Mit der Verleihung der begehrten Palme d'or ging das weltgrößte Filmfestival zu Ende. Gewinner ist ein Wettbewerbsbeitrag aus Südkorea, den vorher nur wenige Kritiker zu den Favoriten zählten.
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21 Filme waren im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten und nicht wenige Experten rechneten mit einem glücklichen Ende für die angetretenen Altmeister des Regiefachs. Am Schluss entschied sich die Jury jedoch für den Film "Parasite" des Südkoreaners Bong Joon-ho. Spannend und überraschend - so zeigte sich die gesellschaftskritische Tragikomödie, die in der zweiten Festivalwoche lief und da bereits viel Lob erhielt.
Mit leeren Händen muss Quentin Tarantino in die USA zurückfliegen. Vor 25 Jahren hatte er die Goldene Palme für "Pulp Fiction" erhalten. Sein neuer Streifen, "Once upon a time in Hollywood", konnte die Jury nicht überzeugen. Da half auch die Starbesetzung mit den ebenfalls in Cannes anwesenden Schauspielern Leonardo Di Caprio und Brad Pitt nichts.
"Leid und Herrlichkeit" für Almodovar und Banderas
Auch Pedro Almodovars Arbeit wurde wieder nicht prämiert. In seiner Glasvitrine steht nach dem mittlerweile sechsten Filmbeitrag immer noch keine Goldene Palme und diese Bilanz wurde auch durch sein neues Werk nicht verändert. "Leid und Herrlichkeit" lief in Almodovars Heimat Spanien bereits an, ohne Begeisterungsstürme ausgelöst zu haben. Ähnlich verlief es auch in Cannes.
Lediglich Antonio Banderas' Leistung in "Leid und Herrlichkeit" wurde gewürdigt. In dem autobiographisch geprägten Film spielt er den Drehbuchautor und Regisseur. Die beiden sind seit 40 Jahren befreundet.
Beste Darstellerin wurde Emily Beecham für ihre Rolle in "Little Joe". Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner wirft in dem Film Fragen nach unserem Umgang mit vermeintlich großartigen Neuerungen auf. Beecham spielt darin eine Botanikerin, der Zweifel an ihrer jüngsten Züchtung, einer Pflanze namens "Little Joe", bringen.
Phantastischer Film aus dem Senegal bekommt Großen Preis der Jury
Als zweit wichtigster Preis in Cannes gilt der Große Preis der Jury. Dieser ging an "Atlantics" von Mati Diop, eine Französin mit senegalesischem Hintergrund. In dem in Senegal gedrehten Film soll eine junge Frau mit einem ihr unbekannten Mann verheiratet werden, obwohl sie einen anderen liebt. Die 36-jährige Diop erzählt dies aber nicht als Drama, sondern als Märchen mit traumartigen Sequenzen. "Der Film hat uns sehr berührt", sagte Jurymitglied Elle Fanning.
Für Diop ist der Preis ein großer Erfolg: Das Werk ist ihr Spielfilmdebüt und sie wurde damit auf Anhieb in den Wettbewerb eingeladen. Sie ist außerdem die erste schwarze Frau in der Cannes-Geschichte, die das geschafft hat. Ein großer Triumph für Diop - und für junge Frauen in der Filmbranche.
Regie-Preis für Dardenne-Brüder
Den Preis für die beste Regie erhielt das belgische Brüderpaar Jean-Pierre und Luc Dardenne. In "Young Ahmed" erzählen sie die Geschichte der Radikalisierung eines jungen Moslems und gewinnen damit bereits zum dritten Mal einen Preis in Cannes.
Der Preis der Jury wurde zwei Mal vergeben: Er ging zu gleichen Teilen an das Sozialdrama "Les Misérables" des jungen Franzosen Ladj Ly sowie an die Gesellschaftssatire "Bacurau" der Brasilianer Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles.
Über den Gewinner der Palme d'or entschied in diesem Jahr eine Jury aus fünf Männern und vier Frauen - angeführt vom mexikanischen Regisseur Alejandro González Iñarritu, der den begehrten Preis selbst allerdings nie erhalten hat. Weitere Mitglieder der Jury waren unter anderem die Filmemacher Robin Campillo und Giorgos Lanthimos, sowie die Schauspielerinnen Elle Fanning und Maimouna N'Diaye.
