Die deutsche Regisseurin hat mit "Toni Erdmann" bei den Filmfestspielen in Cannes eine Palme in Aussicht. Doch noch ist das Rennen nicht vorbei. Die Jury entscheidet Sonntag. Bei den Kritikern liegt Ade vorn.
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Favoriten für die Goldene Palme: Maren Ade und die Anderen...
Die deutsche Regisseurin hat mit ihrem Film "Toni Erdmann" bei den Filmfestspielen in Cannes eine Palme in Aussicht. Ob's die goldene wird, entscheidet die Jury am Sonntagabend. Viele Mitbewerber hat sie nicht mehr.
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Ovationen und Kritikerlob
Damit hatte keiner gerechnet: Dass die überraschend zum Wettbewerb nach Cannes eingeladene junge deutsche Regisseurin Maren Ade das Festival im Sturm erobern würde. Und auch Ade selbst, hier eingerahmt von ihren beiden Hauptdarstellern Sandra Hüller und Peter Simonischek, war überrascht. Erst nach dem Festival werde sie wohl realisieren, was in Cannes geschehen ist, sagte die Regisseurin.
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Humor aus Deutschland
Überraschend war der Erfolg des Films "Toni Erdmann" vor allem, weil hier ein deutscher Beitrag das Festival eroberte, der auf Witz und Humor setzte. Die Deutschen und der Humor - daran haben viele nicht geglaubt. "Toni Erdmann" ist nicht nur ein guter Film mit herausragenden Dialogen und Darstellern - er hat möglicherweise auch ein international vorherrschendes Klischee demontiert.
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Die anderen Kandidaten für die Palmen
Noch ist der Wettbewerb um die Goldene Palme nicht beendet. Weitere Schwergewichte der internationalen Kinoszene präsentieren ihre Werke erst in den letzten Tagen. So das junge kanadische Genie Xavier Dolan, der seinen neuen Film "Juste la Fin du Monde" vorstellte. Die Intensität seiner letzten Filme habe Dolan mit seinem neuen Opus nicht ganz erreichen können - so erste Kritikerreaktionen.
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Starvehikel aus Hollywood
Für reichlich Star-Power auf dem Roten Teppich in Cannes dürfte am Freitag noch die fünfte Regiearbeit des Schauspielers Sean Penn sorgen. Penn präsentiert seinen Film "The Last Face", ein Drama aus den von Kriegen und Katastrophen heimgesuchten afrikanischen Staaten Sudan und Liberia. Penn lässt dort eine Entwicklungshelferin (Charlize Theron) und einen Arzt (Javier Bardem) aufeinandertreffen.
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Aus dem Iran kommt Asghar Farhadi
Erst am Samstag kommt dann ein weiterer Geheimtipp zur Uraufführung. Der iranische Regisseur und Oscarpreisträger Asghar Farhadi wurde erst kurz vor Schluss mit seinem gerade fertig gewordenen Film "Forushande" in den Kreis der 21 Wettbewerbsbeiträge eingeladen. Farhadi erzählt darin von einem jungen Paar, dessen Beziehung sich durch dramatische Ereignisse tiefgreifend verändert.
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Thrillerkost von Paul Verhoeven
Und schließlich dürfte auch der neue Film des Holländers Paul Verhoeven kurz vor dem Wettbewerbsende auf großes Interesse stoßen. Verhoeven hat in den letzten Jahren in Hollywood gearbeitet. Jetzt ist er nach Europa zurückgekehrt und bringt die deutsch-französische Co-Produktion "Elle" mit: Isabelle Huppert spielt in dem Thriller eine Frau, die von einem maskierten Gewalttäter bedroht wird.
Bild: Festival de Cannes
Zweifache Preisträger: die Brüder Dardenne
Falls die Belgier Jean-Pierre und Luc Dardenne die Goldene Palme erringen sollten, wäre das eine Sensation. Nicht, weil man das den beiden regieführenden Brüdern nicht zutrauen würde. Doch die Belgier haben bereits zweimal die Palme gewonnen - das ist jetzt schon Rekord. Auf dem Roten Teppich in Cannes ließen sie sich mit ihrem Team nach der Premiere von "La Fille Inconnue" schon mal feiern.
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Independentikone Jim Jarmusch
Gut angekommen ist in den letzten Tagen auch der neue Film von Jim Jarmusch. Der US-Amerikaner (rechts, an der Seite seiner Darsteller Adam Driver und Golshifteh Farahani) zeigte an der Côte d'Azur seinen neusten Regie-Streich "Paterson". Darin erzählt er vom Alltag eines Busfahrers in Paterson, New Jersey. Ein typischer Jarmusch-Film: feinfühlig und lakonisch, genau beobachtet und gut gespielt.
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Starke Rumänen
Außenseiterchancen werden auch den beiden rumänischen Beiträgen "Sieranevada" (unser Bild) von Cristi Puiu und "Bacalaureat" von Cristian Mungiu eingeräumt. Puiu blickt tief in die Mechanismen der modernen rumänischen Gesellschaft, arbeitet mit sozialkritischen und komödiantischen Mitteln. Mungius Opus handelt von einem Vater, der seinen Ehrgeiz in die Ausbildung seiner Tochter investiert.
