Sagt er es oder nicht? Im Vorfeld seiner Myanmar-Reise und des Treffens zwischen Buddhisten, Muslimen, Christen und Juden war spekuliert worden, ob Papst Franziskus die Gewalt gegen die Minderheit der Rohingya anspricht.
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Bei seinem Besuch in Myanmar hat Papst Franziskus das Land zur Achtung der Menschenrechte "jeder ethnischen Gruppe" aufgefordert. Das Land habe eine "Verpflichtung, diese Grundprinzipien zu wahren", sagte der Pontifex bei einem Treffen mit der Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in der Hauptstadt Naypyidaw. In seiner Rede sprach der Papst nicht direkt von der Krise um die verfolgte muslimische Minderheit der Rohingya im mehrheitlich buddhistischen Myanmar. Er betonte, es dürfe niemand ausgeschlossen werden, wenn es um die Menschenwürde ginge.
Gerechte Gesellschaft aufbauen
"Tatsächlich kann der mühevolle Prozess des Friedensaufbaus und der nationalen Versöhnung nur durch den Einsatz für die Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenrechte vorwärtskommen", sagte der Papst. "Die Zukunft Myanmars muss der Friede sein - ein Friede, der sich auf die Achtung der Würde und der Rechte eines jeden Mitglieds der Gesellschaft gründet, auf die Achtung jeder ethnischen Gruppe und ihrer Identität, auf die Achtung des Rechtsstaates und einer demokratischen Ordnung, die es dem Einzelnen und jeder Gruppe - niemand ausgeschlossen - erlaubt, seinen legitimen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten", sagte er weiter. Mit seinem Besuch wolle er nicht nur die "kleine, aber lebendige katholische Gemeinde" stärken, sondern auch alle, die sich um den Aufbau einer gerechten gesellschaftlichen Ordnung bemühten.
Religion vereint - egal welche
Bei einem Treffen mit Buddhisten, Muslimen, Christen und Juden bezeichnete er in der ehemaligen Hauptstadt Rangun Vatikanangaben zufolge die Unterschiede zwischen ihnen als Reichtum für die Einheit des Landes. "Geeint sein bedeutet nicht, gleich zu sein", sagte er bei dem Treffen am Sitz des katholischen Erzbistums. Einheit bedeute nicht Uniformität, nicht einmal innerhalb der gleichen Konfession. Frieden könne nur "im Chor der Unterschiede" aufgebaut werden, mahnte das Kirchenoberhaupt.
Dies wurde als Hinweis auf die Rohingya-Krise gedeutet. Der Begriff "Rohingya" fiel bislang in keiner Rede des Papstes. Vor seiner Ankunft war der Papst vom Erzbischof von Rangun, Kardinal Charles Maung Bo, gebeten worden, nicht einmal das Wort "Rohingya" zu verwenden. Die Rohingya sind in Myanmar nicht als ethnische Minderheit anerkannt und werden dort als "Bengali" bezeichnet. Aus Angst vor brutaler Verfolgung durch das Militär sind Hunderttausende Rohingya aus Myanmar nach Bangladesch geflüchtet. Die Vereinten Nationen und die USA sprechen von "ethnischer Säuberung". Suu Kyi steht international in der Kritik, weil sie sich nicht gegen die Gewalt einsetze.
Gottesdienst mit Rohingya-Flüchtlignen
Am Donnerstag reist Franziskus weiter nach Bangladesch. In dem mehrheitlich muslimischen Nachbarland ist unter anderem ein Besuch der Gedenkstätte des Unabhängigkeitskriegs von 1971 sowie ein Treffen mit Staatspräsident Abdul Hamid und Premierministerin Hasina Wajed geplant. Höhepunkt der zweiten Etappe der Reise ist ein interreligiös-ökumenisches Friedenstreffen, an dem auch Rohingya-Flüchtlinge teilnehmen werden. Kurz vor der Papstreise erklärte sich Myanmar im Grundsatz zu einer Rückführung der ins Nachbarland geflohenen Rohingya bereit.
sam/ww (dpa, epd, kna)
Kindheit für Rohingya? Nicht in Cox's Bazar
Er ist erst zwölf. Doch der Rohingya-Flüchtling Nur Hafes versorgt seine Familie. Während der Flucht von Myanmar nach Bangladesch setzte sich der Vater ab, nun ist die Mutter allein mit ihm und seinen Geschwistern.