Im vergangenen Jahr durfte der Japaner Hirokazu Koreeda die Goldene Palme mit nach Hause nehmen. Shoplifters, sein Film über eine Patchworkfamilie aus dem japanischen Prekariat, gewann nach dem großen Erfolg in Cannes weitere nationale und internationale Preise.
djo/hf (afpe, dpa, rtre)
Tarantino & Mehr: Höhepunkte in Cannes
21 Filme konkurrierten im Wettbewerb des Filmfestivals um die Goldene Palme. Leonardo DiCaprio und Brad Pitt waren im neuen Tarantino-Film zu sehen. Doch auch die Nebensektionen des Festivals boten filmische Highlights.
Bild: picture-alliance/dpa/Invision/V. Le Caer
Auftritt der Hollywood-Stars
Das Staraufgebot in Cannes war in diesem Jahr beachtlich: Lieblinge der Fotografen waren natürlich die ganz Großen der US-amerikanischen Filmindustrie. Hollywoodstars Brad Pitt (re) und Leonardo Di Caprio machten im eleganten Smoking eine genauso gute Figur wie in Jeans beim Bummeln am Strand. Doch ihr Film "Once Upon a Time in Hollywood" ging leer aus.
Bild: picture-alliance/dpa/Invision/V. Le Caer
Tarantino rockt die Croisette
Ihr Regisseur Quentin Tarantino war ebenso unbestrittener Stargast in Cannes: Wenn ein neuer Kinofilm von Tarantino Weltpremiere feiert, hält die Kinowelt kurz den Atem an - gespannte Erwartung bei Publikum und Jury gleichermaßen. Doch abschließend überzeugen konnte der Film des Kult-Regisseurs zumindest die Jury nicht...
Bild: Reuters/J.-P. Pelissier
Goldene Palme für "Parasite" aus Südkorea
Sondern ein Film aus Südkorea - einer von zwei asiatischen Filmen im diesjährigen Wettbewerb. Regisseur Bong Joon-ho (Südkorea) begeisterte mit "Gisaengchung" ("Parasite"/unser Foto) die Jury und bekam die Goldene Palme. Der Film zeigt in tragikomischer Weise, auf welche Ideen eine Familie kommt, deren Oberhaupt arbeitslos geworden ist.
Bild: 2019 CJ ENM Corporation, Barunson E&A
Frauenpower in Cannes: Mati Diop
Über die mangelnde Berücksichtigung von Regisseurinnen ist viel geredet worden. 2019 waren vier Filmemacherinnen im Wettbewerb dabei, bei 21 Filmen keine sehr hohe Quote. Dafür eine hohe Auszeichnung: Das mit Spannung erwartete Filmdebüt von Mati Diop "Atlantique" (unser Bild) bekam den Großen Preis der Jury. Der Film spielt in Dakar und erzählt von Flucht und Hoffnung auf ein besseres Leben.
Bild: Les Films du Bal/Cinekap/FraKas/Arte France Cinéma/Canal Plus internation
Geheimnis im Herzen Brasiliens: "Bacurau"
Südamerika wurde 2019 von nur einem Film aus Brasilien vertreten. Das Regie-Duo Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles präsentierte in Cannes "Bacurau": Ein Dokumentarfilmregisseur reist ins Herz Zentral-Brasiliens und stößt er auf ein kleines Dorf, dessen Bewohner sich höchst seltsam verhalten. Dafür gab es den Preis der Jury, den allerdings musste sich der Film mit "Les Misérables" teilen.
Bild: Victor Jucá
Deutsches Staraufgebot in zweiter Reihe
Kein deutscher Regisseur hat es in diesem Jahr mit einem Film in den Wettbewerb von Cannes geschafft, nur die deutsch-amerikanische Co-Produktion "A Hidden Life" ("Ein verborgenes Leben") mit einer Riege prominenter Darsteller. August Diehl (hier mit Bruno Ganz) spielt den österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der aus Gewissensgründen den Kriegsdienst bei der Wehrmacht verweigert.
