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PolitikAsien

Parlamentswahlen in Hongkong verschoben

Dang Yuan
31. Juli 2020

Die Verlegung der Wahl ist ein herber Schlag für die pro-demokratischen Kräfte, die sich gute Chancen erhofften. Freuen dürfte sie aber Deutschlands Entscheidung, sein Auslieferungsabkommen mit Hongkong auszusetzen.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam mit Mundschutz vor einem Mikrophon
Bild: Reuters/L. Yik

Mit Mundschutz trat am Freitagabend Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam vor die Presse. Sie berief sich auf ihre Notstandbefugnisse und verkündete die Verschiebung der Wahlen zum Hongkonger Parlament, die am 6. September stattfinden sollten, um ein Jahr. In den vergangenen Tagen ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Hongkong rapide angestiegen. Am Freitag wurden 173 neue Infektionen in der Sieben-Millionen-Stadt gemeldet, nach 147 Fällen am Donnerstag und 119 am Mittwoch. 

"Wir müssen ständig in höchster Alarmbereitschaft sein und reagieren", so Lam. "Wir stehen vor einer ernsten Situation. Die Entscheidung, die ich heute traf, war die schwerste der vergangenen Monate."

Das Hongkonger Stadtparlament, genannt Legco für Legislativrat, hat 70 Sitze. Die Hälfte wird in freien und allgemeinen Wahlen besetzt. Die andere Hälfte wird von berufsständischen und anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen wie Rechtsanwälten, Mitarbeitern von Finanzinstitutionen, des Medizinsektors und der Gewerkschaften bestimmt. Diese Gruppen stimmen traditionell pro-chinesisch ab. Das oppositionelle pro-demokratische Lager hat derzeit 23 Sitze inne. 

610.000 Menschen hatten Anfang Juli an den Vorwahlen der demokratischen Parteien teilgenommenBild: Reuters/J. Pang

Vorwahl bei pro-demokratischen Parteien

Für die demokratischen Parteien sind die Wahlen ein fundamentaler Bestandteil des Regierungssystems, wie es im Hongkonger Basic Law oder Grundgesetz festgeschrieben ist. Nach der Einführung des umstrittenen Sicherheitsgesetzes für Hongkong, das am 1. Juli in Kraft trat, gewannen die Demokraten spürbar an Unterstützung. An den Vorwahlen, bei denen die Kandidaten der demokratischen Parteien für die Parlamentswahlen aufgestellt wurden, hatten 610.000 Bürger teilgenommen.

Das Ziel dieser Parteien lautet: "35+", also die Mehrheit im Parlament. Doch nicht alle bei den Vorwahlen aufgestellten Kandidaten dürfen teilnehmen. Die Wahlkommission schloss am Donnerstag zwölf Kandidaten der demokratischen Parteien aus. Die Begründung: Unterstützung der Unabhängigkeit von Hongkong, Kontakte mit feindseligen ausländischen Kräften, fehlende Loyalität gegenüber dem Basic Law sowie grundsätzliche Ablehnung des Sicherheitsgesetzes.

Am Donnerstag wurden vier Studenten auf der Grundlage des Sicherheitsgesetzes festgenommen. Laut Auskunft der Polizei haben die zwischen 16 und 21 Jahren alten Beschuldigten "separatistische Aktivitäten" geplant, organisiert und durchgeführt. 

Demokratieaktivist Joshua Wong wurde von den Wahlen ausgeschlossenBild: Getty Images/AFP/A. Wallace

Angst vor demokratischer Mehrheit

"Es ist klar, dass diese Entscheidungen ein politisch motivierter Schachzug sind", sagt Ma Ngok, Politologe an der Chinese University of Hong Kong. "Die Regierung in Hongkong will verhindern, dass die Demokraten bei den Wahlen die Mehrheit gewinnen." Trotz der vielen Hürden sei für die Demokraten die Mehrheit zwar schwierig zu erlangen, aber möglich, so Ma im Interview mit der DW.   

Die chinesische Zentralregierung inszeniere verschiedene Maßnahmen, "um zu verhindern, dass die Opposition die Mehrheit im Legco übernimmt", schreibt Demokratieaktivist Joshua Wong auf Twitter, der am Donnerstag von den Wahlen ausgeschlossen wurde. "Peking könnte uns disqualifizieren, verhaften, ins Gefängnis werfen oder sogar die Wahl absagen und an anderer Stelle ein Marionettenparlament schaffen."

Wahlplakate in HongkongBild: Getty Images/AFP/I. Lawrence

Fast alle pro-demokratischen Legco-Abgeordenten hatten sich vor der Entscheidung von Carrie Lam gegen die Verschiebung der Wahlen geäußert.

Das Parlament hat durchaus wichtige Funktionen innerhalb des Regierungssystems von Hongkong, vor allem die Billigung des Haushaltsgesetzes. Peking befürchtet, dass die Opposition, wenn sie die Mehrheit hat, die Funktionsfähigkeit der Hongkonger Regierung lahmlegen könnte, eben durch Nichtverabschiedung des Haushaltsgesetzes. Zu den sogenannten fünf Forderungen der pro-demokratischen Kräfte gehört neben der allgemeinen Wahl des Regierungschefs auch die freie und allgemeine Wahl aller Mitglieder des Parlaments.

Deutschland setzt Auslieferungsabkommen mit Hongkong aus

Die deutsche Bundesregierung sei sehr besorgt über die letzte Entwicklung in Hongkong, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas.  "Wir haben wiederholt unsere Erwartung klar gestellt, dass China seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält. Hierzu gehört die Gewährleistung der im Basic Law garantierten Freiheiten und Rechte. Und hierzu gehört gerade auch das Recht auf freie und faire Wahlen. Dieses steht den Menschen in Hongkong zu", so Maas.
 

Mitarbeit: William Yang (Taipeh)