Papst trifft Opfer
18. April 2008Papst Benedikt XVI. hat sich am Donnerstag (17.4.2008) in Washington überraschend mit fünf Männern und Frauen getroffen, die als Kinder von Priestern sexuell missbraucht wurden. Nach Angaben eines Vatikansprechers fand das Gespräch in einer Kapelle in der US-Hauptstadt auf Wunsch Benedikts statt. Der Papst habe den Opfern zugehört und mit ihnen gebetet. Die Opfer überreichten Benedikt eine Liste mit 1000 Namen von Menschen, die als Kinder in der Diozöse Boston missbraucht worden waren.
In den USA haben mutmaßliche Opfer mehr als 4000 Priester und Ordensleute wegen Missbrauchs angezeigt. Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. hatte den Missbrauchsskandal beklagt, sich aber nie mit Opfern getroffen. Als Präfekt der Glaubenskongregation des Vatikans befasste sich sein Nachfolger vor seiner Wahl zum Papst intensiv mit dem Skandal. Das habe Benedikt anscheinend "tief geprägt", schrieb die liberale Wochenzeitung "National Catholic Reporter".
"Worte reichen nicht aus"
Während seiner USA-Reise hat Benedikt bisher drei Mal über den Skandal der pädophilen Priester gesprochen. Auch in seiner Predigt vor mehr als 46.000 Menschen in Washingtons Baseball-Station am Donnerstag bedauerte er die zahlreichen Missbrauchsfälle. "Worte reichen nicht aus, das Leid der Opfer zu beschreiben", sagte er. Drei der Opfer sagten dem Sender CNN, das Treffen mit dem Papst habe ihnen Hoffnung gemacht.
2004 wurde eine für die katholische Kirche brisante Studie veröffentlicht. Ihr zufolge haben mindestens 4400 Priester über einen Zeitraum von 50 Jahren knapp 11.000 Kinder sexuell missbraucht. In den meisten Fällen waren es Jungen.
Skandal mit finanziellen Folgen
Einige Kirchenobere wussten von Übergriffen. Die Taten wurden zunächst aber oft verheimlicht, Täter nicht bestraft, allenfalls versetzt. Der Erzbischof von Boston, Kardinal Bernard Law, musste 2002 zurücktreten. Er hatte den Pädophilie-Skandal mit mehr als 500 Fällen in seiner Diözese jahrelang vertuscht.
Insgesamt hat der Skandal die Kirche Entschädigungszahlungen von mehr als 680 Millionen Euro gekostet. Mehrere Diözesen gerieten an den Rand des finanziellen Ruins. Einige, wie San Diego, meldeten Insolvenz an. Allein die Diözese Los Angeles zahlte 475 Millionen Euro an mehr als 500 Opfer.
Als Folge des Skandals verlor die katholische Kirche in den USA stark an Ansehen. Es gab viele Kirchenaustritte, die aber durch katholische Einwanderer aus Mittel- und Südamerika ausgeglichen wurden. Inzwischen stellen Latinos etwa 40 Prozent der mit rund 65 Millionen Gläubigen weiterhin größten Kirche der USA. (vg)