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Wohnungseinbruch boomt weiter

Wolfgang Dick30. März 2016

Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Deutschland ist nach Medienberichten um rund zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Zu den Gründen für diese Entwicklung versuchen Kriminologen Erkenntnisse zu gewinnen.

Symbolbild Einbruch
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Offiziell möchte Bundesinnenminister Thomas de Maizière die polizeiliche Kriminalstatistik 2015 erst im Mai vorstellen. Doch Journalisten der Zeitung "Die Welt" veröffentlichten schon vorab Zahlen, die einen Trend belegen: Die Zahl der Wohnungseinbrüche steigt deutlich - und zwar kontinuierlich seit dem Jahr 2005. Waren es vor zehn Jahren bundesweit noch 109.736 Straftaten, wurden 2015 bereits 167.136 Einbrüche in Häuser und Wohnungen polizeilich erfasste.

Die Entwicklung wirft viele Fragen auf. Gibt es mehr organisierte Kriminalität in Deutschland ? Nimmt die Zahl marodierender Banden zu? Welche Rolle spielt die Zuwanderung ? Was macht die Polizei ? Eine Gruppe von Wissenschaftlern am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen hat sich seit 2013 mit den Hintergründen der Wohnungseinbrüche beschäftigt. Die Ergebnisse aus Gesprächen und dem Studium von 3668 Strafakten sind in diesem Monat aktuell abgeschlossen worden.

Ursachenforschung

Viele Gründe hätten für den Zuwachs der Wohnungseinbrüche gesorgt, sagt Gina Wollinger, Soziologin und Mitautorin der Studie. "In Wohnungen und Häusern gibt es immer mehr kleine, aber hochwertige technische Geräte." Smartphones, Tablets oder Elektronik im Mikroformat seien schnell und unauffällig zu entwenden, und genau darum gehe es allen Tätern. "Alles, was länger als fünf Minuten benötigt, wird abgebrochen". Umso erstaunter war man, dass den Tätern keine größeren Hürden gebaut würden. "Trotz umfangreicher Aufklärung durch die Polizei sind Wohnungen nach wie vor schlecht gesichert", berichtet Gina Wollinger. Häufig werde erst in die Sicherung investiert und "aufgerüstet", wenn im Bekannten oder Freundeskreis eingebrochen wurde. "Das Thema ist für die meisten Menschen weit weg", so Wollinger. Diese Nachlässigkeit sei in Täterkreisen bekannt und werde zunehmend ausgenutzt.

Soziologin Gina R. Wollinger "Noch zu wenig Einbruchsschutz"Bild: KFN

Regionale Unterschiede

"Es gibt bundesweit keine einheitliche Tätergruppe", stellt Wollinger für die Untersuchung fest, die fünf Städte - Bremerhaven, Berlin, Hannover, Stuttgart und München - in den Focus nahm. Im Norden und an Orten mit sozial schwächeren Strukturen wären häufig die Perspektivlosigkeit und der Beschaffungsdruck für Drogen ein Grund für die Zunahme von Einbruchsdelikten. Die Täter, vorwiegend junge Männer, kämen dann auch aus der Region und seien vor allem Deutsche. "Im Süden Deutschlands überwiegen die Reisetäter, die ganze Straßenzüge systematisch abgehen."

Der Eindruck, die Wohnungseinbrecher seien überwiegend Banden aus Osteuropa, habe sich nicht bestätigt. Auch für die Vermutung, dass eine Zunahme der Banden oder die erhöhte Zuwanderung einen Zuwachs der Einbrüche verursachen würde, fanden die Forscher keine eindeutigen Belege. In mehreren Landeskriminalämtern bestätigten Pressesprecher der DW auf Anfrage, der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund liege bei kriminellen Handlungen generell nicht höher als in der deutschen Bevölkerung.

Einbrecher haben immer noch zu leichtes Spiel - zudem hinterlassen sie oft nur noch wenig SpurenBild: Fotolia

Allgemein gültige Antworten scheint es bei den Gründen für den Zuwachs von Wohnungseinbrüchen nicht zu geben. Die regionalen Unterschiede seien zu groß, ist immer wieder zu hören. Zu unterschiedliche Tätergruppen, zu unterschiedliche Polizeiarbeit. Im Landeskriminalamt Hessen registriert man zum Beispiel einen Anstieg der Einbrüche um 5,6 Prozent. In Nordrhein-Westfalen steht man einem Anstieg um über 18 Prozent gegenüber.

Aus dem LKA Wiesbaden kommt der Hinweis, dass Statistiken sich schon verändern können, wenn einzelnen Tätern oder Tätergruppen mehr oder weniger Verfahren zugeordnet werden. So gingen 108 Fälle Einbrüche im Main-Taunus-Kreis auf das Konto von gerade vier Personen aus Südamerika und Spanien. Im Raum Kassel habe man einem dort ansässigen Täter vom53 Jahren fast 500 Einbrüche seit dem Jahr 2002 nachweisen können. Die Zahl von Intensivtätern nimmt offenbar zu.

Die Aufklärungsquoten schwanken von Land zu Land. Bundesweit liegt die Quote der Aufdeckung im Schnitt für Wohnungseinbrüche bei rund 15 Prozent. Die Forscher in Niedersachsen gehen sogar nur von 2,6 Prozent aus, gezählt nach denjenigen Verfahren, die auch in eine Verurteilung münden.

Probleme bei der Polizei

Ein Grund für den Anstieg von Einbrüchen soll der Personalabbau bei der Polizei sein. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, bedauert, dass sich die Polizei aus der Fläche so sehr zurückziehen musste, dass etliche Polizeiwachen geschlossen wurden. Polizei müsse aber vor Ort präsent sein und reagieren können, stimmt ihm Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), zu. Wendt fordert Personalverstärkung und ein verbessertes länderübergreifendes System, mit dem Vorgänge koordiniert bearbeitet werden können.

Wenn alle drei bis vier Minuten in Deutschland ein Einbruch geschehe, müsse die Polizei besser gerüstet sein. Heute sei es aber häufig so, dass manche Polizeieinheit auf eine DNA-Analyse bis zu einem Jahr warten müsse, weil Ermittlungen zu Mordtaten Vorrang gegenüber Einbruchsdelikten haben und Kapazitäten begrenzt sind.

Erfolge der Ermittler

Zu den wenigen Bundesländern, die einen Rückgang bei den Wohnungseinbrüchen verzeichneten, gehört Bayern. Fast neun Prozent weniger dieser Straftaten zählten die Statistiker dort. Im Landeskriminalamt sieht man dafür drei Gründe: Mehr Kontollen an Autobahnabfahrten, erhöhte Aufklärung durch die Polizei und dadurch gewachsene Wachsamkeit der Einwohner und ihrer Nachbarn.

Ganz entscheidend sei aber de Einsatz von PreCOBS gewesen. Dies ist eine Software, die vorliegende Daten auswertet und künftige Einbruchsorte vorausberechnet. Die Erfolgsquote ist verblüffend. Allein im Großraum München gingen die Einbrüche um bis zu 40 Prozent zurück, weil die Polizei rechtzeitig sichern konnte, so das LKA. Die Software PreCOBS soll künftig auch in anderen Städten und Bundesländern zum Einsatz kommen. Demnächst in Hamburg, einer Hochburg für Wohnungseinbrüche mit einer Steigerungsrate von fast zwanzig Prozent gegenüber dem Vorjahr.