Bild: Reuters/A. Abidi
Der Versorger
Der zwölfjährige Nur Hafes hält im Flüchtlingslager Palong Khali Ausschau nach Menschen, die ihm ein wenig Geld zustecken, wenn er sie mit seinem Schirm vor der stechenden Sonne schützt. Und er schaut nach den muslimischen Priestern, die manchmal Spenden verteilen, die sie in ihren Gemeinden gesammelt haben. Er ist noch nicht erwachsen, und doch muss er eine neunköpfige Familie versorgen.
Bild: Reuters/A. Abidi
Ein Euro am Tag ist ein guter Tag
"Manchmal bekomme ich 50 oder 100 Taka, an manchen Tagen komme ich mit leeren Händen nach Hause", sagt Nur. Ein Taka entspricht etwa einen Eurocent, für 50 Taka bekommt man auf den Märkten der Camps rund 250 Gramm grüne Chillies. Ein Hühnchen kostet etwa 150 Taka.
Bild: Reuters/A. Abidi
Allein mit acht Kindern
Nur ist der älteste von acht Geschwistern. Als die Armee ins Dorf der Großeltern einrückte, floh Nurs Vater ohne die Familie. Seitdem haben sie ihn nicht mehr gesehen. Die Flucht nach Bangladesch in die Nähe der Stadt Cox's Bazar hat Mutter Rabia alleine mit den Kindern zurückgelegt. Die Älteren tun ihr Bestes, um Rabia zu helfen, die Familie im Flüchtlingscamp über Wasser zu halten.
Bild: Reuters/A. Abidi
"Die Armee zündete Häuser an"
Vor zwei Monaten wurden Rabia und die Kinder aus ihrem Heimatdorf in der Provinz Rakhine in Myanmar vertrieben. "Die Armee zündete Häuser an, in denen noch Menschen waren", erinnert sich die 33-jährige Mutter. "Ich habe so viele Menschen mit Schusswunden gesehen." Die Familie floh zu den Großeltern, doch nur einen Tag später zogen auch dort die Truppen ein.
Bild: Reuters/A. Abidi
Angewiesen auf Hilfsgüter
Wie die meisten in den Flüchtlingslagern in der Nähe von Cox's Bazar sind Nur und seine Familie auf Hilfsgüter angewiesen. Aus der Heimat konnten sie nur die Kleider am Leib, Ausweisdokumente, ein paar Fotos und eine Decke zum Schutz vor Regen mit sich nehmen. Als männliches Familienoberhaupt steht in der Regel Nur in den Schlangen vor den Hilfsorganisationen an.
Bild: Reuters/A. Abidi
Aufpreis in den Flüchtlingscamps
Meist werden nur Grundnahrungsmittel an die Flüchtling verteilt - Öl, Linsenfrüchte, Zwiebeln - und davon oft nicht genug. Deshalb gibt es in den Camps von Cox's Bazar zahlreiche Händler, die zum Beispiel grüne Chillies oder Nüsse verkaufen, aber auch Verhütungsmittel und Zigaretten. Meist kosten die Güter mehr als auf den Märkten in den angrenzenden Städten.
Bild: Reuters/H. McKay
Schon in Myanmar arbeitete Nur
Bereits vor der Flucht verkaufte Nur in Myanmar Güter, die sein Vater im Großhandel einkaufte. Als Staatenlose hatten die Rohingya schon vor dem Aufflammen der Konflikte kaum Zugang zum Bildungssystem und wurden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert.
Bild: Reuters/A. Abidi
Die Jüngsten sind unterernährt
Trotz seiner Anstrengungen, trotz der Hilfsgüter - der Familie von Nur fehlt es oft am Nötigsten. Die beiden jüngsten Kinder von Rabia - die anderthalbjährige Fatima (im Foto) und der acht Monate alte Mohammed - leiden an Unterernährung, wie so viele der Kinder in den Flüchtlingslagern. Geschätzte 60 Prozent der geflüchteten Rohingya sind minderjährig, viele leiden an Krankheiten wie Durchfall.
Bild: Reuters/A. Abidi
"Er benimmt sich nicht mehr wie ein Kind"
"Er ist jung, aber er versteht, dass er Verantwortung hat. Er benimmt sich nicht mehr wie ein Kind", sagt Rabia über Nur. Ihre Wünsche für seine Zukunft sind bescheiden: Sie hofft, dass er sich in Bangladesch ein Geschäft als Händler aufbauen kann. Doch manchmal träumt der Sohn von einem anderen Leben - einer richtige Schulbildung, Zeit für Fußball mit Freunden - davon, Kind sein zu können.