Papst-Nachfolge: Viele Namen, keine offiziellen Kandidaten
23. April 2025
Bei vielen Interviews mit Vatikan-Experten nach dem Tod von Papst Franziskus taucht immer wieder die Frage auf: "Und - wer wird es?".
Doch schon zu Lebzeiten gehörte der Blick auf Kandidaten oder Favoriten für die Nachfolge von Franziskus zu römischen Tischgesprächen. Kandidaten im eigentlichen Sinne gibt es bei der Wahl eines künftigen Papstes allerdings in der Katholischen Kirche nicht.
Bei dem in vielen Details ausgesprochen realitätsnahen Erfolgsfilm "Konklave" lernten viele Zuschauer, dass es vor dem ersten Wahlgang keine Liste mit Namen und keine laut genannten Kandidaten gibt. Jeder schreibt einen Namen auf seinen Stimmzettel und wirft ihn in die Urne. Erst allmählich wird dann klar, wer öfter oder häufig genannt wird und damit in eine Favoritenrolle kommt.
Im Dezember lobte der Münchner Kardinal Reinhard Marx den Film als "Oscar-verdächtig" und bewertete ihn als gutgemacht. Falls ein Konklave länger dauern würde und Schwierigkeiten auftauchten, so der 71-Jährige, könne er sich gut vorstellen, dass es ähnlich wie im Film dann zu intensiveren Diskussionen kommen könne.
Klar ist: Höchstwahrscheinlich kommt der künftige Papst aus dem Kreis der Konklave-Teilnehmer. So ist es seit vielen Jahrhunderten. Klar ist auch: Die letzten beiden Pontifikate dauerten acht (Papst Benedikt) und zwölf Jahre (Papst Franziskus).
Eine Amtszeit von etwa zehn Jahren scheint angemessen gewesen zu sein, um die Kirche zu prägen, aber gleichzeitig eine Vielfalt an Strömungen zuzulassen. Das könnte eher für einen Kandidaten sprechen, der um die 70 Jahre alt ist. Und noch etwas: Jeder der Papst-Wähler weiß, wie wichtig es ist, sich in mehreren Sprachen und vor allem im Italienischen bewegen zu können.
Drei chancenreiche italienische Nachfolge-Kandidaten
Seit 1978 stand an der Spitze der katholischen Kirche kein Italiener mehr. Das wurde schon nach den Konklaven von 2005 und 2013 in italienischen Medien wehmütig-kritisch angemerkt.
So wird die bisherige Nummer 2 des Vatikan, der 70-jährige Kurienkardinal Pietro Parolin, nun am häufigsten genannt und ist auch bei den Wettbüros der Favorit. Ein herausragender Vatikan-Diplomat mit ruhiger Stimme und gelegentlichem leisem Humor. Parolin stammt aus dem eher wohlhabenden Norditalien – wie die meisten italienischen Päpste der vergangenen 250 Jahre.
Auch der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa (60 Jahre), stammt aus Norditalien. Aber seit 25 Jahren lebt der Franziskaner in Jerusalem und hat sich nicht zuletzt seit dem 7. Oktober 2023 nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel einen herausragenden Ruf erarbeitet. So hatte er sich im Austausch für verschleppte Israelis als Geisel angeboten.
Dritter Italiener im Favoriten-Lotto ist der 69-jährige Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Maria Zuppi, der derzeit auch den Vorsitz der Italienischen Bischofskonferenz innehat. Zuppi ist gesellschaftspolitisch sehr engagiert und in Italien medial präsent. Alle drei, Parolin, Pizzaballa und Zuppi, stehen für den bisherigen Kurs von Papst Franziskus.
Aber nicht kalkulierbar ist, ob die maximal 133 Kardinäle (zwei der 135 möglichen Papstwähler haben schon aus gesundheitlichen Gründen abgesagt) Italiens Rolle für die Weltkirche als entscheidend erachten. Nur 17 der 133 Geistlichen aus 71 Ländern sind Italiener. Zählt man Pizzaballa und Kardinal Giorgio Marengo (50 Jahre), der als Geistlicher in der Mongolei wirkt, hinzu, sind es 19.
Die Päpste Johannes Paul II. (1978-2005), Benedikt (2005-2013) und vor allem Franziskus (2013-2025) haben auf ihre eigene Art auch die Nähe der Römer gesucht. Und stammten doch aus der Weltkirche.
Donald Trump und der Kandidat aus den USA
Seit langem setzen viele Katholiken aus den Vereinigten Staaten darauf, dass erstmals ein Papst aus ihrem Land kommt. Wohl in keinem Land der Welt ist die Mehrzahl der Laien, Bischöfe und Kardinäle so konservativ und durchaus auch politisch rechts.
Der nun wieder mal als "papabile" genannte Kurienkardinal Raymond Leo Burke, einer der treuesten Kritiker von Papst Franziskus und Freund von liturgischem Prunk, passt in dieses Schema. Doch spätestens mit dem System Trump werden die Chancen auf einen Papst aus der "Neuen Welt" erneut gen null gesunken sein.
