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Politik

Palästinenser treiben Versöhnung voran

3. November 2017

Die palästinensische Autonomiebehörde hat von der Hamas die Kontrolle über die Grenzübergänge am Gazastreifen übernommen. Damit schreitet die Aussöhnung zwischen den rivalisierenden Parteien Fatah und Hamas voran.

Gazastreifen Hamas Übergabe Grenzverwaltung an Palästinenserbehörde
Bild: Getty Images/AFP/T. Coex

"Was immer es kosten mag - wir werden nicht zurückschauen". Ismail Haniyyah, Chef des Politbüros der Hamas, gab sich anlässlich des Wachwechsels an den Grenzübergängen des Gazastreifens entschlossen. Soeben hatte die Palästinensische Autonomiebehörde in einem feierlichen Akt die Kontrolle über die Grenzübergänge übernommen. Der Akt dokumentierte zum einen die politische Ausweglosigkeit der Hamas-Islamisten, die den Gazastreifen bislang regieren, ebenso aber auch den von allen Gesprächspartnern bezeugten Willen zu Zusammenarbeit und Neuanfang.

Dieser Wille verlangt vor allem von der Hamas erhebliche Verzichtsleistungen. Schließlich ist sie es, die die größten Kompromisse macht, indem sie einen Großteil ihrer Macht abgibt. Seine Partei stehe zur Aussöhnung, erklärte Haniyyah, in den Jahren 2006 und 2007 einer der beiden Ministerpräsidenten der grundsätzlich von der Fatah dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde. Nun allerdings, betonte Haniyyah, habe auch die Hamas hohe Erwartungen: "Wir haben getan, was wir tun sollten. Nun fordere ich die Autonomiebehörde auf, ihrerseits das zu leisten, was wir vereinbart haben".

Gemeint ist: Die Autonomiebehörde solle die ökonomischen Sanktionen aufheben, die sie über den Gazastreifen verhängt hat. Im Juni hatte die für die Überweisung der Stromrechnung an Israel zuständige palästinensische Autonomiebehörde die Zahlungen drastisch gekürzt. Daraufhin hatten Bewohner des Gazastreifens nur noch vier Stunden täglich Strom. Hintergrund waren Spannungen zwischen der das Westjordanland regierenden Fatah und der Hamas. Beide Gruppen betrachten sich als politisch legitimiert und warfen einander vor, die Arbeit der jeweils anderen Seite zu unterwandern.

Letzte Amtshandlung: Ein Hamas-Offizier schließt den Übergang Rafah vor der Übergabe an die AutonomiebehördeBild: picture-alliance/dpa/A. Hana

Ein strikter Zeitplan

Nun aber scheint es, als wären beide Parteien bereit, die im Oktober in Kairo vereinbarten Ziele auch umzusetzen. Die weiteren abgesprochenen Schritte sollen einem strikten Zeitplan folgen: Nach der für den 1. November vereinbarten Übergabe der Grenzkontrollen sollen die beiden Parteien am 1. Dezember eine gemeinsame Regierung bilden. Anschließend sollen gemeinsam die Probleme der Zivilgesellschaft angegangen werden - vor allem die nach wie vor schwierige Versorgungslage. Bis zum Februar 2018 soll dann auch einer der heikelsten Punkte des Abkommens, die Entwaffnung der mit der Hamas verbundenen Al-Qassam-Brigaden umgesetzt sein. 

Die palästinensische Autonomiebehörde zeigt sich hinsichtlich der Chancen, die gesetzten Ziele zu erreichen, vorsichtig optimistisch. Gewiss gebe es mit Blick auf die Spannungen weiterhin Bedenken und auch ein gewisses Maß an Misstrauen. "Wir wissen aber jetzt, dass es der Hamas ernsthaft um Aussöhnung geht", erklärte ein ungenannt bleiben wollender Vertreter der Autonomiebehörde dem Internetmagazin Al-Monitor. "Hamas hat Interesse an einer Aussöhnung. Die Gründe dafür spielen keine Rolle. Es kommt auf die Absicht und das Ergebnis an."

Hamas bemüht sich um Deeskalation

Noch ist die Zusammenarbeit zu kurz, um Rückschlüsse darauf zuzulassen, ob sie dauerhaft funktionieren wird. Doch die bisherigen Zeichen geben Anlass zur Hoffnung. Dazu gehört auch die zurückhaltende Antwort der Hamas auf die Sprengung eines Tunnels, der vom Gazastreifen auf israelisches Territorium führte. Bauten dieser Art dienen einerseits dem Warenschmuggel. Andererseits versuchen radikale Palästinenser auf diese Weise immer noch, auf israelisches Gebiet vorzudringen. Einen Tunnel dieser Art hatten Extremisten bei der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalid im Juni 2006 benutzt. Galid blieb über fünf Jahre ein Gefangener der Hamas.

Gesprengt: der Tunnel aus dem Gazastreifen nach IsraelBild: Reuters/I. Abu Mustafa

Den nun gesprengten Tunnel hatte Israel mit Hilfe einer ganz neuen, geheimen Technologie entdeckt. Bei der Detonation kamen acht Menschen ums Leben, vierzehn wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren fünf Mitglieder der extremistischen Organisation Islamischer Dschihad sowie ein Mitglied der Hamas. Während der Islamische Dschihad die Waffenruhe mit Israel für beendet erklärte, hielt sich die Hamas mit vergleichbaren Äußerungen zurück. Zugleich gelang es ihr, militante Islamisten davon abzubringen, die Spannungen weiter eskalieren zu lassen. Dies werde nur zu einer weiteren gewalttätigen Auseinandersetzung mit Israel führen. Israel erklärte indessen, der Tod der Personen in dem Tunnel sei nicht beabsichtigt gewesen.

Signale aus Israel

Aus Israel kommen derzeit unterschiedliche Signale. Die Aussöhnung der Palästinenser führe "ins Nichts", zitiert die israelische Tageszeitung Israel Hayom einen ebenfalls namentlich nicht genannten Vertreter des Verteidigungsministeriums.

Zugleich aber kündigte der israelische Regierungskoordinator für die Autonomiegebiete, Generalmajor Yoav Mordechai, in einer Presseerklärung an, Israel werde bei einem baldigen Treffen mit Vertretern der Autonomiebehörde einen gemeinsamen Arbeitsprozess entwickeln. "Dieser enthält auch israelische Sicherheitskriterien und -anforderungen. Dabei kommt es ganz wesentlich darauf an, dass kein Vertreter der Hamas oder eine ihr nahestehende Person in Aktivitäten rund um die Grenzübergänge eingebunden ist."

Auch diese Kröte hat die Hamas bislang geschluckt. Die Chancen für eine Aussöhnung der Palästinenser und damit womöglich auch eine weitere Annäherung an Israel sind in den vergangenen Tagen gewachsen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika