt die in Ramallah erscheinende und der Fatah verbundene Zeitung Al-Ayyam. "Unsere Uneinigkeit ermutigt einige Länder, sich zurückzuziehen und sich gegen die Interessen des palästinensischen Volkes zu stellen". Wollte sie diese Entwicklung aufhalten, müsse sie bei sich selbst anfangen. "Ansonsten", warnt das Blatt, "verlieren wir noch mehr an Einfluss und werden uns noch stärker isolieren."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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