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GlaubeAfrika

Der fromme Wunsch nach Frieden

Jonas Gerding Kinshasa
30. Januar 2023

Nach 37 Jahren fliegt wieder ein Papst in die Demokratische Republik Kongo. Die Konflikte wird Franziskus I. mit einer Friedensbotschaft nicht lösen können - aber vielleicht den Gemeinschaftssinn im Land stärken.

Autos, Motorräder und ein Mann mit einer vollbeladenen Karre fahren an einem großen Plakat mit dem Papst vorbei
Bisher winkt der Papst in Kinshasa nur von Plakaten, am 1. Februar kommt er in Kongos Hauptstadt anBild: Jonas Gerding/DW

Noch lassen sie in Ndolo kaum jemanden durch. An der Schranke am Inlandsflughafen winken Soldaten nur Flugreisende mit ihren Koffern vorbei und einen Laster, der Stahlbalken geladen hat. Die braucht es, um auf dem Gelände bis Mittwoch eine Freilichtkirche zu errichten.

Hier wird Papst Franziskus eine Messe halten, auf die man in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, nun doch etwas länger warten musste. Der Papst, mittlerweile 86 Jahre alt, musste seine Reise aus gesundheitlichen Gründen um ein halbes Jahr verschieben.

Jean Marie Yenga hofft, dass der Papst-Besuch seinem Land etwas Frieden bringen kannBild: Jonas Gerding/DW

Gelbe Minibusse, Mototaxis, Jeeps und LKWs rauschen am Eingang des Flughafens vorbei. An der nächsten Kreuzung hat Jean Marie Yenga seine selbst gezimmerten Betten auf dem Erdboden aufgereiht. Der 35-Jährige hat eigentlich Pädagogik studiert, aber keine Arbeit gefunden. Da steht er nun, mit verschlissenem Polo-Shirt und verkauft Möbel, wenn denn Kundschaft kommt. Der Besuch eines Papstes ist für den gläubigen Katholik eine besondere Freude: "Ich möchte unbedingt selbst den Papst sehen und an der Messe teilnehmen. Aber ich weiß noch nicht, ob es da einen freien Einlass für uns alle geben wird."

37 Jahre ist es her, als zuletzt ein Papst in das Land reiste. Johannes Paul II. traf damals noch auf Mobutu Sese Seko und das Land Zaïre. Damals wie heute gilt Kinshasa als Stadt der "ambiance", bekannt für Bars, Rumba-Musik und offen zur Schau gestelltem Reichtum. Aber es ist auch eine Metropole der Kontraste: Ein großer Teil der etwa 15 Millionen Einwohner lebt in Armut.

DR Kongo: Viele Jahre der Gewalt im Osten

Im Osten des Landes fühlen sich die Menschen oft im Stich gelassen von der Hauptstadt. Seit dem Sturz Mobutus in den 1990er-Jahren ist vielerorts kein Frieden mehr eingekehrt. Bis zu 5,4 Millionen Menschen haben allein zwischen 1998 und 2007 ihr Leben durch Konflikte oder die daraus resultierenden humanitären Krisen verloren, ermittelte die Hilfsorganisation International Rescue Committee in einer Studie. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zählte 2020 mehr als 120 Rebellengruppen im Osten des Landes.

Eine davon, die M23, ging zuletzt in der Nähe von Goma in die Offensive, was einen Konflikt mit Ruanda neu aufbrechen ließ. Denn das Nachbarland unterstützt die Rebellen, bestätigen UN-Experten.

"Nein zur Balkanisierung" der DR Kongo, fordert dieser Demonstrant bei einem Protest - organisiert von der katholischen und protestantischen Kirche - gegen die Gewalt im Osten Bild: Justin Makangara/REUTERS

Der Papst wird mit einer Botschaft des Friedens in den Kongo reisen, sagt Ettore Balestrero. Er ist der Nuntius im Kongo: der Botschafter des Vatikans, der im Regierungsviertel in einem herrschaftlichen Anwesen residiert.

"Der Papst möchte die Kongolesen trösten, die so viel in den vergangenen Jahren gelitten haben. Er möchte die offenen Wunden dieser Gewalt heilen", sagt Balestrero der DW. Erst in der vergangenen Woche haben UN-Blauhelme Massengräber mit mehr als 50 Opfern in der Provinz Ituri entdeckt. Im Oktober 2022 töteten Angreifer in einem Krankenhaus unter anderem eine Ordensschwester. Der Papst will derlei Massaker verurteilen, sagt der Nuntius. "Er möchte Gott um Vergebung bitten, für das Blut, das vergossen wurde und das vergossen wird."

