1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Von Palmyra lernen

Sabine Oelze26. Februar 2016

Die Terrormiliz IS hat im vergangenen Jahr die legendäre Oasenstadt Palmyra gesprengt. Wie groß der Verlust ist, das zeigt eine Ausstellung in Köln – mit Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert.

Ausstellung "Palmyra - was bleibt" im Wallraf-Richartz Museum in Köln
Bild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud

Einen symbolischen Ort hatte sich der "Islamische Staat" (IS) für die Massenhinrichtung ausgesucht: Am 27. Mai tötete die Terrormiliz 25 syrische Uniformierte in den Überresten des antiken Amphitheaters von Palmyra. Auf einem Video, das danach im Internet zu finden war, konnte die Weltöffentlichkeit die perfide Tat zudem nachträglich verfolgen. Die Hinrichtung, schreibt Horst Bredekamp im Katalog-Beitrag zur Ausstellung "Palmyra – Was bleibt?" im Wallraf-Richartz Museum in Köln, war der Anfang eines Bildersturms, der als "Auftakt zur Zerstörung von Kunstwerken inszeniert war".

Vernichtet wurden der 2000 Jahre alte Baaltempel, der Baalschamin Tempel sowie ein Triumphbogen, der um 200 nach Christus erbaut worden war. Anhand von Satellitenaufnahmen bestätigten die Vereinten Nationen die Zerstörung des UNESCO-Weltkulturerbes Palmyra. In ihrer Zerstörungswut töteten die Extreministen auch den Archäologen Chaled al-Asaad, der sein Leben der Erforschung von Palmyra gewidmet hatte. Schon jetzt gibt es Initiativen, angeführt von Helmut Parzinger, Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, die antike Stadt eines Tages wieder aufzubauen.

Palmyra – Opfer der Zerstörungswut des IS

Wie Grüße aus einer heilen Vergangenheit wirken da die 40 Zeichnungen des französischen Bauforschers Louis-François Cassas, der zwischen 1784-1787 in den Orient aufbrach, um die "Königin der Wüste" zu zeichnen: Säule für Säule, Tempel für Tempel. Das Wallraf-Richartz-Museum will nun mit Hilfe dieser Hommage an die glanzvolle Vergangenheit der Oasenstadt ein "kulturelles Zeichen" setzen und Solidarität bekunden, wie Kurator Thomas Ketelsen betont. Die Zeichnungen stammen aus dem Depot des Kölner Museums. Sie wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert erworben und wurden nun - mit Unterstützung einer privaten Stiftung - eigens für die Ausstellung restauriert.

Louis François Cassas: Beltempel (Sonnentempel) von Norden, 1785, Feder in Schwarz, laviertBild: Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud

Louis-François Cassas war nicht der erste, der die antiken Gebäude Palmyras dokumentieren wollte. Doch er war der erste, der sein Vorhaben mit einer bemerkenswerten analytischen Akribie anging. Er überhöhte nicht die Ästhetik der Ruinen (wie seine Vorgänger), sondern er erforschte sie und ordnete sie ein. Cassas ging vor wie ein "Künstler, der die Architektenbrille aufsetzt", so Ketelsen. Er erkannte das Besondere des Nebeneinanders der Kulturepochen, ihre "Amalgamierung": Nicht nur griechische, sondern auch römische und islamische Stile überlagern sich in der Oasenstadt mit ihren Säulenalleen, Thermen und Amphitheatern. Cassas zeichnete, wie sich in den Kapitellen griechische, römische und ornamentale Schnörkel mischten. Genau dieser friedliche Stilmix habe im IS den "Furor der Zerstörung" ausgelöst, so Ketelsen.

"Erdachte Architektur": Gesehenes und Rekonstruiertes

Im Jahr 1785 zeichnete Cassas vor Ort innerhalb von nur 34 Tagen alle Baudenkmäler: Er erfasst erst ihre Grundrisse, um sich danach den Details zu widmen. Das Bemerkenswerte: Cassas sah die Welt der Ruinen und komplettierte sie durch seine Fantasie. Denn er unterschied zwischen Gesehenem und Rekonstruiertem. Diesen Unterschied machte er durch eine farbliche Markierung in seinen Zeichnungen deutlich.

Mit dieser Methode der "erdachten Architektur" läutete der Franzose, dessen Mission vom französischen Botschafter in Konstantinopel finanziert wurde, einen Wendepunkt in der Bauforschung ein. Hinter seiner Expedition stand die Vision, eine Publikation voller Stiche über Palmyra zu schaffen. Es gelang ihm nur ansatzweise: Am Ende enthielt sie nur 180 von insgesamt 330 Werken. Cassas Arbeit wurde schon zu Lebzeiten von berufener Stelle gelobt: Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe, der den Franzosen im September 1797 auf seiner Italienischen Reise in Rom in dessen Wohnung besuchte, war fasziniert und bezeichnete ihn später als "meinen Lehrer". Er bewunderte Cassas für seine präzise und ästhetisch anspruchsvolle Rekonstruktion der Spätantike. Vor allem aber begeisterte er sich für die Fantasie, mit der der Zeichner die Bauwerke wieder in ihren Urzustand zurückversetzte. Heute sind diese detailverliebten Zeichnungen die letzten Zeugnisse der reichen Vergangenheit Palmyras.

Satellitenaufnahmen bestätigen die Zerstörung des Baal-Tempels durch den IS (01.09.2015)Bild: picture-alliance/dpa
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen