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Politik

Moldau: Parlamentswahlen im Schatten der Geopolitik

Vitalie Călugăreanu | Robert Schwartz
22. Februar 2019

Am Sonntag wird in der Republik Moldau ein neues Parlament gewählt. In der heißen Phase des Wahlkampfs fehlt es nicht an gegenseitigen Beschuldigungen und Drohgebärden. Ein Stimmungsbild aus der Hauptstadt Chisinau.

Republik Moldau - Parlamentswahlen 2019
Bild: DW/E. Covalenco

In diesen letzten Tagen des moldauischen Wahlkampfs muss man sich wie in einem schlechten Mafia-Krimi wähnen: die beiden pro-europäischen Oppositionsführer Maia Sandu und Andrei Nastase vom Bündnis ACUM (JETZT) erklärten vor der Presse, mit Quecksilber vergiftet worden zu sein. Ein TV-Sender aus dem Dunstkreis des sozialistischen, russlandfreundlichen Staatschefs Igor Dodon veröffentlichte am Freitag eine handschriftliche Notiz über einen angeblichen Plan zur Ermordung des Präsidenten. Fast zeitgleich wurde der Oligarch und "starke Mann" in Chisinau, Vlad Plahotniuc, Chef der regierenden sogenannten Demokraten, in Moskau angeklagt, am illegalen Abzug von rund 500 Millionen Euro aus Russland beteiligt gewesen zu sein.

Maia Sandu und Andrei Nastase - Opfer einer Quecksilbervergiftung?Bild: E. Covalenco

Die Hand Russlands?

Das russische Innenministerium überraschte am Freitag morgen die moldauische Öffentlichkeit mit einer Mitteilung über Ermittlungen gegen Vlad Plahotniuc und einen Geschäftspartner, mit dem er durch illegale Devisengeschäfte 37 Milliarden Rubel (umgerechnet rund 500 Millionen Euro) aus Russland abgeführt haben soll. Plahotniuc und seine Demokratische Partei (PDM) vermuten hinter der Aktion einen neuen Versuch, die Sozialisten des amtierenden Präsidenten Dodon im Wahlkampf zu stärken.

Laut moldauischer Presse stehen die Ermittlungen in engem Zusammenhang mit dem Geldwäsche-Skandal, der unter dem Namen "Russischer Laundromat" bekannt wurde. Am letzten Mittwoch hatten deutsche Ermittler in dieser Affäre Immobilien und Geld im Wert von 40 Millionen Euro in Deutschland beschlagnahmt. Insgesamt sollen bei der Geldwäsche-Aktion vor gut fünf Jahren rund 20 Milliarden Euro aus Russland über Banken in Lettland und der Republik Moldau ins Ausland verschoben worden sein.

Es ist dies das zweite Strafverfahren gegen Plahotniuc in Russland. Ende letzten Jahres hatten ihn russische Behörden wegen Beteiligung an einem Doppelmord angeklagt.

Gegen den Oligarchen Vladimir Plahotniuc wird in Moskau wegen Geldwäsche ermitteltBild: picture-alliance/dpa/D. Doru

Mögliche Vergiftung, mögliche Morddrohung

Am letzten Donnerstag, drei Tage vor den Wahlen, erklärten die beiden pro-europäischen Oppositionsführer Maia Sandu und Andrei Nastase, sie seien Opfer einer Quecksilbervergiftung geworden. Es gebe eindeutige Anzeichen dafür. Einen Tag später wiesen sie der von Plahotniuc kontrollierten Regierung die Schuld dafür zu und präsentierten ihre Laborbefunde vor der Presse in Chisinau. Ärzte hätten bestätigt, die hohen Quecksilberwerte seien klare Anzeichen externer Einwirkung.

In einer ersten Untersuchung, der sich Nastase 2017 in Deutschland unterziehen ließ, sei bereits eine erhöhte Quecksilberkonzentration in seinem Blut entdeckt worden, so der Politiker. Trotz anschließender Behandlung seien die Werte weiterhin hoch geblieben. Bei Maia Sandu sei letztes Jahr eine vierfach größere Menge an Quecksilber als der Grenzwert entdeckt worden.

Ein Sprecher der regierenden PDM wies die Anschuldigungen der Oppositionspolitiker als Wahlkampf-Manöver zurück. Die von Plahotniuc kontrollierte Presse ließ die Vermutung eines Arztes verbreiten, die angebliche Vergiftung sei auf hohen Fisch-Verbrauch zurückzuführen.

Die von den Sozialisten kontrollierte Presse ließ an diesem Freitag verlauten, gegen den Staatschef sei ein Mordkomplott im Gange. Man habe aus "sicherer" Quelle den handschriftlichen Hinweis dafür bekommen, demnach Dodon nach den Wahlen auf Geheiß Plahotniucs "um die Ecke gebracht" werden sollte. Der Brief wurde inzwischen von den Webseiten der Publikationen zurückgezogen.

Präsident Igor Dodon träumt vom Wahlsieg seiner SozialistenBild: picture-alliance/dpa/C. Feoktistov

West gegen Ost

Die Gesellschaft in der Republik Moldau ist gespalten. Die pro-europäischen und pro-russischen Lager halten sich die Waage. Plahotniucs PDM gibt sich zwar pro-westlich, doch dahinter verbergen sich oft wirtschaftliche und politische Einzelinteressen des Oligarchen und seiner Gefolgsleute. Dodons Sozialisten sind klar nach Moskau ausgerichtet. Russlands Einfluss in der ehemaligen Sowjetrepublik ist immer noch spürbar, vor allem in den Kleinstädten und ländlichen Regionen. Sollte das pro-russische Lager die Wahlen gewinnen, hat der Präsident die Neuverhandlung des 2014 abgeschlossenen Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union angekündigt.

Das Land ist von flächendeckender Korruption geprägt, Politik, Wirtschaft und Finanzen befinden sich im Würgegriff von Oligarchen. Laut Weltbank leben über 20% der rund 3,5 Millionen Moldauer unterhalb der Armutsgrenze. Der Durchschnittslohn liegt bei 300 Euro. Nach jüngsten Schätzungen soll fast ein Drittel der Bevölkerung im Ausland arbeiten - in Russland und vor allem in der Europäischen Union. An der östlichen Peripherie des Landes schwelt seit Anfang der 1990er Jahre ein "eingefrorener Konflikt". In der separatistischen pro-russischen Region Transnistrien sind immer noch russische Militärs stationiert.

Ein geändertes Wahlgesetz und wiederholte Repressionen gegen Zivilgesellschaft und Opposition sind denkbar schlechte Vorzeichen für die Wahlen am Sonntag. Letztendlich wird nicht nur über eine neue Regierung in Chisinau entschieden, sondern über den künftigen Kurs des Landes. Pro-EU oder pro-Russland - das wird an diesem Sonntag die eigentliche Frage sein.

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