Papst Leo wird 70 - und bleibt noch ein wenig rätselhaft
13. September 2025
Leo XIV. ist immer noch ein recht neuer Papst. Und Vatikan-Experten rätseln auch nach 132 Tagen noch über die grundsätzliche Ausrichtung seines Pontifikats. In manchem ist er während der vergangenen Monate deutlich von seinem Vorgänger Papst Franziskus (2013-2025) abgerückt.
Zweimal war Leo im August für längere Urlaubstage in der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo bei Rom. Franziskus zog es nie in diesen kühleren Ort in den Albaner Bergen südlich der hitzigen Hauptstadt.
Leo kleidet sich eher wieder so, wie es dem überkommenen Bild eines Papstes entspricht. Darin ist er mehr Benedikt, der Vorvorgänger, als Franziskus. So trägt er etwa die päpstliche Pracht-Stola. Und die Rückkehr in den Apostolischen Palast, in die obere Etage des Prachtbaus hoch über dem Petersplatz, steht an. Schließlich stand diese Wohnung zwölf Jahre leer und musste zunächst renoviert werden.
Vielleicht zieht er ja zu seinem Geburtstag um? An diesem Sonntag (14. September) wird Papst Leo 70 Jahre alt. Und auch wenn nach der Wahl des damals 69-jährigen Kardinals Robert Prevost zum Papst rasch auf das Alter und diverse sportliche Aktivitäten des Geistlichen hingewiesen wurde: Jung ist auch er nicht. Mit 69 Jahren war er bereits älter als der Durchschnitt der Päpste beim Amtsantritt. Die beiden Vorgänger Franziskus und Benedikt kamen mit 73 beziehungsweise 78 ins Amt. Davor waren Päpste meist jünger: Johannes Paul II. (58), Johannes Paul I. (65) und Paul VI. (65).
Sportbegeistert und sportlich
Aber spätestens seit den Plaudereien seines Fitnesstrainers aus Kardinalszeiten hat sich für Leo das Bild eines körperlich fitten Papstes festgesetzt. "Sehr amerikanisch ist die Sportbegeisterung des Papstes. Er selbst spielt ja Tennis, außerdem ist er ein großer Fan der Chicago White Socks, eines Baseballteams", sagt der Eichstätter Dogmatiker Benjamin Dahlke, einer der besten Kenner der US-Kirchenlandschaft, der DW. Die Sportbegeisterung mache Leo XIV. "menschlich und nahbar".
Dahlke betont weitere Aspekte. Leo wirke "hoch professionell", was gleichfalls sehr amerikanisch sei. Er trete kontrolliert auf und analysiere zunächst, bevor er etwas sagt. "Alles wirkt überlegt und durchdacht, wie bei einem guten amerikanischen Manager." Der Papst habe ganz offenkundig die Fähigkeit, eine komplexe Organisation zu leiten.
Wann Papst Leo mal Akzente setzt, darauf warten viele Beobachter. "Wo genau er steht, wo es kirchenpolitisch hingeht, lässt sich aktuell kaum absehen", meint der Dogmatiker Dahlke. Nach seiner Einschätzung dürfte der konservative Teil der US-Kirche "nicht unzufrieden sein". So liege es Leo sehr an einer würdigen Feier der Messe. Und die Bischöfe, die er bislang für amerikanische Diözesen ernannt habe, seien "nun wirklich nicht links".
Andererseits: Trotz des konservativen Bildes bei Äußerlichkeiten gab sich Leo alles andere als ablehnend über kirchliche Dialogformate, die synodal geprägt sind und auch Laien einbeziehen. Und er empfing den weltweit prominentesten katholischen LGBTQ-Seelsorger zum Gespräch, den US-Jesuiten James Martin.
Der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti sieht noch keine sehr bemerkenswerten Zeichen des aktuellen Papstes. Gelegentlich hätten Päpste mit großem Engagement begonnen, so Papst Paul VI. 1963. Auch Papst Franziskus habe 2013 "ein sehr starkes erstes Jahr gehabt" mit wichtigen Personalentscheidungen und seinem ersten Lehrschreiben, sagt Ernesti der DW. Und der Besuch von Franziskus im August 2013 auf der kleinen italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa habe die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Frage der Migration gelenkt.
"Das kann ich bei Papst Leo XIV. noch nicht erkennen", sagt Ernesti. Veränderungen sehe er "bisher eher im Atmosphärischen, im Stilistischen". Das sei "auch nicht wenig". Aber man werde gespannt bleiben müssen, wie sich dieses Pontifikat weiter entwickele.
Die bisherige Methode, eher abzuwarten und viele Gespräche zu suchen, mag aber auch dem Lebenslauf des nun 70-jährigen Prevost entsprechen. Denn anders als bei Päpsten oft üblich, war er nicht schon seit Jahrzehnten als Bischof tätig, der Entscheidungen einfach gewohnt ist. Der jetzige Papst ist Ordensmann, Augustiner-Pater. Und er war zehn Jahre das ranghöchste Mitglied des Augustiner-Ordens. Mitbrüder beschreiben das als seinen typischen Stil: zu fragen und zuzuhören und Dinge nicht allein zu entscheiden.
Der Papst und die US-Führung
Leo XIV. ist zwar Weltbürger zwischen den USA mit seiner Geburtsstadt Chicago, seinem langjährigen Wirkungsgebiet in Peru und der römischen Zentrale der Kirche. Aber seine US-Prägung bleibt doch nachhaltig. Das gilt nicht nur, weil Leo des Öfteren öffentlich englisch spricht und damit anders rüberkommt.
Sehr früh gab es Kommentare, die über Leo XIV. als Akteur gegen US-Präsident Donald Trumpspekulierten. Das reichte bis zur Ansicht, der mächtigste US-Amerikaner der Welt sei nun der Papst mit einer Gefolgschaft von 1,4 Milliarden Katholiken. Sehr früh war US-Vizepräsident JD Vance bei Leo zu Gast.
Das kann noch spannend werden. Denn während der vergangenen Monate schwindet angesichts des rabiaten Vorgehens des Trump-Apparats gegen Migranten die Verbundenheit der US-Bischöfe zum Präsidenten - eigentlich sind sie eher Republikaner-nah geprägt.
Zugleich thematisiert Papst Leo, der seit seinen ersten Worten auf der Loggia des Petersdoms immer wieder auf das Thema Frieden eingeht, die Verantwortung der Mächtigen für die Beilegung der vielen Konflikte in der Welt und die Bewahrung des Weltfriedens. Egal ob der Krieg Russlands gegen die Ukraine oder die unheilvolle Lage im Heiligen Land: Immer mal wieder schaltet sich Leo ein.
Die Einladung in seine Geburtsstadt Chicago hat der Papst längst. Angesichts der derzeitigen politischen Zustände in den USA wäre ein Besuch in seinem Heimatland mehr als spannend.