Bild: Iris Productions/Reiner Bajo
Alte Bekannte I: Ken Loach
Ein alter Bekannter des Festivals ist der britische Regisseur Ken Loach. Er gehört zu den wenigen Filmemachern, die schon zwei Goldene Palmen in Cannes gewinnen konnten. Loach präsentierte seinen Film "Sorry We Missed You". In gewohnter Manier beschäftigt er sich mit der Wirtschaftsmisere der "kleinen Leute": Ricky Turner (Kris Hitchen) versucht sich als selbständiger Fahrer eines Lieferservices.
Bild: Joss Barratt
Alte Bekannte II: Die Dardenne-Brüder
Zum weltweit exklusiven Kreis der doppelten Goldene-Palme-Gewinner gehört auch das belgische Brüder-Paar Jean-Pierre und Luc Dardenne. Ihr neues Werk "The Young Ahmed" greift ein heißes Eisen auf: religiöser Fanatismus. Ein junger Schüler plant seinen Lehrer zu ermorden. Dafür gab es in Cannes 2019 den Preis für die beste Regie.
Bild: Christine Plenus
Wunderkind mit Erfahrung: Xavier Dolan
Obwohl gerade erst 30, kennt auch der kanadische Regisseur Xavier Dolan das Festival gut. Unter anderem gewann sein Film "Mommy" 2014 den "Preis der Jury“. Dolans Opus "Matthias & Maxime" bewarb sich 2019 um die Goldene Palme. Der Film erzählt vom Leben und Leiden einer Gruppe junger Menschen. Multitalent Dolan schrieb, inszenierte und produzierte den Film - und spielt eine Hauptrolle!
Bild: Shayne Laverdiere
Einmal mehr: Solo für Isabelle Huppert
Die französische Schauspielerin Isabelle Huppert, die eigentlich ein Abonnement auf große Auftritte in Cannes hat, gehörte auch in diesem Jahr wieder zu den Stars auf dem Roten Teppich. Sie spielt in der internationalen Co-Produktion "Frankie" des Amerikaners Ira Sachs eine Schauspielerin, die beim Arzt die Diagnose bekommt, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hat.
Bild: 2019 Photo Guy Ferrandis / SBS Productions
Heimatlos: Elia Suleiman
Mit einem der brennendsten Themen unserer heutigen Zeit beschäftigt sich der palästinensische Regisseur Elia Suleiman in "It must be Heaven". In der französisch-kanadischen Komödie spielt Suleiman selbst einen Mann auf der Suche nach Heimat. Er reist nach Paris, New York und Doha und stößt überall auf und an Grenzen: solche, die tatsächlich existieren und solche in den Köpfen der Menschen.
Bild: Carole Bethuel
Exotik außerhalb des Wettbewerbs: "Rocketman"
Doch das Filmfestival Cannes ist mehr als der Wettbewerb und der Run auf die Goldene Palme. In Nebenreihen und Spezial-Vorstellungen feiern Filme Weltpremiere, auf die die Kinowelt schon lange wartet. Musikfans dürften in diesem Jahr auf ihre Kosten kommen: in "Rocketman", einem Bio-Picture über den legendären Aufstieg der Pop-Legende Elton John - im Film verkörpert von Taron Egerton.
Bild: Imago Images/Paramount Pictures - Marv Studio
Anfänge eines Sportgenies: "Maradona"
Exzentrisch auf einem ganz anderem Gebiet war und ist der Fußballer Diego Armando Maradona. Ihm hat der oscarprämierte britische Regisseur Asif Kapadia ("Amy") seinen neuen Dokumentarfilm gewidmet. Schwerpunkt in "Maradona": Seine Anfangszeit in den 1980er Jahren in Europa, als der argentinische Superstar als Spieler des "SSC Napoli" eine ganze Stadt mit seinen Fußball-Künsten elektrisierte.
Bild: El Grafico
Kreis schließt sich: Legendäres Schauspiel-Paar
1966 holte der französische Regisseur Claude Lelouch Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant für seinen Film "Ein Mann und eine Frau" vor die Kamera und gewann die Goldene Palme in Cannes - und später auch zwei Oscars. 2019 kehrte Lelouch mit 81 Jahren an die Croisette zurück und zeigte seinen aktuellen Film "Les plus belles anees d'une vie". Wieder dabei: Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant!