Die Terrormiliz IS hat im vergangenen Jahr die legendäre Oasenstadt Palmyra gesprengt. Wie groß der Verlust ist, das zeigt eine Ausstellung in Köln – mit Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert.
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Erinnerungen an eine glanzvolle Vergangenheit: Was bleibt von Palmyra?
Der Schock sitzt tief: Die Terrormiliz IS hat 2015 die Oasenstadt Palmyra gesprengt. Wie groß der Verlust ist, zeigt eine Ausstellung in Köln – mit Zeichnungen des Franzosen Louis-François Cassas aus dem 18. Jahrhundert.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Daniel Lohmann
Zeichner, Archäologe, Architekt
Der Franzose Louis-François Cassas stammte – wie viele Orientreisenden – aus einer Adelsfamilie. Sein Vater war königlicher Landvermesser und ein Marquis. 1785 hielt er sich rund zwei Monate in Palmyra auf. Dort zeichnete er alle Gebäude der legendären Ruinenstadt ab. Sein Werk belegt die glanzvolle Vergangenheit des antiken Palmyra.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud
Zeichen der Solidarität
123 Zeichnungen und Stichvorlagen befinden sich im Bestand des Wallraf-Richartz-Museums. Für die Ausstellung "Palmyra – was bleibt?" wurden einige extra restauriert. Genau wie seine Vorgänger stieß auch Cassas auf seiner Reise nur auf ein Skelett: Doch anstatt nur die Ruinen zu zeichnen, gelang es ihm, in seinen Zeichnungen zu rekonstruieren, wie Palmyra einst aussah.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud
Palmenoase und Handelsmetropole
Palmyra liegt auf halbem Weg zwischen Damaskus und der Grenze zum Irak. Die imposanten Bauwerke blieben gut erhalten. Sie entstanden zwischen Christi Geburt und dem dritten Jahrhundert - und zeugen vom Reichtum dieser griechisch-römischen Stadt: Gewürze, Edelsteine, Stoffe wurden durch die Karawanenstadt transportiert. Palmyra war eine unabhängige Freihandelszone.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Daniel Lohmann
Architektonischer Stilmix
Palmyra passte sich dem Zeitgeist und der Lage an - auch architektonisch: Die Gebäude sind geprägt von einem griechisch-römischen Stil, gepaart mit ornamentalen Schnörkeln. Das Amphitheater zeigt eine orientalische Palastfront als Bühne. Für diese wurden Stücke in aramäischer Sprache verfasst.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Marczok
Der Geist der Antike
Seit dem 15. Jahrhundert, der Renaissance, wollten Künstler, Architekten und Gelehrte den Geist der Antike wiederbeleben. Cassas betrieb Bauforschung mit einer besonderen Perspektive: In seinen Zeichnungen unterschied er zwischen vorhandener und erdachter Architektur, die er farblich kennzeichnete. Schwarz erscheint, was er tatsächlich mit eigenen Augen sah, rot seine Rekonstruktionen.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud
Dokumentation der Turmgräber
In Cassas Zeichnungen lassen sich besonders gut Palmyras Begräbnisrituale studieren. Die Turmgräber bestanden aus drei bis vier Geschossen. Auf jeder Etage wurden 42 Sarkophage untergebracht. Sie waren reich verziert und auf der Grabplatte mit dem Konterfei des Verstorbenen ausstaffiert.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud
Privileg der Eliten
Dass in den gut 20 Meter hohen Turmgräbern nur reiche Palmyrer, die durch den Wüstenhandel Vermögen angesammelt hatten, bestattet wurden, zeigt auch die reiche Dekoration im Innern. Nicht immer ist klar, was davon real existierte, als er es zeichnete.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud
Heiligtum des Bel
Die religiöse Kultstätte wurde am Ende des zweiten Jahrhunderts unter römischer Herrschaft fertiggestellt. Es gehörten noch weitere Tempelanlagen dazu, die zerstört wurden. Die Gottheit des Bel war die lokale Entsprechung des griechischen Zeus. Interessant an der Architektur ist die Verzahnung der griechisch-römischen Bautradition und der orientalischen Formensprache.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud
Tempelanlage des Baalshamin
Der rund 2000 Jahre alte Baalshamin-Tempel wurde ebenfalls vom IS zum Einsturz gebracht. Baalshamin, der "Herr des Himmels", war eine der bedeutendsten Gottheiten in Palmyra. Der Tempel besaß eine Säulenvorhalle und einen dreieckigen Giebel.
Bild: Reuters/Stringer
Säulenstraße
Die Große Kolonnade war eine gigantische Achse durch Palmyra, die allerdings nicht gerade durch die Stadt verlief, sondern an mehreren Stellen ihre Richtung leicht änderte. An ihren Seiten waren Geschäfte, aber auch die Agora, ein Theater und die Diokletiansthermen angesiedelt.
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Daniel Lohmann
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Einen symbolischen Ort hatte sich der "Islamische Staat" (IS) für die Massenhinrichtung ausgesucht: Am 27. Mai tötete die Terrormiliz 25 syrische Uniformierte in den Überresten des antiken Amphitheaters von Palmyra. Auf einem Video, das danach im Internet zu finden war, konnte die Weltöffentlichkeit die perfide Tat zudem nachträglich verfolgen. Die Hinrichtung, schreibt Horst Bredekamp im Katalog-Beitrag zur Ausstellung "Palmyra – Was bleibt?" im Wallraf-Richartz Museum in Köln, war der Anfang eines Bildersturms, der als "Auftakt zur Zerstörung von Kunstwerken inszeniert war".
Vernichtet wurden der 2000 Jahre alte Baaltempel, der Baalschamin Tempel sowie ein Triumphbogen, der um 200 nach Christus erbaut worden war. Anhand von Satellitenaufnahmen bestätigten die Vereinten Nationen die Zerstörung des UNESCO-Weltkulturerbes Palmyra. In ihrer Zerstörungswut töteten die Extreministen auch den Archäologen Chaled al-Asaad, der sein Leben der Erforschung von Palmyra gewidmet hatte. Schon jetzt gibt es Initiativen, angeführt von Helmut Parzinger, Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, die antike Stadt eines Tages wieder aufzubauen.
Palmyra – Opfer der Zerstörungswut des IS
Wie Grüße aus einer heilen Vergangenheit wirken da die 40 Zeichnungen des französischen Bauforschers Louis-François Cassas, der zwischen 1784-1787 in den Orient aufbrach, um die "Königin der Wüste" zu zeichnen: Säule für Säule, Tempel für Tempel. Das Wallraf-Richartz-Museum will nun mit Hilfe dieser Hommage an die glanzvolle Vergangenheit der Oasenstadt ein "kulturelles Zeichen" setzen und Solidarität bekunden, wie Kurator Thomas Ketelsen betont. Die Zeichnungen stammen aus dem Depot des Kölner Museums. Sie wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert erworben und wurden nun - mit Unterstützung einer privaten Stiftung - eigens für die Ausstellung restauriert.
Louis-François Cassas war nicht der erste, der die antiken Gebäude Palmyras dokumentieren wollte. Doch er war der erste, der sein Vorhaben mit einer bemerkenswerten analytischen Akribie anging. Er überhöhte nicht die Ästhetik der Ruinen (wie seine Vorgänger), sondern er erforschte sie und ordnete sie ein. Cassas ging vor wie ein "Künstler, der die Architektenbrille aufsetzt", so Ketelsen. Er erkannte das Besondere des Nebeneinanders der Kulturepochen, ihre "Amalgamierung": Nicht nur griechische, sondern auch römische und islamische Stile überlagern sich in der Oasenstadt mit ihren Säulenalleen, Thermen und Amphitheatern. Cassas zeichnete, wie sich in den Kapitellen griechische, römische und ornamentale Schnörkel mischten. Genau dieser friedliche Stilmix habe im IS den "Furor der Zerstörung" ausgelöst, so Ketelsen.
"Erdachte Architektur": Gesehenes und Rekonstruiertes
Im Jahr 1785 zeichnete Cassas vor Ort innerhalb von nur 34 Tagen alle Baudenkmäler: Er erfasst erst ihre Grundrisse, um sich danach den Details zu widmen. Das Bemerkenswerte: Cassas sah die Welt der Ruinen und komplettierte sie durch seine Fantasie. Denn er unterschied zwischen Gesehenem und Rekonstruiertem. Diesen Unterschied machte er durch eine farbliche Markierung in seinen Zeichnungen deutlich.
Mit dieser Methode der "erdachten Architektur" läutete der Franzose, dessen Mission vom französischen Botschafter in Konstantinopel finanziert wurde, einen Wendepunkt in der Bauforschung ein. Hinter seiner Expedition stand die Vision, eine Publikation voller Stiche über Palmyra zu schaffen. Es gelang ihm nur ansatzweise: Am Ende enthielt sie nur 180 von insgesamt 330 Werken. Cassas Arbeit wurde schon zu Lebzeiten von berufener Stelle gelobt: Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe, der den Franzosen im September 1797 auf seiner Italienischen Reise in Rom in dessen Wohnung besuchte, war fasziniert und bezeichnete ihn später als "meinen Lehrer". Er bewunderte Cassas für seine präzise und ästhetisch anspruchsvolle Rekonstruktion der Spätantike. Vor allem aber begeisterte er sich für die Fantasie, mit der der Zeichner die Bauwerke wieder in ihren Urzustand zurückversetzte. Heute sind diese detailverliebten Zeichnungen die letzten Zeugnisse der reichen Vergangenheit Palmyras.