Den Kongolesen Trost zu spenden sei eines der Ziele des Papsts, sagt Ettore Balestrero, Botschafter des Vatikans im Kongo Bild: Jonas Gerding/DW

Der Kongo gehört zu den Ländern der Welt mit den meisten Katholiken. Laut Statistiken des Vatikans sind mehr als 52 Millionen, also rund die Hälfte der Kongolesen, Anhänger der Konfession. Den Zahlen zufolge trägt die katholische Kirche im Land mehr als 13.100 Vor- und Grundschulen. Und 40 Prozent der Gesundheitseinrichtungen, ergänzt Balestrero. Die Kirche entsendet Wahlbeobachter und Aufklärungsmissionen in Krisengebiete. "Das ist die Rolle der Kirche: Sie unterstützt das demokratische Bewusstsein im Land und hilft bei der innergesellschaftlichen Versöhnung", sagt der Nuntius.

Yenga, der gegenüber vom Flughafen Möbel verkauft, kommt aus Kisangani. Um die Jahrtausendwende haben sich in der Stadt ruandische und ugandische Truppen bekriegt. "Es wäre wirklich schön, wenn der Papst die Menschen versöhnen könnte. Im Osten braucht es Frieden", sagt Yenga. Er selbst habe damals einen Bruder verloren, sagt er und zeigt auf eine Narbe auf seinem Unterschenkel.

Eigentlich hätte der Papst auch nach Goma in den Osten reisen wollen. Doch die aktuelle M23-Rebellion kam dazwischen. Immerhin: Eine Delegation von Kriegsopfern fliegt nach Kinshasa.

Gedenken in Goma an die Opfer der Gewalt - die aktuelle Sicherheitslage macht einen Besuch des Papstes unmöglichBild: Arlette Bashizi/REUTERS

Nicht alle Veranstaltungen stehen im Zeichen der Konflikte. Am Donnerstag lädt der oberste Geistliche der katholischen Kirche junge Gläubige in ein Stadium. Vor seinem Abflug am Freitag Richtung Südsudan, der zweiten Station des Papstes, berät sich das Oberhaupt der katholischen Kirche noch mit der kongolesischen Bischofskonferenz. Da dürfte es auch um die nächsten Präsidentschaftswahlen gehen, die im Kongo im Dezember 2023 anstehen.

Papst-Besuch löst Euphorie aus

Derweil laufen einige Tage vor dem Besuch die Vorbereitungen weiter. Der Flughafen Ndolo gehört zum Stadtbezirk Barumbu: mehr als 100.000 Einwohner, bekannt ist die Gegend für ihre technische Hochschule, rappelvolle Bars und ein paar unsichere Seitenstraßen.

Geschäftiges Treiben um den Flughafen Ndolo: Vor der Ankunft von Franziskus I. werden einige Straßen repariertBild: Jonas Gerding/DW

Plastikflaschen werfen viele hier auf den Boden. Fahrzeuge fahren im Slalom um Schlaglöcher. Doch in diesen Tagen flicken Bauarbeiter mit Presslufthammern das Ärgste. Einen "herzlichen Empfang" werden sie dem Papst bereiten, sagt Christophe Lomami, Bürgermeister der Kommune. In den nächsten Tagen will er sie nur noch "Vatikan" nennen, so stolz ist er auf den Besuch des Papstes.

"Der Krieg geht alle an"

Der Bürgermeister hat etliche Probleme in seiner Kommune. Schlechte Stromversorgung, überstrapazierte Kanalisation und wilder Zuzug. Der Papst-Besuch hat etwas Belebendes für die Gemeinschaft: "Wir sind dabei die Bevölkerung in die Verantwortung zu nehmen, insbesondere die katholische Kirche. Wir werden uns auf die Straße begeben und eine große Saubermach-Aktion durchführen." Mancherorts hat der Gouverneur von Kinshasa die Stände von Straßenhändlern abreißen und an Ort und Stelle verbrennen lassen. In seiner Kommune sei man nicht so drastisch vorgegangen, sagt Lomami.

Christophe Lomami, Bürgermeister der Kommune Barumbu, sorgt dafür, dass sein Viertel sich von seiner besten Seite zeigtBild: Jonas Gerding/DW

Der Heilige Vater reist zwar nach Kinshasa ganz im Westen des Landes. Aber in seinen Reden wird es ihm viel um das Leid im Osten gehen, das in der 1500 Kilometer entfernten Hauptstadt im Alltag kaum eine Rolle spielt. Ob sie sich damit in Barumbu mit ihren ganz eigenen Sorgen angesprochen fühlen werden? Der Krieg ginge sie alle etwas an, sagt Bürgermeister Lomami. "Der Papst kommt mit einer Nachricht des Friedens. Gibt es jemanden auf dieser Welt, der den Frieden ablehnen kann?"

In Wahrheit sind die Konflikte im Osten des Landes so verworren, dass eine einfache Friedensbotschaft des Papstes die Knoten nicht wird lösen können. Aber für Menschen, die im Osten Kongos den Krieg erleben, für sie ist es vielleicht bereits eine tröstende Botschaft, dass man sie in diesen Tagen nicht ganz vergessen wird.

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