Eher bleiben prominente Kardinäle aus anderen Ländern. Der Erzbischof von Mexiko-Stadt, Carlos Aguiar Retes (74 Jahre), wäre eine mit Blick auf die USA und die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen beiden Staaten außergewöhnliche Wahl.
Aus den asiatischen Ländern gilt der 67-jährige philippinische Erzbischof Luis Antonio Tagle, nach seiner Kardinalserhebung 2012 fast so etwas wie ein Star im Kreis der Purpur-Männer, als Favorit. Der Erzbischof von Yangon in Myanmar, Kardinal Charles Mauung Bo (76 Jahre), zählt als Außenseiter. Asien ist der Boom-Kontinent der katholischen Kirche.
Nachfolger aus Afrika oder Deutschland unwahrscheinlich
In Afrika hat sich zuletzt der 65-jährige Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo Besungu, einen Namen gemacht. Doch Besungu zeigte sich bei Themen verbal hart, bei denen sich in (vielen) Teilen der Weltkirche die Sichtweisen wandeln: Homosexualität und die Frage des kirchlichen Umgangs damit, vor allem aber die Frage von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare.
Manche Namen, die jetzt gerne genannt werden, stehen für den Druck reaktionärer Gruppen. Sie waren bewährte Kritiker von Franziskus, haben aber de facto keine Chance.
So wird der langjährige Kurienkardinal Robert Sarah, der aus Guinea stammt, in knapp zwei Monaten 80 Jahre alt. Damit ist er als Papst fast nicht mehr geeignet. Und der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller (77 Jahre) fiel zu oft mit Äußerungen auf, die harsch oder wirr waren, gelegentlich auch gegen Franziskus.
Es werden durchaus auch Namen einiger Geistlicher aus europäischen Ländern außerhalb Italiens genannt. Aber die katholische Kirche in Europa schwindet zahlenmäßig. Papst Franziskus, der einst als Erzbischof von Buenos Aires auf die europäische Heimat seiner Vorfahren schaute, formulierte gelegentlich beißende Kritik am Selbstverständnis der Europäer.
Missbrauchsskandal kann Konklave "überschatten"
Ein Thema bleibt unkalkulierbar beim sogenannten Vor-Konklave und bei den geheimen Abstimmungen in der Sixtinischen Kapelle. Der Skandal der sexualisierten Gewalt und des Missbrauchs in der katholischen Kirche ist längst ein Welt-Thema.
Wohl keine Region bleibt da unberührt. Und immer mal wieder prangern Betroffene bei Protestaktionen in der Nähe des Vatikan mangelnde Aufarbeitung an.
Der italienisch-US-amerikanische Theologe Massimo Faggioli schrieb zehn Tage vor Ostern in der US-Zeitschrift "Commonweal", der "Skandal um den sexuellen Missbrauch durch Geistliche" könne "ein künftiges Konklave überschatten". Er schloss ausdrücklich Beeinflussungsversuche von außen vor oder während des Konklaves nicht aus.
Schon vor vielen Monaten gab es Ankündigungen konservativer Kreise in den USA, Kardinäle professionell überprüfen zu wollen und auf Schwachstellen zu schauen. Bei dem Thema haben mehrere Kardinäle schon für Aufsehen gesorgt. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist wegen seines Umgangs mit dem Thema und vielerlei Kritik durchaus international bekannt.
Der US-amerikanische Kurienkardinal Kevin Farrell, der der Welt die offizielle Nachricht vom Tode Franziskus‘ überbrachte, hatte früher engen dienstlichen Kontakt mit Missbrauchstätern wie dem Anfang April 2025 im Alter von 94 Jahren verstorbenen US-Kardinal Theodore McCarrick, dessen Name kirchlich längst ein Synonym für übelste Taten ist.
Und der Erzbischof von Marseille, Kardinal Jean-Marc Aveline, ein Papst-Vertrauter, einst in Algerien geboren, ist seit langer Zeit geistlicher Begleiter der 1972 gegründeten Gemeinschaft "Emmanuel", aus der wiederholt über Missbrauch berichtet wurde. Auch der Gründer der Gemeinschaft wird längst kritisch gesehen.
Jorge Mario Bergoglio war 2013 auch ein Außenseiter bei Papst-Wahl
So oder so – das Papst-Lotto wird andauern bis "weißer Rauch" aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufsteigt. Die Schwaden kündigen irgendwann nach den ersten Mai-Tagen die erfolgreiche Wahl eines neuen Papstes an. Dann weiß man mehr.
Der Name Jorge Mario Bergoglio, des späteren Papst Franziskus, spielte 2013 bei den einschlägigen Debatten und bei Buchmachern übrigens keine große Rolle. Der "Papability Index", der auf X, dem früheren Twitter, anhand vieler überwiegend statistischer Faktoren alle Kandidaten einstuft, schaute dieser Tage zurück: 2013 sei Bergoglio noch nicht einmal unter den Top-20 der Favoriten gewesen.