Alte Gewänder, neue Botschaften: Zwei Monate Papst Leo XIV.
15. Juli 2025
Er ist der erste Papst seit 13 Jahren, der dort wieder Urlaub macht: Nach gut zwei Monaten im Amt, hat sich Leo XIV. vor der römischen Juli-Hitze nach Castel Gandolfo zurückgezogen. Dort in der päpstlichen Sommerresidenz, auf 460 Höhenmetern gelegen, lässt es sich in heißen Tagen besser leben als unten in der hitzigen Stadt.
Der knapp zweiwöchige Aufenthalt in dem beschaulichen Flecken ist für viele ein geradezu wichtiges Zeichen. Leos Vorgänger Franziskus (2013-2025) ging nie zum Urlaub nach Castel Gandolfo und brach damit mit einer Tradition, die Jahrhunderte alt war. Das schmerzte die Einwohner des Ortes. Es schmälerte auch den Tourismus vor Ort. Nun kommt Papst Leo!
Seit der Wahl durch die Kardinäle vergleichen viele: Was macht Leo anders als sein Vorgänger? Der kurzzeitige Umzug nach Castel Gandolfo ist dafür nur ein Beispiel. Das sichtbarste Beispiel war der Auftritt des US-Amerikaners nach seiner Papstwahl im Konklave.
Papst Franziskus versus Papst Leo
Dort, wo Franziskus am 13. März 2013 im schlichten weißen Gewand erschien, tauchte Leo am 8. Mai 2025 in der Kleidung der Tradition auf. Als Papst trägt er elegant geschneiderte Gewänder. Und den weißen Fiat-Kleinwagen, mit dem Franziskus meist durch Rom kutschiert wurde und den er auch auf Auslandsreisen nutzte, sieht man auch nicht mehr.
Viele rechnen damit, dass Leo nach dem Sommer in den Apostolischen Palast zieht. Auch das wäre eine Rückkehr zu einer langen Tradition.
Und doch: Trotz mancher zeichenhafter Hinwendung zu einem in der äußerlichen Form konservativen Bild hat sich Leo während seiner ersten nun rund 70 Tage inhaltlich so geäußert, dass bei nicht wenigen reaktionär-konservativen Katholiken gerade in den USA anfängliche Euphorie verflogen ist. Dafür sorgt auch die ein oder andere Bischofsernennung.
Schlüssel-Momente aus der ersten Ferienwoche
Seine erste Ferienwoche in Castel Gandolfo machte dies wie in einem Brennglas deutlich. Im Vorfeld hieß es noch aus dem Vatikan, Leo werde dort urlauben. Wichtige Audienzen und Ansprachen seien dort eigentlich nicht zu erwarten.
Doch dann kam der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zur Audienz in die Albaner Berge. Und Leo, der stärker als sein Vorgänger das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung anspricht, bekräftigte seine Bereitschaft, Vertreter Russlands und der Ukraine zu Verhandlungen im Vatikan zu empfangen. Immer wieder formuliert dieser Papst Mahnungen zum Weltfrieden. Das zeigt, wie programmatisch für ihn die Mahnung zum und die konkrete Arbeit an Frieden in der Welt ist.
Zudem: Während der Tage in Castel Gandolfo wurde eine Grußbotschaft von Leo an eine Konferenz in Genf veröffentlicht, in der er eine globale und ethisch fundierte Regulierung von Künstlicher Intelligenz anmahnte. Für die Nutzung von KI brauche es klare Prinzipien, so "die gemeinsame Anerkennung der unantastbaren Würde und der Grundfreiheiten des Menschen". Auch dieses wiederholt auftauchende Thema scheint ein Kernanliegen dieses Pontifikats zu werden.
Schließlich setzte Leo in Castel Gandolfo eine theologische Kontroverse mit der US-Führung fort. Eigentlich war es nur die Sonntagspredigt in der Dorfkirche des Ortes zum Tagesevangelium, dem "Gleichnis vom barmherzigen Samariter". Doch genau dieser Text steht für eine Kontroverse der Kirche mit US-Vizepräsident JD Vance, der vor einigen Jahren selbst in die katholische Kirche aufgenommen wurde.
Exakt mit diesem Text, dem "Gleichnis vom barmherzigen Samariter" hatte schon Papst Franziskus den Ansichten von Vance widersprochen, dass ein Migrant nicht der Nächste wäre, dem Hilfe zukommen solle. Vance wollte mit der Betonung der eigenen Familie, der eigenen Nächsten letztlich die Sorge für Migranten und Menschen am Rande der Gesellschaft aushebeln. Nun wies auch Leo XIV. die Vorstellung zurück, dass allein die Menschen der eigenen Familie, Nationalität und Religion die "Nächsten" wären. Christliche Barmherzigkeit beginne nicht mit Kriterien der Zugehörigkeit.
Im Hintergrund steht die Frage, wie sich das Verhältnis der Trump-Administration zum Papst aus den USA entwickelt. Kaum ein Beispiel macht deutlicher, wie sehr sich Leo – trotz anderen Stils und Kleidungsstils – in die Spur seines Vorgängers stellt.
Das innerkirchlich wichtigste Signal der ersten Monate von Leo kam fast zeitgleich zu seinem Aufbruch nach Castel Gandolfo. Und erneut gilt es einem Franziskus-Projekt. Da teilte der Vatikan mit, dass das Reformprojekt Weltsynode, das eine andere Dialogkultur in Kirche zum Ziel hat, bis 2028 fortgesetzt wird. Papst Leo segnete diesen Plan und Fahrplan, der Beratungen auf vielen kirchlichen Ebenen vorsieht, ab.
"Selbstverständlich ist das nicht"
Der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti erläutert im DW-Gespräch, Leo XIV. habe "von seinem ersten Auftritt an" betont, dass er sich dem Erbe seines Vorgängers verpflichtet wisse und habe dabei "konkret auf die Verwirklichung der Synodalität" hingewiesen. "Selbstverständlich ist das allerdings nicht. Denn für das Konzil und die Bischofssynode gilt, dass deren Arbeiten mit dem Tod eines Papstes suspendiert sind", so Ernesti, der Experte für das Papsttum ist. Kein Papst sei gezwungen, ein Projekt seines Vorgängers, sei es ein Konzil oder eine Synode, fortzuführen.
Ernesti nennt es "interessant", dass für das Jahr 2028 als Schlusspunkt des ganzen Prozesses eine "Kirchliche Versammlung" im Vatikan vorgesehen sei. "Konzilien und Synoden haben ja immer auch Eventcharakter", so der Theologe.
Mit diesem Zeitplan stehen in den Jahren 2026 und 2027 erneut Dialoge und Beratungen unter ausdrücklicher Einbeziehung auch von Laien auf Ebene der einzelnen Diözesen und der nationalen Bischofskonferenzen an. Dem folgen im Frühjahr 2028 kontinentale kirchliche Versammlungen, schließlich im Oktober 2028 im Vatikan die "allgemeine kirchliche Versammlung". Damit wird die synodale Struktur, also das ausgeprägte dialogische Miteinander auf Augenhöhe, weiter vertieft.
Und strittige Themen wie die Frage der Weihe von Frauen bleiben bis dahin offen – und umstritten. Unter Franziskus wirkte es so, als scheue er, je älter er wurde, eine Zulassung von Frauen zu jeglichem kirchlichen Weiheamt. Nun wird irgendwann sein Nachfolger vor dieser Frage stehen.