Bild: Festival de Cannes
Altmeister Ken Loach
Schließlich schnitt auch der britische Regisseur Ken Loach in Cannes gut ab - hier in der Mitte seiner Darsteller auf dem Roten Teppich. Loach, der im Juni 80 Jahre alt wird, erzählt in "I, Daniel Blake" von einem älteren Mann, der nach einem Herzinfarkt noch einmal neu anfangen muss. Wie immer bei Loach geht es um sozial benachteiligte Menschen, um Außenseiter der britischen Gesellschaft.
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Politisches aus Brasilien
"Stoppt den Putsch" und "Brasilien ist keine Demokratie mehr" stand auf den Plakaten, die der brasilianische Regisseur Kleber Mendonça Filho und sein Team am Mittwoch in Cannes hochhielten. Sie protestierten damit gegen die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Rousseff. Kleber Mendonça Filho zeigte im Wettbewerb sein Gesellschaftsdrama "Aquarius" - und erntete überwiegend gute Kritiken.
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Seit zwölf Jahren veröffentlicht die britische Zeitung "Screen" während der Filmfestspiele in Cannes einen sogenannten Kritikerspiegel. Darin beurteilen elf renommierte Kritiker aus aller Welt die Filme des Wettbewerbs. Vier Sterne für einen Film bedeuten bei diesem Spiel die Höchstnote. Ein Film, der von allen elf Kritikern mit dieser Auszeichnung bedacht werden würde, bekäme also die Note 4.
Maren Ades Wettbewerbsbeitrag "Toni Erdmann" führt diese Rangliste seit ein paar Tagen und damit kurz vor Schluss des Festivals souverän an. Ihr Film erreicht eine Zustimmungsnote von 3,8. Experten, die diese Liste seit ihrer Einführung vor zwölf Jahren akribisch beobachten, kommen auf lediglich einen Film, der in Cannes in diese Sphären gestoßen ist: Mike Leighs Künstlerporträt "Mr. Turner" vor zwei Jahren.
Auch die Rangliste der Fachzeitschrift "The Hollywood Reporter", die seine Kritiker ebenfalls um eine Bewertung bittet, zeigt bisher einen eindeutigen Favoriten: "Toni Erdmann" aus Deutschland. In die "Hollywood Reporter"-Wertung fließen sogar alle Filme des diesjährigen Cannes-Jahres ein, also auch die der anderen Programmsektionen.
Starke Palmenkonkurrenz zum Schluss
Zu früh sollte sich Maren Ade jedoch nicht freuen. Was die Kritiker gut finden, ist nicht immer deckungsgleich mit dem Urteil der Jury. Dafür lassen sich zahlreiche Beispiele aus den letzten Jahren finden. Und in den letzten Festivaltagen bis Samstag folgen ja auch noch einige hochkarätige Namen im Wettbewerb um die Goldene Palme: der Kanadier Xavier Dolan oder der Iraner Asghar Farhadi zum Beispiel.
"Toni Erdmann" wurde schon in viele Länder verkauft
Doch wie immer der australische Regisseur und Jurypräsident George Miller und seine Mitstreiter am Sonntag entscheiden werden, "Toni Erdmann" ist Ruhm und Ehre schon jetzt sicher. Eine Palme für Ades Film gilt als ziemlich sicher, wenn's nicht die Goldene werden sollte, stehen Miller & Co noch einige andere Preise zur Verfügung, die für die beste Regie, das beste Drehbuch, die für die Schauspieler oder auch der sogenannte Große Preis der Jury - eine Art Silbermedaille nach der Goldenen Palme.
Die ungeheuer positive Resonanz, auf die Maren Ades dritter Spielfilm in Cannes bei der Kritik gestoßen ist, zeigt sich auch noch in anderer Hinsicht. Direkt nach der Uraufführung des Films wurden zahlreiche Verkäufe gemeldet. "Toni Erdmann" wird demnächst nicht nur in Deutschland zu sehen sein, sondern auch in vielen europäischen Ländern. Auch die US-Amerikaner können sich auf Ades Film freuen. Sony Pictures Classics erwarb die Rechte für Nordamerika.
Diskussionen um den Frauenanteil im Kino
Nach vielen Jahren Pause, in denen kein deutscher Film zum Wettbewerb nach Cannes eingeladen wurde, feiert das deutsche Kino an der Croisette einen unerwarteten Triumph. Dass dieser nach den vielen in Cannes geführten Diskussionen über die Missachtung von Regisseurinnen auch noch einer Frau zukommt, ist ein weiterer Mosaikstein in dieser phantastischen Geschichte. Jetzt heißt es nur noch Warten: Am Sonntagabend weiß die Filmwelt mehr. Wenn George Miller verkündet: "The Winner is…"