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Der Fall des Schokoladenkönigs Poroschenko

5. April 2016

Der ukrainische Präsident Poroschenko will mit der Gründung einer Briefkasten-Firma für seinen Konzern Roshen nichts Falsches gemacht haben. Doch seine Erklärungungsversuche lassen tief blicken. Frank Hofmann aus Kiew.

Haus mit Firmen-Logo "Roshen" (Foto: DW/F. Hofmann)
Bild: DW/F. Hofmann

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko geht in die Offensive: Er sei womöglich der erste Spitzenpolitiker in der Ukraine, der alles richtig mache im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Aufgabe und privater Geschäfte. Bei den Poroschenkos ist demnach alles korrekt im Korruptionsland Ukraine, das von Transparency International auf Platz 130 von 168 möglichen ihres Korruptionsindex geführt wird. Steuern, Deklarierung von Eigentum, Vermeidung von Interessenkonflikten – das alles sei geregelt "nach ukrainischem wie internationalem privaten Recht", schreibt Poroschenko auf seiner Facebook-Seite, die ihn als "Politiker" ausweist, als Reaktion auf die Enthüllungen der "Süddeutschen Zeitung" und eines internationalen Recherche-Netzwerks. Es soll die einzige Reaktion des Präsidenten sein, der reich wurde mit verschiedenen Unternehmen, vorneweg seinem Süßwarenkonzern "Roshen", laut der Zeitschrift Forbes 825 Millionen Euro schwer.

Als Präsident kein Einfluss auf die Firmen?

"Ich habe keinen Einfluss auf die Verwaltung meiner Vermögenswerte und habe jede Verantwortung an die zuständige Consulting-Fima und eine Anwaltskanzlei delegiert", so der Präsident. Er erwarte, dass diese den "ukrainischen und internationalen Medien" alle notwendigen Details zur Verfügung stellten. Tatsächlich: Nach schriftlicher Anfrage bei der Pressestelle des ukrainischen Präsidenten am frühen Montagmorgen folgt ein Telefonanruf kurz nach halb vier am Nachmittag. Am Apparat ist die Vermögensverwaltung ICU aus Kiew.

Exquisite Adresse: Der Firmensitz von Poroschenkos Vermögensverwaltung ICU in KiewBild: DW/F. Hofmann

ICU wurde dem Vernehmen nach gegründet, um das Vermögen des Unternehmers Petro Poroschenko zu "strukturieren", heißt es in Kiew in Banker-Kreisen. Ob die Vermögensverwaltung heute noch zu seinem Firmenkonglomerat gehört, bleibt unklar, ist aber wahrscheinlich.

Der geschäftsführende ICU-Direktor Makar Passenjuk klärt auf: Bei der Gründung der aus den Panama Papers bekannt gewordenen Briefkastenfirma "Prime Asset Partners" mit Sitz auf den britischen Virgin Islands sei es um etwas Gutes gegangen. Er versuche die Schokoladen-Firma Petro Poroschenkos seit 2012 zu verkaufen. Eine Briefkastenfirma sei notwendig geworden, um "Roshen" zu verkaufen, ohne dass Poroschenko selbst in seiner Rolle als Präsident tätig werde, Verträge unterschreiben müsse. Eine Treuhand-Lösung war das Ziel. Schließlich hatte der Politiker Poroschenko im Präsidentschaftswahlkampf nach der Maidan-Revolution im Frühjahr 2014 versprochen zu verkaufen.

Neue Briefkastenfirma bei hohem Blutzoll

"Dabei spricht überhaupt nichts dagegen, eine Treuhand-Lösung zum Beispiel über einen der großen Wirtschaftsprüfungs-Firmen in der Europäischen Union abzuwickeln", sagt ein deutscher Bank-Manager in Kiew. Doch das wäre natürlich teurer und es fielen dort Steuern an. Was Poroschenko da gemacht hat, sei vor allem ein moralisches Problem, führt der Mann fort. "Während im August 2014 in der Ost-Ukraine schlecht ausgestattete ukrainische Truppen im Krieg gefallen sind, hat der Oberbefehlshaber in Kiew zeitgleich eine Off-Shore Firma gegründet" und damit das Gegenteil davon getan, den Eindruck zu erwecken, er wolle Steuern sparen.

Es sei nicht um Steuern gegangen, meint dagegen ICU-Direktor Passenjuk: "Alle Steuern von Roshen werden in der Ukraine bezahlt." Und dann spricht er - etwas verklausuliert - einen Satz, der tief blicken lässt in ukrainisches Geschäftsgebaren: "Schauen Sie. Wenn wir die Ziele verfolgt hätten, über die jetzt in den Medien berichtet wird, dann hätten wir das wahrscheinlich nicht mit dem Pass jenes Menschen gemacht, mit dem es gemacht wurde." Die Anmeldung der Briefkastenfirma mit Poroschenkos Reisepass.

Präsident in Erklärungsnot: Petro PoroschenkoBild: DW/Y. Bojko

Neben Passenjuk sitzt der Jurist der "international-ukrainischen" Anwaltskanzlei "Avellum", die der Banker engagierte, nachdem Petro Poroschenko Präsident geworden war. Für den Anwalt ist juristisch alles völlig korrekt. Zu viele Details freilich könne man nicht öffentlich machen. Zum Beispiel Angaben über den Wert der Poroschenko-Unternehmen. Da sei man ganz auf Linie der Bestimmungen internationaler Großbanken: "Zum Schutz der Interessen unseres Kunden." Der Kiewer Banken-Insider lacht auf: "Logisch – Briefkastenfirmen sind ja auch dazu da, um zu verschleiern."

Noch weniger Anti-Korruptionsurteile 2015 als im Vorjahr

Nur ein paar Vertreter der Zivilgesellschaft melden sich zu Wort. Eine Gruppe von Antikorruptions-Aktivisten veröffentlicht ihre Analyse darüber, wie sich die Gerichtsverfahren gegen Schmiergeldzahlungen in der Ukraine seit der pro-europäischen Maidan-Revolution entwickelt haben: Die Geldstrafen waren 2015 im Durchschnitt mit umgerechnet 700 Euro halb so hoch wie die durchschnittlichen Schmiergeldzahlungen (1400 Euro). Nur 15 von mehr als 1000 Angeklagten wurden verurteilt und mussten ins Gefängnis. "Je größer die Schmiergeld-Summe, desto kleiner die Gefahr, ins Gefängnis zu wandern", sagt die Analystin Iryna Rybakowa von Transparency International in Kiew. "Wir hören immer wieder die Bekenntnisse der ukrainischen Politiker, die Korruption bekämpfen zu wollen - in der Realität ist das Gegenteil der Fall."

Im Präsidentschafts-Wahlkampf 2014 hatte der Unternehmer Petro Poroschenko als Politiker versprochen, sein Schokoladen-Unternehmen zu verkaufen und sich aus seinen anderen Firmen heraus zu halten. Alles korrekt, alles getrennt: Kein Interessenskonflikt, schreibt der Präsident Poroschenko auf seiner Facebook-Seite, die ihn als "Politiker" ausweist, vergangenen Montag Nachmittag irgendwann nach 16 Uhr nachdem am Sonntag Abend die Existenz seiner Briefkasten-Firma bekannt geworden war. Kurz vor dem Facebook-Eintrag am Montag bittet seine Vermögensverwaltung ICU telefonisch zur Pressekonferenz für ausgewählte Journalisten. Um 16 Uhr berichtet erstmals überhaupt der private Fernsehsender "Kanal 5" über die Panama Papers. Wem die TV-Station gehört? Genau: Petro Poroschenko. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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